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Heidelberger KunstvereinHauptstraße 97
69117 Heidelberg
Tel. 06221 - 18 40 86: Fax 06221 - 16 41 62
Di - So 11 - 17 Uhr, Mi 11 - 20 Uhr
hdkv@hdkv.de
www.hdkv.de
aktuelle Ausstellung / current exhibition
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition
18.10 - 12.11. 1998
Eröffnung 18.10, 11 UhrGalerie Heller, Friedrich-Ebert-Anlage 2
David Reeb und Eliezer SonnenscheinJewish Urban Dimensions
Am 9. November dieses Jahres jährt sich zum 60. Mal die Progromnacht von 1938. Aus diesem Anlaß will der Jüdische Kulturverein "Jewish Urban Dimensions " mit den traditionellen Ritualen des Erinnerns brechen. ln den kommenden Wochen wird er ein breites Spektrum internationaler jüdischer Kultur in Heidelberg präsentieren. Konzerte, Lesungen und Ausstellungen zeigen die Arbeiten moderner jüdischer Künstler. Sie werden überraschen, unterhalten, schockieren und trotzdem erinnern. In Kooperation mit dem Heidelberger Kunstverein hat "Jewish Urban Dimensions " zwei der wichtigsten zeitgenössichen Künstler Israels eingeladen: Den letztjährigen Documenta X-Teilnehmer David Reeb und "shooting star " Eliezer Sonnenschein.
Public Relations für die Wirklichkeit - Der israelische Künstler David ReebGeboren 1952 in Rehovot, Israel. Lebt und arbeitet in Tel Aviv.
Fotos wissen immer Bescheid: "Seht her, so ist es gewesen", schreit das Bild auf der ersten Seite der Zeitung, "Hier ist es passiert", empört sich die Titelseite des Magazins. Im Sucher der Kamera erscheint unsere Welt unmittelbar und klar. Aber bekommen wir wirklich alles zu sehen?
Nein, meint der israelische Maler David Reeb und behauptet, daß wir das auch gar nicht wollen. Für ihn sind Fotos Signale, auf die sich die Öffentlichkeit geeinigt hat, um sich in der Welt leichter zurechtzufinden. Pressefotos, sagt David Reeb, konstruieren ihre eigene Wirklichkeit. Schon lange haben sie daher die Fähigkeit verloren, wahre Aussagen über das Leben zu machen.
Trotzdem oder gerade deshalb verwendet David Reeb für seine Gemälde Pressefotos als Rohmaterial, die die Geschichte seines Landes einfangen: Hier die Besetzung der palästinensischen Gebiete und die Intifada, dort israelische Soldaten und jugendliche Steinewerfer. Doch Reebs Bilder kopieren die Fotos nicht, sie übersetzen sie vielmehr in eine andere Sprache. In schnellen und groben Pinselstrichen gehen die Einzelheiten der Fotos verloren und werden die Aufnahmen in ihre Elemente zerlegt, bis Reebs Arbeiten plötzlich nach den Gründen für den Konflikt fragen. Die nun entstellte Routine und Banalität der Kämpfe, sowie die alltägliche Wut und der Haß der Demonstrationen lassen keine einfachen Antworten mehr zu. Reeb "dämpft" die Realität der Fotos ein: Übrig bleibt eine andere Wirklichkeit und neue Wahrheit.
Mit seinen Arbeiten wurde David Reeb auf der letztjährigen documentaX in Kassel als Entdeckung gefeiert. Für seine Ausstellung im Rahmen von "jewish urban dimensions" wird er nun speziell für Heidelberg eine neue Bilderfolge anfertigen.Tobias Asmuth
Mega Degas - Das Werk von Eliezer Sonnenschein
Geboren 1967 in Haifa, Israel. Lebt und arbeitet in Tel Aviv.
"Es ist dunkel im Kunstmuseum von Tel Aviv, als plötzlich ein großer junger Mann, mit riesigen bunten Waffen aus Gips um seinen Körper gehängt, in das Museum eindringt. Er läuft durch die endlosen Flure des Museums, um die am besten geeignete Ecke zwischen den hunderten von Ausstellungsgegenständen zu finden. Er legt die Waffen ab, betrachtet sie zufrieden und verschwindet, als ob er nie dagewesen wäre. Auf diese Weise, sehr ruhig, ohne Gäste und Freunde und Wein und Gläser eröffnet im Museum von Tel Aviv die erste Ausstellung mit Eliezer Sonnenschein " (Hair Newspaper, 29.12.1997).
Eliezer Sonnenscheins Akt des Eindringens in das Museum ist für ihn ein Weg, um das System etablierter Institutionen herauszufordern. Er arbeitet als ein Guerilla-Künstler, der mit seinen Werken in Museen eindringt und reiche Industriestaaten und große Unternehmen unterwandert.
Für seine Angriffe auf das Museum kreiert Sonnenschein Arbeiten wie "Channel A-Molotow-Cocktails" und die "Channel A-Shit" (Wie alle seine Werke sind sie aus Gips). Ziel ist "die Arbeiten dort hinzulegen und wegzurennen. Ob sie explodieren oder nicht ist nicht das Thema". Sowohl Zuschauer als auch Museumskuratoren werden zu Teilnehmern der Aktionen von Channel A.
In einer Welt, die mit unzähligen TV-Kanälen zu einem globalen Dorf geworden ist, kreiert Sonnenschein seinen eigenen Kanal: Channel A. Channel A(narchy) wird nicht gesendet. Die Handlungen finden in der realen Welt statt. Die erfundene (virtuelle) Welt des Künstlers mit ihren Figuren, Beziehungen und Hierarchien, ist der realen Welt gegenüberstellt. Sonnenschein nutzt weltweit verbreitete Logos und Symbole und transformiert sie in seine eigene Sprache, um unsere Gesellschaft zu hinterfragen. Er erfindet archetypische Figuren, die er mit Kultfiguren der Fernsehwelt und Werbung gleichsetzt. Er nennt seine Charaktere "Die Heiligen" und benutzt Coca Cola, Marlboro, Nike, Mercedes, CNN und viele andere, um seine Parodie der Konsumgesellschaft zu schatten. Beziehungen zwischen Erster und Dritter Welt, die Ausbeutung der unterentwickelten Länder, die Kommerzkultur, die Manipulation der Massen und Gewalt in all seinen Formen werden zu Themen dieser Arbeiten.
Für die Ausstellung "Jewish Urban Dimensions" zeigt Sonnenschein seine neue Fassung von Edgar Degas "Kleiner Tänzerin". Er verwandelt dieses kulturelle Symbol des späten 19. Jahrhunderts in ein Hybrid: Sie hat nun ein abstraktes Micky Maus Gesicht, trägt Nike Schuhe, ihr Körper ähnelt einer Marlboropackung, sie hat die Beine eines Supermodels und sie heißt "Mega-Degas".Irit Mayer-Sommer