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GAK

Gesellschaft für Aktuelle Kunst e.V.
Teerhof 21 (Weserburg)
28199 Bremen
Tel. 0421 - 50 08 97; Fax 0421 - 59 33 37
Di - So 11 - 18 Uhr, Do bis 21 Uhr, Do bis 21 Uhr, Mo geschlossen
GAK-Bremen@t-online.de
www.gak-bremen.de
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition

 

24 .- 28.06. 2007

BLIND DATE

Zeitgenossenschaft als Herausforderung

Internationale Konferenz der GAK in Kooperation mit dem Institut für Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik der Universität Bremen


Mit: Ulf Aminde, Kathrin Busch, Hans-Christian Dany, Clémentine Deliss, Birgit Kohler, Chus Martinez, Vanessa Joan Müller, Carmen Mörsch, Robert Pfaller, Dorothee Richter, Henning Ritter, Stefan Römer, Georg Schöllhammer, Holger Kube Ventura, Wolfgang Weileder und Mechthild Widrich

Die Sprachwissenschaft weist den "Zeitgenoss" bereits in der Renaissance nach. Doch erst Anfang des 19. Jahrhunderts wird er, wie auch der damals aufkommende "Zeitgeist", modisch. Ein Zeitgenosse ist zunächst jemand, der zur gleichen Zeit wie eine andere Person lebt. Wie bewegt man sich aber auf der "Höhe der Zeit"? Lässt sich von einem ,nüchternen' Blick auf die eigene Zeit überhaupt sprechen oder bleibt dieser Blick späteren Generationen in der Rückschau vorbehalten? Und wird nicht auch deren Blick in die Geschichte von ihrer eigenen Zeit geprägt sein? Zeitgenossenschaft kann sowohl als produzierendes wie als mitproduziertes Geschehen betrachtet werden, an dem ganz unterschiedliche Akteure mehr oder weniger aktiv und einflussreich beteiligt sind.

Für die Kunst ist das Adjektiv "zeitgenössisch" inzwischen ultimativ geworden: den einen interessante Verheißung, den anderen abschreckende Provokation. Aber das Genießen, das sprachlich mitschwingt, will gelernt sein ­ auch im alten Sinne von Nutznießen. Denn den Abenteuern des Neuen überlässt man sich in der Regel nicht ohne Vorsatz oder Lust am Wagnis. Die Auseinandersetzung mit dem Zeitgenössischen ist eine Herausforderung der unvorhersehbaren Möglichkeiten mit offenem Ausgang: ein Blind Date.

Wie werden die Beteiligten des Kunstbetriebs von den KünstlerInnen über die Vermittler zu den KuratorInnen und KritikerInnen ihrer Verantwortung gerecht? Wie machen sie die Kunst ihrer Zeit gegenwärtig? Woran orientiert sich das Arbeiten mit der "Voraussetzungslosigkeit" der meist kaum etablierten künstlerischen Positionen in Kunstvereinen? Welche Ausstellungs-, Schreib-, Sprech-, Diskurs- und Publikationsformen versuchen ihre eigene Zeitgebundenheit zu reflektieren und wie tun sie das? Die internationale Konferenz befasst sich mit Fragen aktueller künstlerischer Produktion, ihrer Rezeption und Reflexion.

Arbeitsgruppe: Frauke Ellßel, Viktor Kittlausz, Gabriele Mackert, Knut Nievers und Winfried Pauleit

Eine Buchpublikation der Beiträge ist geplant.

 

PROGRAMM (Änderungen vorbehalten)

AUFTAKT
Sonntag, 24. Juni
14.30 Uhr
ZEITGENOSSENSCHAFT. EINE IDEE UND IHRE FOLGEN FÜR DIE KUNST
Henning Ritter, Wissenschaftsjournalist, Frankfurt am Main
Von "zeitgenössischer Kunst" ist erst seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts die Rede. Um 1830 wird der Imperativ "Il faut être de son temps" für die Gegenwartskunst verbindlich. Die entscheidende Voraussetzung dafür war das Bewusstsein eines Traditionsbruchs: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Künste waren im ausgehenden 18. Jahrhundert grundsätzlich umgeschichtet worden. Der Vortrag zeichnet diesen Prozess der Herausbildung eines expliziten Gegenwartsbewusstseins in den Künsten nach.


