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Kunsthalle FridericianumFriedrichsplatz 18
34117 Kassel
Tel. 0561 - 70 72 720; Fax 0561 - 77 45 78
Mi - So 11 - 18 Uhr
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http://www.documenta.de
aktuelle Ausstellung / current exhibition
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition
02.04. - 18.05.2003
Kuratorenwerkstatt Fridericianum
In Kooperation mit apexart, New York"Denn man sieht nur die im Lichte. Shadow Cabinets in a Bright Country."
Kurator: Ted Purves, San Francisco
"Walking in the City"Kuratorinnen: Melissa Brookhart Beyer, New York, und Jill Dawsey, San Francisco
Kuratorenwerkstatt Fridericianum
Ein Ort zeitgenössischer Kunst ist immer auch ein Experimentierfeld, wobei nicht nur Künstlern, sondern auch Kunstvermittlern die Möglichkeiten des Entdeckens zugestanden werden müssen. Das mit diesem Jahr beginnende Projekt Kuratorenwerkstatt Fridericianum holt junge Kuratoren und Kuratorinnen aus unterschiedlichen Ländern an die Kunsthalle, um ihnen hier einerseits das Sammeln praktischer Erfahrungen zu ermöglichen, andererseits ihre eigenen Ideen und Vorstellungen in die Ausstellungstätigkeit einzubringen. Zusätzlich öffnet sich die Kuratorenwerkstatt zu einer intensiven Kooperation mit dem apexart Curatorial Program, New York. Hier werden junge Kuratoren dazu eingeladen, themenspezifische Ausstellungen zu entwickeln, wodurch sich ein facettenreiches Feld von Fragen und Ansätzen zu zeitgenössischer Kunst und Kultur ergibt. In Kooperation mit apexart werden zukünftig jährlich zwei Ausstellungen konzipiert, die sowohl in New York als auch in Kassel zu sehen sein werden. Beide Ausstellungsräume werden so miteinander vernetzt.Denn man sieht nur die im Lichte. Shadow Cabinets in a Bright Country
Als erster Gastkurator wird Ted Purves aus San Francisco in Kassel präsent sein. In seiner Ausstellung Shadow Cabinets in a Bright Country bezieht sich der Kurator auf den massiven Rückgang des staatlichen Engagements im Bereich des Sozialen, die die USA seit dem Regierungsantritt von George Bush verzeichnen. Bush hatte in seiner 1989 gehaltenen Amtsantrittsrede durch seinen Aufruf zur Nächstenliebe die soziale Verantwortung gegenüber den schwächer Gestellten auf die Bürger der USA übertragen. Doch der Rückzug des Staates aus demSozialsystem öffnete diesen Bereich nicht zuletzt auch für private Initiativen, deren Vorstellungen von notwendigen Hilfeleistungen sich womöglich von denen Bushs unterscheiden man denke beispielsweise an den privat initiierten Verkauf von Marihuana zu medizinischen Zwecken.Mit dem Begriff des Schattenkabinetts greift Ted Purves daher die Idee einer politischen Gruppierung auf, die obgleich als Opposition offiziell machtlos durch die "Schöpfung metaphorischer und symbolischer Alternativen" (Ted Purves) Einfluss nehmen. Tatsächlich zeigen aktuelle Tendenzen innerhalb der Gegenwartskunst, dass von Künstlerinnen und Künstlern initiierte Projekte immer häufiger auf die Vermittlung von Waren und Dienstleistungen an das Publikum abzielen. Dem Besucher wird ermöglicht, dieser Kunst nicht nur als Betrachter gegenüberzutreten, sondern sich durch Teilnahme, Assistenz und Diskussion zu engagieren.
