Kunstverein Ludwigshafen am Rhein e.V
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14.11. 2009 - 14.02. 2010
Gegen jede Vernunft
Surrealismus Paris Prag
Mit über 300 Werken richtet das großangelegte Ausstellungsprojekt
"Gegen jede Vernunft. Surrealismus Paris Prag"
in Ludwigshafen am Rhein einen neuen Blick auf den Surrealismus
als internationale Kunstbewegung, die vom östlichen Mitteleuropa
wichtige Impulse erhalten hat. Die Veranstalter, die Stadt Ludwigshafen
am Rhein und die BASF SE, zeigen im Wilhelm-Hack-Museum neben
Hauptwerken surrealistischer Künstler wie Salvador Dalí,
René Magritte, Max Ernst, André Masson und Meret
Oppenheim auch zahlreiche Werke von Giorgio de Chirico und Hans
Bellmer bis hin zu Leonor Fini und dem rumänischen Maler
Victor Brauner. Interessante Neuentdeckungen versprechen besonders
die Werke von Jindrich Heisler, Frantisek Hudecek, Mikulás
Medek, Jindrich Styrsk¦, Karel Teige und Toyen. Der Kunstverein
Ludwigshafen konzentriert sich mit Fotografien u.a. von Man Ray,
Brassaï, Jindrich Styrsk¦ und Emila Medková
inhaltlich ausschließlich auf das Medium der Fotografie.
Erstmals rücken die Ausstellungsmacher den tschechischen
Surrealismus in den Vordergrund, der bisher in Deutschland wenig
beachtet wurde. Darüber hinaus erweitern sie den zeitlichen
Fokus bis 1969. "Gegen jede Vernunft" präsentiert
Kunstwerke der surrealistischen Zentren Paris und Prag und stellt
so auf einzigartige Weise Verbindungen zwischen West und Ost
über alle Genres hinweg her.
Surrealismus eine Lebenshaltung
Das Ausstellungsprojekt präsentiert den Surrealismus als
ganzheitliches Phänomen. Es zeigt die historische und geographische
Entwicklung der Kunstströmung vom Beginn der 20er bis in
die späten 60er Jahre in Paris und Prag. Gleichzeitig begreift
die Ausstellung den Surrealismus als Lebensgefühl und eine
lebendige Form des freiheitlichen Denkens, die ihre Inspiration
aus dem Unbewussten, Irrationalen, der Imagination und der Fantasie
schöpft. Die surrealistische Bewegung stellt der rationalistischen
Weltsicht eine faszinierende Wirklichkeitserfahrung jenseits
der Erklärbarkeit und der wissenschaftlichen Logik entgegen,
die ihre Kraft aus der Tiefe des Unterbewusstseins der menschlichen
Psyche erfährt. Ebenso wie die Schrecken des Ersten und
Zweiten Weltkriegs Leben und Schaffen der französischen
Surrealisten in Paris prägten, so beeinflussten Kalter Krieg
und Prager Frühling Alltag und Werk der Prager Surrealisten.
Pariser wie Prager Künstler verweigerten bürgerliche
Ordnungsprinzipien und teilten die Sehnsucht nach Ursprünglichkeit,
menschlicher Authentizität und Unschuld, deren Verwirklichung
sie vor allem in der indigenen Kunst, wie auch in den Werken
von Kindern und Geisteskranken sahen. Die Sammlung Prinzhorn
zeigt in ihrer begleitenden Ausstellung "Surrealismus und
Wahnsinn" zahlreiche Bilder von Psychiatriepatienten, die
als eine der wichtigsten künstlerischen Inspirationsquellen
der Pariser Surrealisten gelten.
Surrealisten lassen die Puppen tanzen | Art meets Fashion
Ein Highlight der Ausstellung im Wilhelm-Hack-Museum ist Salvador
Dalís neun mal 14 Meter großer, eindrucksvoller
Bühnenvorhang "Bacchanal", der zum ersten Mal
in Deutschland zu sehen ist, sowie ein Kostüm, das eigens
für die Ausstellung rekonstruiert wurde. Dalí hatte
das Bühnenbild für ein Gastspiel der "Ballet Russe
de Monte Carlo" an der Metropolitan Opera in New York konzipiert,
Coco Chanel entwarf die Kostüme für die Aufführung.
Die Zusammenarbeit des exzentrischen spanischen Künstlers
und der berühmten Pariser Modemacherin war symptomatisch
für die Interdisziplinarität des Surrealismus, der
wechselseitige Einfluss von Kunst und Mode die Basis zahlreicher
surrealistischer Werke und Kreationen. Künstler, wie etwa
Hans Bellmer, Man Ray, Wilhelm Freddie oder André Breton,
verwendeten in ihren Darstellungen und Arrangements Schaufensterpuppen
als Symbole vollkommener (weiblicher) Gefügigkeit. Mit ihnen
entwarfen die Künstler phantastische, oft verfremdete, groteske
und häufig auch explizit erotische Szenarien, in denen sich
unerfüllte sexuelle Phantasien widerspiegelten.