16.00 Uhr
WAS IST ZEITGENÖSSISCHE KUNST
Holger Kube Ventura, Kunstwissenschaftler, Halle
Das Fach Kunstgeschichte benennt als "zeitgenössische Kunst" nicht weniger als die gesamte Kunstproduktion ab den 1960ern. Um dieses weite Feld zu verkleinern, könnte man die Bezeichnung auch nur auf jene Kunst anwenden, die eben in der Gegenwart entsteht ­ aber wann ist etwas gegenwärtig? Je mehr man sich mit heutigen (wieder so ein Wort) Kulturformen beschäftigt, desto schneller ­ so scheint es ­ entwickeln sie sich. Vielleicht sollte man deshalb lieber nur solche Kunst "zeitgenössisch" nennen, die (unabhängig von ihrem Herstellungsdatum und ihren historischen Referenzen) einen adäquaten Ausdruck der Gegenwart darstellt? Der Vortrag untersucht, wer aus welchen Motiven was als adäquaten (Kunst-)Ausdruck von Gegenwart behaupten kann.


18.30 Uhr (Kino 46)
FILMPROGRAMM
ZEITGENÖSSISCH/MUSEAL
house-birmingham, GB 2005, Wolfgang Weileder, Video, 9:42 min

De l'autre coté, (Von der anderen Seite), F 2002, Regie: Chantal Akerman, Video-Projektion, 99 min. OmengU
Die "andere Seite" ist das Niemandsland zwischen Mexiko und Arizona, wo unzählige Menschen versuchen, über die Grenze in die USA zu immigrieren. Akerman zeigt in dem Film, der als Installation auf der vergangenen documenta zu sehen war, diese Situation bewusst aus der mexikanischen Perspektive.
Einführung: Birgit Kohler
Kino 46, Waller Heerstraße 46, 28217 Bremen, Tel.: +49 421/38767-31


Workshops (GAK, Kino 46 und Stadtraum)
Montag, 25. Juni, 10­17 Uhr
Praxisseminare für Studierende mit Ulf Aminde, Berlin, Birgit Kohler, Berlin, und Wolfgang Weileder, Newcastle

SCHEINWERFER.FORMATE UND INSTITUTIONEN
Dienstag, 26. Juni
10 Uhr
FILMGESCHICHTE KURATIEREN
Birgit Kohler, Filmwissenschaftlerin, Berlin
Die Idee des Zeitgenössischen stellt sich im Zusammenhang mit Kinematheken nicht zwangsläufig ein ­ haben diese doch gemeinhin einen historischen Fokus. Das Programm des Kinos Arsenal in Berlin hingegen, wie auch das ebenfalls von den Freunden der Deutschen Kinemathek e.V. betriebene Festival (Forum der Berlinale) sowie der hauseigene Verleih, widmen sich der Filmgeschichte und den aktuellen Entwicklungen des Mediums bzw. den damit verbundenen zeitgenössischen Diskursen gleichermaßen. Dies ist Ausdruck eines kuratorischen Konzepts, das Zeitgenossenschaft mit Geschichte, Historisches mit Aktuellem in vielfältiger Weise zusammendenkt und Filmgeschichte als Projekt der Gegenwart begreift. In Zeiten, in denen Film nicht mehr nur im Kino und auf dem Fernsehbildschirm erfahrbar ist, stellt sich zunehmend die Frage, wie Kino sich im Kontext der Bild- und Medienkultur des 21. Jahrhunderts neu positionieren kann.


11.30 Uhr
PROGRESSIVER TRADITIONALISMUS
Vanessa Joan Müller, Direktorin des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf
Kunstvereine sind traditionsreiche Institutionen mit Blick für die Gegenwart. In der bürgerlichen Gesellschaft verankert, stehen sie für aktuelle künstlerische Praxis, für Diskurs und Experiment. Der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen in Düsseldorf präsentiert sein Programm in einem spätmodernistischen Bau, der als architektonischer wie ideologischer Resonanzkörper figuriert: Raum gewordenes Versprechen einer Zukunft, die bereits Vergangenheit ist, aber auch Vision einer Beziehung von Kunst und Gesellschaft, die noch immer auf ihre Realisierung wartet.