So fördert die Gruppe "it can change" (San Francisco) mit ihrem Kasseler Projekt nicht nur die soziale Kommunikation, sondern zugleich hinterfragt sie auch den Begriff des Warenwerts: Passanten werden eingeladen, sich innerhalb des Ausstellungsraums eines von 30 dort präsentierten Kleidungsstücken gegen eigene einzutauschen. Die Kleidungsstücke sind wiederum mit Tauschinstruktionen versehen, so dass sich auch außerhalb des Ausstellungsraumes der Vorgang von Übernahme/Tausch/Weitergabe fortsetzt. Kommunikation und Austausch, aber auch die
Einflussnahme auf die Öffentlichkeit ermöglicht "Cambalache collective" (Sevilla, London, Paris): Unter dem Titel Rote Ampel wird die Gruppe mit einem als mobiles Mischpult umgestalteten Transporter an Straßen und Plätzen öffentliche DJ-Sessions durchführen, zu denen die Passanten eigene Musik, Geräusche, Statements beitragen können. "Nuts Society" (Bangkok) hält Workshops zum Thema Writing Thai A Learning Reform an, während Katrin Böhm und Stefan Saffer (London, Berlin) auf ein sehr aktuelles Thema der Stadt eingehen: Mit einem Modellbau-Workshop bieten sie einen vielleicht hilfreichen Beitrag zu Kassels Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2010 einem Thema, das die Stadt aktuell bestimmt.Die zunächst auf die amerikanische Situation ausgerichtete Ausstellung beweist damit einen hohen Flexibilitätsgrad, indem sich die beteiligten Künstlergruppen auf den neuen Ort und seine individuellen Gegebenheiten einstellen und diese konkret in ihre Arbeit einbeziehen.
Walking in the City
Mit der Ausstellung Walking in the City untersuchen die Kuratorinnen Melissa Brookhart Beyer und Jill Dawsey die räumlichen Praktiken innerhalb der Kunst von der Mitte der 60er Jahre bis zur Gegenwart.Ausgehend vom Topos des Flaneurs, einer paradigmatischen Gestalt des 19. Jahrhunderts, der sich
mit schlendernder Leichtigkeit Raum erobert, zeigen die Kuratorinnen durch ihre Auswahl zeitgenössischer Positionen ein breites Spektrum an räumlichen Erfahrungen. Deutlich werden dabei immense Unterschiede in Qualität und Quantität des zu erfahrenden, zu erobernden Raums, der insbesondere durch die Präsenz des eigenen Körpers innerhalb dieses Raums artikuliert wird.
Deutlich wird dies durch Kim Sooja, deren Videoinstallation A Needle Woman den urbanen Raum mitdem landschaftlichen konfrontiert. Sie selbst dient als Referenzpunkt für das Erlebnis des überfüllten, hektischen Stadtraums und der Existenz in einer stillen, kontemplativen Landschaft.
So bezeichnete der öffentliche Raum für Künstlerinnen und Künstler in den späten 60er und den 70er Jahren Möglichkeiten revolutionärer Art. Yayoi Kusama stellte in ihrem Walking Piece, für das sie 1966 im Kimono die Industriezonen Manhattans durchwanderte, Fragen nach Fremdheit und Migration. Ein Thema auch für Adrian Piper, die sich in ihrem Video Mythic Being von 1973 mit der Problematik von Rasse und Gender befasst, indem sie als bedrohlich wirkender Schwarzer verkleidet die Straßen New Yorks abläuft. Im Gegensatz zur Form der Wanderung zeigt Valie Export in ihren Body Configurations series (1972-76) - in denen sie sich, bzw. ihren Körper an verschiedenste architektonische Gegebenheiten anlehnt - die Möglichkeiten und Grenzen der körperlichen Anpassung an den Raum.
Wurde in den 60ern und 70ern die Stadt begriffen als ein Raum, innerhalb dessen man die Öffentlichkeit mit der immensen Unterschiedlichkeit gelebter Erfahrungen konfrontieren konnte, legen es die aktuelleren Positionen nach Erfahrung der Kuratorinnen stärker auf eine Bestätigung des
eigenen Daseins an. Der alltägliche Raum wird ethnographischen Untersuchungen unterzogen, durch Bestimmungen und Gesetze gebildete Grenzen werden visualisiert. Der urbane Raum wird als ein Gewebe verschiedenster Interessen, Möglichkeiten und Bedürfnisse begriffen.
Sehr deutlich macht dies das Video Upward Mobility, in dem Alex Villar sich den städtebaulichen Vorgaben und Einflussnahmen auf die eigene Mobilität widersetzt: Konsequent verfolgt er einen von ihm festgelegten Weg, indem er Autos, Telefonzellen, ja ganze Gebäude überklettert. Die Strategie einer persönlichen Aneignung des urbanen Raums verfolgt auch Valerie Tevere in ihrem interaktiven
DVD-Projekt A Preliminary Guide to Public and Private Space in Amsterdam. Durch Interviews mit Anwohnern, frei anwählbaren Einstellungen von öffentlichen und privaten Räumen und variable Ruten entsteht eine neue Kartographie der Stadt. Eine Kartographie, die die Möglichkeiten wie Grenzen der Nutzung des urbanen Raums visualisiert.Zu den Ausstellungen erscheint eine Dokumentation, die am 16. Mai 2003 vorgestellt wird.