Die Aktualität der engen Verbindung zwischen Kunst und Mode
bezeugen Kreationen der erfolgreichen Mannheimer Modedesignerin
Dorothee Schumacher. Im Rahmen der Ausstellung werden die "Modeträume"
im Foyer des Wilhelm-Hack-Museums in eigens dafür konzipierten
Vitrinen präsentiert. Begleitend findet mit der Designerin
selbst am 4. Dezember ein Modetalk unter dem Titel "Kunstträume
Modeträume" statt.
Künstlerische Inszenierungen im Schein der Taschenlampe
Mit der maßstabsgetreuen Teilrekonstruktion des Hauptraums
der legendären Surrealismus-Ausstellung von 1938 in der
Galerie Wildenstein präsentiert das Wilhelm-Hack-Museum
ein Glanzlicht surrealistischer Inszenierung. Die maßgeblich
von Marcel Duchamp konzipierte Ausstellung zeigte nicht nur die
Werke berühmter Surrealisten, sondern stellte gleichsam
die Erwartungen des Betrachters auf den Kopf. Von der Decke herabhängende
Kohlesäcke, einen künstlichen Seerosentümpel,
den Duft frisch gemahlenen Kaffees und das Lärmen militärischer
Marschbefehle vereinte Duchamp zu einem unvergleichlichen sinnlichen
Gesamtkunstwerk. Die Krönung der Inszenierung bildete die
individuelle Beleuchtung durch Taschenlampen, die der Ausstellungsbesucher
in die Hand bekam und die ihn gleichsam zum Mit-Akteur eines
großen Ganzen machte. Das Wilhelm-Hack-Museum lässt
dieses Erlebnis wieder aufleben.
Die Realität hinter der Realität Surrealistische
Fotografie im Kunstverein Ludwigshafen am Rhein
Die Ausstellung im Kunstverein Ludwigshafen zeigt etwa 180 Fotoarbeiten
von Fotografen und Künstlern, die sich dem Surrealismus
nahe fühlten. Auch hier werden, erstmalig in diesem großen
Umfang, Künstler aus Paris und Prag einander gegenübergestellt.
Neben Klassikern von Man Ray, Hans Bellmer und Brassaï präsentiert
der Kunstverein auch Fotografien von Eugène Atget, Claude
Cahun, Dora Maar sowie vom Surrealismus beeinflusste Werke von
Erwin Blumenfeld, Herbert Bayer und Herbert List. Darüber
hinaus sind die fotografischen Werke bildender Künstler
wie René Magritte zu sehen. Die eigenständige Formensprache
der Prager Surrealisten dokumentieren Werke von Emila Medková,
Jindrich Styrsk¦, Jaromír Funke und Karel Teige.
Ziel der surrealistischen Fotokünstler war nicht die getreue
Abbildung der Wirklichkeit, sondern der begehrliche Blick hinter
die Kulissen, die Entdeckung neuer, verborgener und geheimnisvoller
Realitäten. Das noch junge Medium der Fotografie eröffnete
ihnen neue, nie gekannte Möglichkeiten, diese Imaginationsräume
sichtbar zu machen. Sie experimentierten mit Techniken wie Fotomontage,
Solarisation, Rayografie, Brûlage und Mehrfachbelichtungen.
Aus vertrauten Motiven entwickelten sie fremdartige, rätselhafte
Welten. Vor allem Künstlerinnen, wie etwa Emila Medková
oder Claude Cahun, nutzten das neue Medium, um sich in der überwiegend
männlich geprägten Kunstszene zu etablieren.
Grenzgänger: Fantasie, Wahn, Ekstase, Traum
"Surrealismus und Wahnsinn" in der Sammlung Prinzhorn
in Heidelberg
In Heidelberg ist die bekannte Sammlung Prinzhorn ansässig,
die auch für Surrealisten eine reiche Inspirationsquelle
war. Sie eröffnet am 25. November 2009 die Ausstellung "Surrealismus
und Wahnsinn" (26.11.2009 14.02.2010) mit insgesamt
120 Exponaten.
Max Ernst war von Hans Prinzhorns "Bildnerei der Geisteskranken"
so fasziniert, dass er das Buch noch im Erscheinungsjahr mit
nach Paris nahm, wo es bei seinen Künstlerkollegen für
Furore sorgte und gleichsam zur Bibel der Surrealisten wurde.
Die Heidelberger Ausstellung macht mit Bildern, Zeichnungen,
Druckgraphiken und Schriften deutlich, welche Anziehung die "Ästhetik
des Wahnsinns" auf Künstler wie Max Ernst, Salvador
Dalí, André Masson und Hans Bellmer hatte. Sie
diskutiert den Zusammenhang mit verschiedenen surrealistischen
Verfahrensweisen und zeigt, auf welche Weise sich Künstler
der Gruppe von Patientenwerken inspirieren ließen.