14 Uhr
STRATEGIEN FÜR EINE UNSTETE ZUKUNFT. ÜBER EINIGE ARBEITSMETHODEN RUND UM DIE IDEE DES PRODUZIERENS, AUSSTELLENS UND DISKUTIERENS ZEITGENÖSSISCHER KUNST
Chus Martinez, Direktorin des Frankfurter Kunstvereins, Frankfurt am Main
Eine der größten derzeitigen Herausforderungen ist es, innerhalb einer Kunstinstitution ­ und dies betrifft vor allem Kunstvereine ­ verschiedene "Arbeitsgeschwindigkeiten" zu erzeugen. Wie zeigt, entwickelt, reaktiviert und kommuniziert man über zeitgenössische Kunstproduktion? Der Frankfurter Kunstverein hat versucht, sich diesen Fragen vor allem durch zwei so genannte "Plattformen" zu stellen: Das Forum "Speaking of Others", das zusätzlich zum Ausstellungsprogramm einen Anlaufpunkt für innovative Kulturinitiativen und Ideengeber in Frankfurt bietet und die Idee eines heterogenen Think Tanks verfolgt, sowie das kürzlich eröffnete "Deutsche Börse Residency Program" für Künstler, Kuratoren und Kulturproduzenten.


15.30 Uhr
CONCEPTUAL PARADISE. THERE IS A PLACE FOR SOPHISTICATION
Film, 110 min, Stefan Römer, 2006
Der Filmessay zeichnet Diskussionen nach, die die "Conceptual art" in den 1960er Jahren entstehen ließen und heute noch relevante Fragestellungen der zeitgenössischen Kunst aufwarfen. In einer dreijährigen filmischen Recherche interviewte Römer mehr als 40 KünstlerInnen und TheoretikerInnen. Erstere sprechen über eigene künstlerische Praktiken und die soziohistorische Entwicklung der unterschiedlichen konzeptuellen Bewegungen. Dabei wird deutlich, dass es keine allein gültige Definition von Konzeptkunst geben kann, da die permanente Auseinandersetzung mit ihr auch ihre kunsttheoretische und philosophische Komplexität ausmacht. In den Diskussionen werden Fiktion und Idealität einer Kunst als politische Auseinandersetzung lebendig. Die Geschichte der Kunst ist eine Geschichte der Kämpfe um Repräsentationsstrategien.


AUGENZEUGEN. PUBLIKUM UND REZEPTION
Mittwoch, 27. Juni
10 Uhr
ZUR KONSTRUKTION ZEITGENÖSSISCHER VIELSTIMMIGKEIT. DIE INTERVIEWFORM IM DOKUMENTARFILM "CONCEPTUAL PARADISE"
Stefan Römer, Künstler und Theoretiker, Akademie der Künste, München
Voraussetzung für meinen Dokumentarfilm "Conceptual Paradise" war die Beobachtung, dass sich nach den 1990er Jahren in der zeitgenössischen Kunst viele visuelle oder die Präsentation betreffende Bezüge auf die Conceptual Art finden. Signifikant schien mir, dass die wenigsten KünstlerInnen damit jedoch selbst generierte philosophische Reflexionen oder kunst- und erkenntniskritische Statements verbanden. Gleichzeitig schienen die Diskussionen um die Conceptual Art in Pressemitteilungen nachzuhallen, in denen der Begriff "konzeptuell" als Wertproduzent herbeizitiert wurde, anstatt eine Aktualisierung konzeptueller Fragen anzustreben. Vor diesem Hintergrund entwarf ich Kernfragen, mit denen ich die InterviewpartnerInnen in eine an analytischen Begriffen orientierte Diskussion verwickle, die durch den Filmschnitt entsteht. Eine historische Darstellung der Konzeptkunst war nicht mein primäres Interesse, sollte aber als Seiteneffekt mitbedacht werden. Im zeitgenössischsten aller Medien ermöglicht mir der Essayfilm, mit diesem komplexen Thema das Publikum anzusprechen. Der Film ist künstlerische Praxis als Theorie.


