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Museum moderner Kunst
Stiftung WörlenBräugasse 17
94032 Passau
Tel. 0851 - 383 87 90
Di - So 10 - 18 Uhr
info@mmk-passau.de
www.mmk-passau.de
aktuelle Ausstellung / current exhibition
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition
20.04. - 16.06. 2013
Václav Hejna - Farbe und Sein
Das OEuvre des Pragers Václav Hejna weist eine Bandbreite künstlerischer
Ausdrucksmöglichkeiten auf, die von existenzialistischen Figurenbildern in den
Dreißigerjahren über die Malerei des abstrakten Expressionismus bis zur Objektkunst der
Sechzigerjahre reicht. Erstmalig widmet sich eine umfassende Retrospektive diesemvielgestaltigen Lebenswerk, das die wechselvolle Geschichte der Tschechoslowakei im 20. Jahrhundert widerspiegelt und das es heute wieder neu zu entdecken gilt.
Von 1933 bis 1939 zählte Hejna zu den innovativsten tschechischen Figurenbildnern. Seinem Gespür für die Erniedrigten, Geschundenen und Ausgestoßenen der Gesellschaft folgend, konzentriert sich der Maler in seinen Darstellungen auf die Wirkung physischer und psychischer Gewalt. Sein formauflösender Expressionismus erfasst Verkrüppelte und Erblindete als entmenschlichte Hüllen. Ein weiteres Leitmotiv der Dreißigerjahre ist der Mann am Tisch, der in ausweglosen beziehungsweise absurden Situationen wiedergegeben wird. In hunderten, wenn nicht gar tausenden von Skizzen variiert Hejna das Thema. Gesichtslose entindividualisierte Köpfe stehen in diesem zentralen Motiv der Zeit um 1937/38 für Beziehungslosigkeit und Identitätsverlust, welches das Ringen eines jungen ambitionierten Künstlers nach eigenständiger Bildsprache symbolisiert. Diese Existenzbilder Hejnas liefern das verdrängte Gegenbild zur artifiziellen Kunst der Ersten Republik, in der Kubismus und Zivilismus längst eine staatstragende ästhetische Funktion übernommen hatten.Innerhalb der 1939-41 bestehenden Gruppe "Sieben im Oktober" kommt es dann, während der deutschen Besetzung, zu einer Rückbesinnung auf humanistische Traditionen. Hin und her gerissen zwischen Weltflucht und Realexistenz, tendiert Hejna während des Krieges einerseits zu biblischen Stoffen und zum magischen Realismus, andererseits ist er Themen der Arbeitswelt aufgeschlossen. 1946 beendet der Künstler sein durch den Krieg unterbrochenes Studium und reist mit einem Stipendium des Tschechoslowakischen Staates für zwei Jahre nach Paris. Neben dem Studium im Aktsaal der École des Beaux-Arts widmet sich der Maler dem Leben in den Bars und Straßen der französischen Metropole. Er trifft Organisatoren des kulturellen Lebens wie Jean Cassou oder Frédéric Delanglade, ist mit Óscar Domínguez befreundet und schreibt Kritiken über Pariser Ausstellungen in der Kunstzeitschrift Volné smûry. Einen neuerlichen Höhepunkt erreicht Hejnas Schaffen, nachdem sich der Künstler seit der zweiten Hälfte der Fünfzigerjahre vermehrt der Abstraktion zuwendet. Hejna, der in der Stalinistischen Ära lebhaft kolorierte Frauenakte, Genreszenen und Pragveduten im Stil der École de Paris gemalt hat, arbeitet ab 1958/59 an der Entwicklung einer kalligrafischabstrakten Formensprache. Stand in den Dreißigerjahren die "Farbe des Seins" im Mittelpunkt seines Schaffens, so tritt nun das "Sein der Farbe" im Vordergrund. In Weiterentwicklung informeller Ansätze seines Frühwerkes beschäftigt sich Hejna erneut mit Techniken wie der Grattage oder Frottage und gliedert die Malfläche in einem rhythmischen Stakkato. Nach einer dreijährigen Haft wegen "unerlaubter unternehmerischer Tätigkeit" entstehen ab 1964, während der kulturellen Öffnung im Vorfeld des Prager Frühlings, eine Vielzahl skurriler, aus Alltagsgegenständen und Abfall montierter Objekte. Diese Assemblagen nehmen zwar aktuelle Anregungen der Maschinenskulpturen Yves Tinguelys, der Instrumentenzerstörungen Armans oder der Fallenbilder Daniel Spoerris auf, stellen jedoch eher eine tschechische Spielart des Nouveau Réalisme dar, bei der die Poesie des bemalten Objekts im Vordergrund steht.
Die Ausstellung entstand in Kooperation mit der Galerie der bildenden Kunst in Cheb, CZ, und wurde von Dr. Harald Tesan, Nürnberg, kuratiert.
Mit über 90 Gemälden, Zeichnungen und Objekten aus tschechischen Museen und deutschen Privatsammlungen präsentiert die Ausstellung erstmals in Deutschland einen vollständigen Überblick über das vielgestaltige, innovative Schaffen Hejnas.
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