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Haus Lange und Haus Esters

Wilhelmshofallee 91 - 97
47 800 Krefeld
Di - So 11- 17 Uhr
aktuelle Ausstellung / current exhibition
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition

 

 

24.11. - 16.02.2003

Museen Haus Lange und Haus Esters

Robert Longo

The Freud Drawings

Krefelder Kunstmuseen

Seit den frühen 1980er Jahren entwickelt Robert Longo (*1953 Brooklyn) ein künstlerisches Werk, das seine aggressive, anklagende Kraft aus Fotografien, Filmen und Bildern der Tagespresse bezieht, die die flüchtigen Mythen formen, an denen wir selbst teilhaben. Erstmals bedient er sich dieser Strategie in der Bildserie Men in the Cities (1981), die aus großformatigen Schwarz-Weiß-Zeichnungen besteht und die männliche und weibliche Figuren zeigen. Dieses Aufeinandertreffen unterschiedlicher Bildvorstellungen kommt in der Folgezeit auch in seinen Skulpturen, Zeichnungen, Gemälden, Fotografien und Combines (mehrere Formen werden gleichzeitig angewandt), zum Tragen; für Longo ein Mittel, um kulturelle Phänomene wie Gewalt und Einflußnahme zu thematisieren. Mit seinen visuell verblüffenden überdimensionalen Darstellungen von Pistolen, Flaggen und Kreuzen oder mittels monströser Figuren entwirft Longo eine soziale und politische Kritik an der Ikonographie des Spektakels. Sein imposantes gattungssprengendes Werk, das Malerei, Reliefs, skulpturale Installationen, Bühnenbilder, Filme und Musikvideos gleichermaßen einbezieht, wurde bislang in einer Reihe wichtiger Ausstellungen gewürdigt. 1981 war er zur Kölner Westkunst eingeladen, 1982 und 1987 nahm er an der documenta teil. 1997 wurde auf der Biennale von Venedig seine monumentale Arbeit When Heaven and Hell Change Places, eine Konstruktion aus Wachskreuzen, vorgestellt, die auf die bosnischen Kriegsgreuel Bezug nimmt. 1989 wurde ihm eine umfassende Retrospektive im Los Angeles County Museum of Art und eine weitere 1991 in den Deichtorhallen Hamburg gewidmet. Seine Werke sind u.a. in New York im Museum of Modern Art, im Whitney Museum of American Art und im Solomon R. Guggenheim Museum, in der Londoner Tate Gallery, im Stedelijk Museum, Amsterdam und im Centre Georges Pompidou, Paris vertreten.

In den letzten zehn Jahren sind umfangreiche Werkserien entstanden, in denen sich Robert Longo zunehmend auf einzelne Sujets und deren Bildsprache konzentriert, und denen er nun eine intimere Qualität verleiht. Nachdem er das 366 Zeichnungen umfassende Magellan Projekt vollendet hatte, begann er im Jahr 2000 am Zyklus The Freud Drawings zu arbeiten. Er ist mittlerweile auf über 30 großformatige Kohlezeichnungen angewachsen. Die stimmungsgeladenen und bewegenden Zeichnungen, die Ausschnitte aus der Wohnung von Sigmund Freud in Wien zeigen, sind, so Longo, "ein Versuch einer Psychoanalyse von Freuds Wohnung".

Ausgangspunkt der Freud Drawings bilden die 1993 veröffentlichten Fotografien (sie entstanden ohne Blitzlicht und zusätzliche Beleuchtung) von Edmund Engelman, der die Wohnung und psychoanalytische Praxis von Sigmund Freud nur wenige Tage vor dessen Emigration von Wien nach London dokumentierte. Am 4. Juni 1938 verließ Freud im Alter von 82 Jahren die legendären Räume in der Berggasse 19, wo er zum Inbegriff europäischer Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts geworden ist und in denen er seit 1891 gewirkt hatte, für immer.

Robert Longo bedient sich der Schwarz-Weiß-Vorlagen nicht eins zu eins, sondern verdichtet, verstärkt oder eliminiert Elemente, um das Moment der Isolation herauszuarbeiten. Er arbeitet mit selektiver Steigerung der merkwürdigen, fremdartigen Stimmung, die die Fotodokumente in sich tragen. So hebt der Künstler Teile der Einrichtung hervor, die in ihrer punktuellen Helligkeit bedrohliche Formen annehmen, stellt Dinge in der Wohnung um oder gibt Gegenstände vergrößert wieder. Gespenstisch, als würde man sie durch Nebel hindurch sehen, treten uns die Wohnungstüre mit Guckloch, Namensschild und Hakenkreuz, die Couch mit ornamentaler Decke und weißem Kopfkissen, Freuds Arbeitstisch und Stuhl, chinesische Skulpturen, Bilder und Bücherregale entgegen. Durch halb geschlossene Türen eröffnen sich Blicke in geheimnisvolle Räume. Im tiefen, samtenen Schwarz der Kohlezeichnungen, die durch schwere Rahmung und Verglasung wie versiegelt wirken, interpretiert Longo die Wahrnehmung von Freuds Patienten. Zugleich werden die menschenleeren Räume aber zu Symbolen einer verlorenen Zeit, einer beklemmenden Geschichtsepoche. Beide Momente verbindet der Künstler in diesen eindringlichen Arbeiten zu einer Symbiose. "Es gab damals eine Innen-Außen-Situation: Während Freud in seiner Wohnung in die tiefen, dunklen Geheimnisse unserer Seelen blickte, lebten die Nazis sie auf den Straßen von Wien und Europa auf ihre Weise aus" erklärt Longo, für den ein wichtiger Grund zur Realisierung der Freud Drawings der Versuch war, "in diesen dunklen, schwermütigen Räumen etwas zu objektivieren - die Präsenz von Absenz."

In der Ausstellung werden The Freud Drawings erstmals in Deutschland in ihrem gesamten Umfang vorgestellt. Aus den eigentümlichen Räumlichkeiten der Zeichnungen wird sich ein Spannungsfeld zu den Ausstellungsräumen der modernistischen Krefelder Mies van der Rohe Villen ergeben. "Ein Haus im Haus", wie Longo zu sagen pflegt. Longos Bildzyklus bezeichnet Werner Spies treffend als "die Historienmalerei unserer Zeit", der ein Platz unter den Geschichtsbildern des 20. Jahrhunderts gebührt.

Vom 17. März bis 8. Juni 2003 wird die Ausstellung in der Albertina in Wien gezeigt.

Es erscheint ein umfangreicher, thematischer Katalog (dt./engl.) mit Texten von Werner Spies, Paul Auster und Rainer Metzger.

Öffnungszeiten: Di ­ So, 11 ­ 17 Uhr, Montag geschlossen. 24., 25., und 31. 12. geschlossen, 26. 12. und 1.1. geöffnet

Öffentliche Führungen jeweils So. 11.30, Führungen für Gruppen nach Vereinbarung.

Eröffnung am 24.11.2002 um 11.30 Uhr

Begrüßung Dr. Martin Hentschel, Direktor der Krefelder Kunstmuseen

Einführung: Prof. Dr. Werner Spies, Paris

 

 

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