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Kunstverein FriedrichshafenBuchhornplatz 6
16.01. - 08.03. 2009 Carolin JörgIm freien Fall
In Friedrichshafen scheint der Traum vom Fliegen aufs neue wahrgeworden - er erfüllt sich in Gestalt der Figuren, die vor den Wänden des Kunstvereins schweben. Barocken Engeln gleich hat Carolin Jörg kleine Gruppen von Fallschirmspringern arrangiert und in Schwerelosigkeit festgehalten. Doch anders als bei den pausbäckigen Putten des Barock begegnen wir hier fast durchscheinenden Gestalten, die aussehen als könnte eine Windbö sie im nächsten Moment schon wieder davontragen. Es sind Wandstickereien - zarte Zeichnungen aus Fäden, die über Nägel miteinander verbunden sind und so ihre Form erhalten. Gleichzeitig suggerieren die hängengelassenen Fadenenden die Anziehungskraft der Erde, als hätte jemand die Fäden einer Marionette durchtrennt und etwas ganz Erstaunliches damit erreicht: die ehemals am Faden geführte Figur hat sich befreit und das Fliegen gelernt - zumindest vorläufig. Tatsächlich aber befindet sie sich im freien Fall. Eine prekäre Situation, mit der Carolin Jörg die Konsequenz aus ihrem bisherigen Schaffen zieht, um sie in dieser neuen Installation weiterzuentwickeln. Waren es bisher Gruppen von Arbeitern, Baufahrzeuge und Baustellensituationen, deren Schwere und Bodenlastigkeit die Künstlerin durch ihre Wand-stickerei konterkarierte, so kommen in den Fallschirmspringern Motiv und künstlerische Mittel in der offenen Höhe des Friedrichshafener Kunstvereins zur Deckung.
In anderen Werken arbeitet Jörg konkret mit zeichnerischen Materialien und Techniken, wie Bleistift, Tusche und Aquarell, die sie auf vorgefundenes Papier setzt. Entscheidend dabei ist, dass es sich nicht um originäre Zeichnungen handelt, sondern um Fundstücke und Zitate, die Jörg der allgegenwärtigen Bildwelt entnimmt - seien es Motive aus Werbung, Hochglanzmagazinen, Sachbüchern oder Lexika. Die Künstlerin filtert ihre Sujets aus diesem Kosmos heraus, um veränderte Bezüge zwischen ihnen herzustellen und sie zugleich in ein neues Verhältnis zu unserer eigenen Wahrnehmung zu setzen. Das trifft auf die »Fallschirmspringer«ebenso zu wie auf die neue Reihe der »Heiligenbilder«: sie besteht aus fünfzig Tuschezeichnungen im kleinen Format, die allesamt Heiligenfiguren darstellen, die uns bekannt vorkommen.Wir kennen ihr Pathos und ihre Erhabenheit aus den opulenten Ölgemälden der Kunstgeschichte. Allerdings ist die historische Plastizitiät und Eindringlichkeit hier einer flüchtig dahingesetzten Skizzierung gewichen, die sie anonym und schematisch anmuten lässt. Damit stellt Jörg sie in den Kontext einer Bildindustrie, die mit Idealisierungen arbeitet. Risse und Brüche in diesen Idealbildern entstehen dort, wo der Bildträger ins Spiel kommt und die Künstlerin beispielsweise die abgerissenen Blätter eines Lieferscheinblocks zum Bildträger ihrer Heiligendarstellungen macht. Wer genau hinschaut, entdeckt auf ihrer Rückseite die Eintragung »Firma: Die heilige Maria Magdalena bestätigt den Empfang von leeren Säcken.«
Eröffnung am Kunstfreitag Einführung: Dr. Andrea Jahn, Kuratorin
Vita Ausstellungen (Auswahl)
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