11.30 Uhr
AUSSTELLUNGEN UND IHRE PÄDAGOGIKEN
Dorothee Richter, Institut Cultural Studies, Hochschule für Gestaltung und Kunst, Zürich
Ausstellungen sind kommunikative, ideologische Situationen im Sinne Roland Barthes, die hergestellt werden, um entlang von Artefakten und deren Anordnung intentional Inhalte zu transportieren. Aus meiner Perspektive sind diese "Botschaften" nicht getrennt von politischen Haltungen und Interessen zu denken. Im Sinne von Althussers Definition ideologischer Staatsapparate rufen kulturelle Anordnungen Subjekte an und bringen sie durch Identifikationsprozesse und -prozeduren in einer Art Spiegelsituationen laufend mit hervor. Es macht daher einen Unterschied, ob ein Setting Zuschauer in eine passive Haltung der Subordination bringt, oder diese als infantile Wesen der Unterhaltung anspricht, sie in einem emotionalen Register erreicht oder sie in Diskurse involviert, Informationen zugänglich macht, Sehgewohnheiten und Denkweisen stört und die Artikulation der BesucherInnen fördert. Daher ist der Vermittlungsaspekt in Ausstellungen zentral und nicht nachgeordnet.


14.00 Uhr
ZEITGENÖSSISCHE KUNSTVERMITTLUNG AUF DER DOKUMENTA 12
Carmen Mörsch, Kulturwissenschaftlerin, Oldenburg
Von Juni bis September 2007 findet in Kassel die 12. documenta statt, die als "eine der bedeutendsten und weltweit am meisten beachteten Ausstellungen zeitgenössischer Kunst" gilt. Eines der drei Leitmotive, die die künstlerische Leitung im Vorfeld der Ausstellung als Diskussionsanlass lancierte, ist die Frage nach dem Verhältnis von Bildung und Kunst in der Gegenwart. Daher spielt Kunstvermittlung zum ersten Mal eine zentrale Rolle im Rahmen dieses Ereignisses. In meinem Beitrag stelle ich die Frage, was Zeitgenossenschaft in Bezug auf Kunstvermittlung heißen könnte. In der Folge werde ich versuchen zu beschreiben, was die Leute, die auf der documenta 12 in die Kunstvermittlung verwickelt sind, bis zum Zeitpunkt der Tagung aus der Herausforderung, zeitgenössische Zugänge zur Kunstvermittlung zu entwickeln, gemacht haben.


15.30 Uhr
RE-PERFORMANCES: DA CAPO ODER ZUGABE?
Mechtild Widrich, Kunsthistorikerin, Boston
Das zeitgenössische Phänomen der Re-Performances pointiert Fragen nach der Rolle des Publikums wie auch der Historisierung. Marina Abramovics "Seven Easy Pieces" (2005) agieren zeitverschoben: Abramovic, selbst Zeitgenössin der ersten Generation von Performancekunst, interpretiert z.B. Valie Exports "Genitalpanik" (1969) auf der Grundlage der jahrelangen Rezeptionsgeschichte mittels Fotografien, Beschreibungen, Mythen, und Forschungsarbeiten. In welchem Ausmaß muss die Historisierung selbst als Konstituierung eines neuen Publikums gesehen werden und inwieweit muss das einmalige Publikumserlebnis ­ die zentrale Idee von Performancekunst ­ als obsolet betrachtet werden?