Das Rahmenprogramm Genuss mit allen Sinnen
Ein breites Rahmenprogramm bietet den verschiedensten Besuchergruppen,
Kindern, Jugendlichen und Familien die Möglichkeit, in die
Welten des Surrealismus einzutauchen. Neben Vortragsreihen, Lesungen
und Konzerten haben sich die Ausstellungshäuser, die Stadt
Ludwigshafen und die BASF SE viele weitere originelle Veranstaltungen
einfallen lassen.
Eines der Highlights des "klassischen" Veranstaltungsprogramms
bildet die Lesung des Schirmherrn und tschechischen Autors Pavel
Kohout zum Auftakt der Ausstellung am 15.11. Ins Paris der 20er
Jahre versetzt der außergewöhnliche Konzertabend "PARIS
MECANIQUE" (25.11.) mit der bekannten Solistin Sabine Meyer.
Sie bietet ein durch den Surrealismus inspiriertes besonderes
Programm in ungewöhnlicher Besetzung (vier Klarinetten und
eine Drehorgel).
Filminteressierte kommen in einem breit angelegten
Programm von Buñuel bis Disney auf ihre Kosten. Die Cineastin
Elke Kania präsentiert am Filmwochenende (20./21.11.)
im Kunstverein Ludwigshafen Klassiker des surrealistischen
Films, unter anderem "Cameraman" von Buster Keaton,
"Un chien andalou" von Luis Buñuel und Dalí
sowie "Alice" von Jan Svankmajer, dem bis heute aktiven
renommierten tschechischen Animationsfilmer. Seine Kurzfilme
sind zudem in der Ausstellung im Wilhelm-Hack-Museum zu sehen.
Eine mit allen Sinnen erfahrbare Kunst zu schaffen, das war
der Anspruch der Surrealisten. Im Ludwigshafener Ausstellungsprojekt
gibt es deshalb ein kulinarisches Begleitprogramm. Kunstinteressierten
Feinschmeckern bietet das als Restaurant vielfach ausgezeichnete
BASF-Gesellschaftshaus das eigens für den Ausstellungszeitraum
zusammengestellte surrealistische Menü "Jenseits
der Wahrnehmung" an. Der Kunstverein Ludwigshafen lädt
unter dem Titel "Wein surreal" zu Weinproben
mit Mitarbeitern der mehrfach prämierten BASF Weinkellerei
ein (24.11.2009, 1.12.2009 und 12.1.2010).
Doch Traumreisen haben nicht nur die Surrealisten begeistert:
Bei einem Workshop für Kinder im Wilhelm-Hack-Museum werden
gemeinsam die "Traumwelten" der Surrealisten betrachtet
und eigene zu Papier gebracht. Weitere Workshops für Kinder
und Erwachsene greifen die Experimentierfreude der Surrealisten
auf und regen zu eigener Kreativität an in den "Musestunden"
für Erwachsene oder im Kinder-Eltern-Atelier. Die Themen
sind weitgespannt. Sie reichen von "Monster, Menschen und
Maschinen" bis zum "Surrealistischen Engel" in
der Adventszeit. In der Kinder- und Jugendkunstschule unARTig
des Kunstvereins Ludwigshafen werden zum Thema Fotografie "Fotoexperimente
à la Man Ray" und Versuche mit der "Camera Obscura"
angeboten. Im Workshop "Verrückt, Verkleidet, Verwandelt"
können Fotoinszenierungen nach bekannten Fotografen nachgestellt
und fotografiert werden. In "Straße der Puppen"
werden Schaufensterpuppen à la Surréaliste von
Kindern selbst gestaltet.
Die Sammlung Prinzhorn veranstaltet neben verschiedenen Vorträgen
über "Surrealismus", "Art Brut" und
"Outsider Art" am 29.01. und 30.01.2010 auch eine Tagung
zum Thema "Surrealismus, Wahnsinn und Psychoanalyse".
Der Flyer zum Rahmenprogramm ist ab Mitte Oktober über die
Veranstalter zu beziehen.
Der Katalog zur Ausstellung "Gegen jede Vernunft. Surrealismus
Paris Prag" mit zahlreichen, zum Teil ganzseitigen
Abbildungen, ausführlichen Künstlerbiografien und Beiträgen
von Barbara Auer, Lenka Bydzovská, Sarah Debatin, Antonín
Dufek, Karoline Hille, Elke Kania, Didier Ottinger, Reinhard
Spieler, Christian Sauer, Karel Srp und Judith Elisabeth Weiss
erscheint im Belser Verlag Stuttgart. Der Katalog ist ab 13.
November zum Preis von 29,90 Euro erhältlich.
Der Katalog zur Ausstellung "Surrealismus und Wahnsinn"
mit 192 Seiten und zahlreichen Abbildungen, Künstlerbiografien
und Beiträgen von Peter Bürger, Thomas Röske,
Ingrid von Beyme, Peter Gorsen, Giesela Steinlechner und Barbara
Safarova erscheint im Verlag Wunderhorn Heidelberg. Der Katalog
ist vorausichtlich ab Ende November zum Preis von 35,00 Euro
erhältlich.
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