REFLEKTOR. WISSENSCHAFT UND KRITIK
Donnerstag, 28. Juni
10 Uhr
TRANSFORMATION VON KUNST IN FORSCHUNG
Kathrin Busch, Philosophin, Hamburg
Eine der derzeitigen Provokationen der Kunst besteht in ihrer Grenzüberschreitung hin zur Theorie. Die zeitgenössische Kunstpraxis zeichnet sich vielfach dadurch aus, in so hohem Maße von theoretischem Wissen gesättigt zu sein, dass sie selbst zu einer forschenden Praxis gerät. Künstler übernehmen nicht nur Aufgaben der Kunstkritik und -vermittlung, sie beziehen Recherche-Methoden und wissenschaftliche Erkenntnisse in ihre künstlerischen Verfahren mit ein, so dass sich die Kunst zu einer eigenständigen Wissensform herausbildet. Verstärkt wird diese Tendenz durch die aktuellen Umstrukturierungen der Akademien, die auf eine zunehmende Einbindung von theoretischen Kenntnissen in die Kunstausbildung und die Etablierung so genannter Artistic Research-Projekte zielen. Unsaubere Grenzverläufe zwischen Theorie und künstlerischer Praxis sind die Folge.


11.30 Uhr
DIE GEISTER IM JETZT UND AUSSERHALB
Hans-Christian Dany, Künstler und Publizist, Hamburg
Wie sehe ich mit nüchternem Blick eine Gegenwart an, die ständig trunken an ihrer eigenen Geschäftigkeit zu sein scheint und dabei alles und jedes, also auch mich, in diesen Rausch mit hineinzieht. Das ständig nachgefüllte Glas zurückweisen und mich abwenden? Würde ich mit der Gegenwart nicht mehr am Tisch sitzen und trinken, wenn ich nicht müsste? Aber ich tue es immer wieder, weil sie meine Rechnungen bezahlt oder es mir zumindest verspricht, solange ich an ihren Geschäften teilhabe. Sicher denke ich tausendmal, ich sei ein Objekt ihrer allgegenwärtigen Imperative. Dabei bin ich aber oft rasend gern in ihren Klauen, weil wenn ich mich ihrer erwehre und entfleuche, oder es mir zumindest einbilde, eine unerträgliche Leere in mir aufkommt, ich das Nichts außerhalb von ihrem Jetzt bin. Als Zeitgenosse genieße ich also vielleicht, eine wenn auch leere Zeit bei gleichzeitigem Verlust der Leere. Reizvoll wäre eine Bewegung, in der beide Geister zu haben wären, der der Zeit, die sie Jetzt nennen, und der außerhalb von ihr.


14 Uhr
JENSEITS DER KANONISIERUNG? D12 MAGAZINES
Georg Schöllhammer, Herausgeber springerin, Wien
Wie erlangt die documenta Kenntnis von spezifischem Wissen auf der Welt? Und wie kann sie dieses Wissen vermitteln? Von diesen Fragen ausgehend erprobt die documenta 12 eine mögliche Herangehensweise der Vernetzung lokaler Szenen durch das internationale Publikationsprojekt der "d12 magazines": Rund neunzig Kunst-, Kultur- und Theoriepublikationen unterschiedlicher Formate, Reichweiten und inhaltlicher Schwerpunktsetzung aus allen Kontinenten wurden als Partner eingeladen, gemeinsam über Motive und Themen nachzudenken, welche uns bei der Arbeit am Projekt documenta 12 beschäftigen. Sie haben unsere Fragen zu den ihren gemacht, sie in ihren Redaktionen diskutiert, sie an AutorInnen und KünstlerInnen weitergegeben.


15.30 Uhr
THE LIVING NEWSPAPER: METRONOME
Clémentine Deliss, Kuratorin, Herausgeberin und Future Academy, Paris/Edinburgh
Das Zeitschriftenprojekt "Metronome" ist seit 1996 bislang elf Mal erschienen und hat dafür in verschiedenen Städten der Welt, u.a. Dakar, London, Berlin, Basel, Kopenhagen, Oslo, Stockholm, Frankfurt, Wien und Tokio, geforscht. Als kritische Alternative zum konventionellen Kunstjournalismus agiert "Metronome" wie der Prolog einer Ausstellung, bringt neue Arbeiten und Diskussionen zwischen Künstlern hervor und provoziert so Kurzschlüsse verschiedener internationaler Kunstszenen. "Metronome" ist im Doppelsinn einem Organ vergleichbar, weil es aktiv, fruchtbar und anfällig ist. Man kann nie vorhersagen, wie die Produktionsbedingungen für ein neues "Metronome" aussehen werden: Die Konstellationen ergeben sich ohne Druck. Fast alle Ausgaben beziehen sich bislang auf einen Vorläufer, der früher eine bestimmte Energie oder Erscheinung von KünstlerInnen oder Intellektuellen zum Ausdruck brachte.


19 Uhr
GLAMOUR UND HEGEMONIE. ODER. WIEVIEL GENOSSENSCHAFT VERDIENT EINE ZEIT?
Robert Pfaller, Philosoph, Wien/Linz
Das Zauberkunststück, mit dem eine Zeit ihren Geist erscheinen lässt, heißt Glamour. Wenn es gelingt, dann sieht man ihren Geist und kann sich reflektierend (zeitgenössisch) oder kritisch (unzeitgemäß) auf ihn beziehen. Allerdings gelingt das Kunststück offenbar nicht immer. Manche Zeiten haben bestenfalls im Nachhinein, für nostalgische andere Zeiten, Glamour; andere dagegen haben ihn sofort und für sich selbst. Wenn nun einmal durch Mangel an Glamour keine herrschenden Ideen sichtbar werden, so kann jedoch auch dies durchaus einer Idee der Herrschenden entsprechen. Auch ohne eine spezielle Idee zum allgemeinen Zeitgeist zu machen, kann man nämlich erreichen, dass Leute anfangen, ihre eigene Unterdrückung zu bejahen und sogar (nach den Worten Spinozas) "für sie zu kämpfen, als wäre sie ein Glück". Dieses Zauberkunststück allerdings verdient nähere Betrachtung.

 

TERMINÜBERSICHT
Sonntag 24. Juni
14.30 Uhr Zeitgenossenschaft. Eine Idee und ihre Folgen für die Kunst, Henning Ritter
16 Uhr Was ist zeitgenössische Kunst?, Holger Kube Ventura
18.30 Uhr Filmprogramm zeitgenössisch/museal, Kino 46

Montag, 25. Juni, 10­17 Uhr
Workshops für Studierende

Dienstag, 26. Juni
10 Uhr Filmgeschichte kuratieren, Birgit Kohler
11.30 Uhr Progressiver Traditionalismus, Vanessa Joan Müller
14 Uhr Strategien für eine unstete Zukunft, Chus Martinez
15.30 Uhr Film "Conceptual Paradise", Stefan Römer

Mittwoch, 27. Juni
10 Uhr Zur Konstruktion zeitgenössischer Vielstimmigkeit, Stefan Römer
11.30 Uhr Ausstellungen und ihre Pädagogiken, Dorothee Richter
14.00 Uhr Zeitgenössische Kunstvermittlung auf der documenta 12, Carmen Mörsch
15.30 Uhr Re-Performances: Da Capo oder Zugabe?, Mechtild Widrich

Donnerstag, 28. Juni
10 Uhr Transformation von Kunst in Forschung, Kathrin Busch
11.30 Uhr Die Geister im Jetzt und im Außerhalb, Hans-Christian Dany
14 Uhr Jenseits der Kanonisierung?, Georg Schöllhammer
15.30 Uhr The Living Newspaper, Clémentine Deliss
19 Uhr Glamour und Hegemonie, Robert Pfaller

DIE TEILNAHME FÜR STUDIERENDE IST FREI. ANMELDUNG ERWÜNSCHT

 

 

Samstag 16. Juni 2007, 20 Uhr

Xenakis Nacht - REM KONZERT 48

Im Rahmen der Langen Nacht findet auf dem Teerhof ein Doppelkonzert in der Reihe Elektronischer Musik statt.

Iannis Xenakis: BOHOR (1962)
8-kanalige elektronische Musik
Klangregie: Christoph Ogiermann (Bremen)
GAK, Teerhof 21
Samstag 16. Juni, 20 Uhr

Iannis Xenakis: PERSEPOLIS (1971)
8-kanalige elektronische Musik in der überarbeiteten Version von Daniel Teige
Klangregie: Daniel Teige (Berlin)
Weserburg l Museum für Moderne Kunst, Teerhof 20
Samstag, 16 Juni, 21 Uhr

"Musik ist keine Sprache. Jedes Musikstück ist eine Art Felsblock in einer komplexen Form mit Schrammen und Mustern, die darauf oder hinein geritzt sind und die Menschen auf tausend verschiedene Weisen entziffern können, ohne dass eine dieser Weisen die beste oder wahrste wäre. Auf Grund dieser Vielfalt von Deutungen fördert die Musik wie ein Kristallkatalysator alle möglichen Phantasmagorien zu Tage." (Iannis Xenakis)

Iannis Xenakis (1922-2001) war ein Komponist und Architekt (unter anderem Zusammenarbeit mit Le Corbusier) griechischer Herkunft, der größtenteils in Paris gelebt hat. Xenakis' Musik ist stark von seinem Interesse an mathematischen und akustischen Gesetzmäßigkeiten geprägt. Aus zufälligen Phänomenen wie Regen, einer Menschenmasse oder einem Bienenschwarm entwickelte er ab 1954 einen eigenen Musikstil, die Stochastische Musik. Gemeinsamer Nenner fast aller Kompositionen Xenakis' ist die Einbeziehung nichtmusikalischer Ideen; so wendet er zum Beispiel mathematische, geometrische, architektonische oder philosophische Prinzipien beim Komponieren an. Hierbei greift er auf Zufallsprozesse, Wahrscheinlichkeitsrechnung und Spieltheorie zurück. Die daraus resultierenden, sich oftmals verformenden Klangbilder vergleicht der Komponist selbst mit Wolken und Galaxien. Für die Hörer soll es so sein, sagt Xenakis, als stünden sie im Innern einer Glocke.

Nachdem er sich anfänglich autodidaktisch mit Musik beschäftigt hatte, nahm er ab 1947 musikalischen und kompositorischen Unterricht bei Arthur Honegger, Darius Milhaud und Olivier Messiaen. Gefördert hatte ihn Ende der fünfziger Jahre auch der Dirigent Hermann Scherchen, der 1955 den ersten Essay von Xenakis über die Krise der seriellen Musik in seinen >Gravesaner Blättern" abgedruckt und mehrere der Stücke von Xenakis zur Uraufführung gebracht hat.

Der 1958 zusammen mit Le Corbusier und Edgar Varèse als Gesamtkunstwerk verwirklichten Philips-Pavillon/poème elèctronique für die Expo Brüssel 1958 hat sich nachhaltig auf die Entwicklung der Klangkunst ausgewirkt.
1997 erhielt Iannis Xenakis den Kyoto-Preis, 1999 erhielt er den inoffiziellen Nobelpreis für Musik, den Polar Music Prize.

 

ZU DEN STÜCKEN:

Iannis Xenakis: BOHOR (1962)m, 8-kanalige elektronische Musik
Klangregie: Christoph Ogiermann (Bremen)

Der Name BOHOR stammt aus einem mittelalterlichen Liedzyklus mit dem Titel: Bohor der Außenseiter, der einer der Ritter der Tafelrunde gewesen ist. Klangmaterial für dieses Stück gewann Xenakis aus einer khen (einer ostasiatischen Mundorgel), geschüttelten Hals- und Fußketten und gerüttelten Blechen.

Iannis Xenakis: PERSEPOLIS (1971)
8-kanalige elektronische Musik in der überarbeiteten Version von Daniel Teige, Klangregie: Daniel Teige (Berlin)

PERSEPOLIS wurde im Auftrag des damaligen iranischen Shahs 1971 für das "Shiraz Arts Festival" komponiert, das in jenem Jahr auf die 2500 - Jahrfeier der Gründung des Landes durch Cyrus den Grossen fiel. Ein Kritiker: "--a noisy, apocalyptic-sounding composition distinguished by rising waves of intensity."

Die Veranstaltungsreihe REM ist eine Kooperation mit der projektgruppe neuer Musik und der Weserburg l Museum für moderne Kunst. Unterstützt vom Senator für Kultur der Freien Hansestadt Bremen und der Karin und Uwe Hollweg-Stiftung.

Eintritt: 5,- Euro für beide Konzertteile. Für Mitglieder der GAK und Teilnehmer der Langen Nacht der Museen frei.



 

 
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