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Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig
Academy of Visual Arts
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vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition
27.04. - 27.05. 2006
Ökonomien des Elends
Pierre Bourdieu in Algerien
Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig
Ein Projekt des Kunstraum der Universität Lüneburg in Zusammenarbeit mit Camera Austria, Graz (Christine Frisinghelli), der Université Genève, Département de Sociologie (Franz Schultheis), der Fondation Pierre Bourdieu, Genève, und den Deichtorhallen Hamburg - Haus der Photographie und Aktuelle Kunst (Robert Fleck)
Eröffnung: 26. April 2006, 19.00 Uhr
Eröffnungsvortrag: Christine Frisinghelli, Camera Austria, Graz
Öffnungszeiten: Di Fr 12.00 18.00 Uhr, Sa 10.00 15.00 Uhr
Ort: Galerie der HGB LeipzigVom 27. April bis zum 27. Mai zeigt die Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig Fotografien des französischen Soziologen, Ethnologen und Philosophen Pierre Bourdieu (1930 2002). Noch vor seiner Mitwirkung an der wichtigen, 1965 publizierten Studie über die sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie bediente sich Bourdieu in den Jahren 1958 bis 1961 selbst der Kamera im Rahmen seiner Feldforschung zur Zeit des algerischen Unabhängigkeitskrieges gegen die Kolonialmacht Frankreich (1954 1962). Dieser Krieg prägte das Selbstverständnis und die politische Orientierung vieler französischer Intellektueller der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, was auch für Bourdieu gilt.
Bei den Studien in Algerien handelt es sich um Bourdieus frühestes, aber wie er selbst im Zusammenhang mit der Studie "La misère du monde" (1993) meinte, auch aktuellstes Werk. Von den rund 2000 Bildern, die zwischen 1958 bis 1961 entstanden, übergab er in seinen letzten Lebensjahren den erhalten gebliebenen Teil, rund 650 Negative und 140 Abzüge, an die Fondation Pierre Bourdieu (Franz Schultheis) und Camera Austria (Christine Frisinghelli) mit dem Ziel, diese Fotografien im Rahmen von Ausstellungen und Publikationen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Seit 2003 waren Bourdieus Fotografien u.a. in Paris, Graz, Tokio, Seoul, London und München zu sehen.
Die Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig zeigt in dieser Ausstellung 44 ausgewählte Fotografien. Die thematische Konzentration liegt dabei auf der "Ökonomie des Elends", die in Zusammenhang mit Modernisierung, aufgezwungener Innovation, Dekulturalisierung, Kolonialismus und Krieg entstand. Sie gehen zum einen wesentlich auf die Wanderungen der "entbäuerlichten Bauern" (Bourdieu) in die algerischen Zentren zurück, wo sie ein Sub- und Semiproletariat von Arbeitslosen und Kleinhändlern bildeten. Zum anderen ist in diesem Zusammenhang an die erzwungene Umsiedlung der algerischen Bevölkerung in mehrere tausend Lager zu denken, die mit der Absicht neu errichtet wurden, den Widerstand zu brechen und die Guerillakämpfer zu isolieren.
Pierre Bourdieu über sein Projekt:
"Ich kam als Wehrpflichtiger nach Algerien. Nach zwei recht harten Jahren, in denen von wissenschaftlicher Arbeit keine Rede sein konnte, konnte ich mich wieder dransetzen. Ich begann ein Buch (Sociologie de l'Algérie) zu schreiben mit der Idee, die Realität dieses Landes und die tragische Situation bekannt und greifbar zu machen, in der die Algerier stecken aber nicht nur sie, auch die Algerier-Franzosen, deren Lage nicht minder dramatisch war, was immer über deren Rassismus etc. zu sagen war. Ich war betroffen über die Kluft zwischen den Vorstellungen der französischen Intellektuellen von diesem Krieg, davon wie er zu beenden sei, und meinen Eindrücken, dem, was ich mit eigenen Augen sah. () Ich wollte nützlich sein, vielleicht nur um mein schlechtes Gewissen einzuschläfern, (). Ich mochte mich nicht mit dem Lesen von Büchern und dem Gang in Bibliotheken begnügen. In einer historischen Situation, in der in jedem Moment, in jeder politischen Erklärung, in jedem Gespräch, in jeder Petition die gesamte Wirklichkeit auf dem Spiel stand, war es absolut notwendig, selber an den Ort des Geschehens zu gehen und sich ein eigenes Bild zu machen gleichviel wie gefährlich das sein mochte, und es war gefährlich."
Besonders sei in diesem Zusammenhang auf zwei Publikationen hingewiesen:
Pierre Bourdieu, Die zwei Gesichter der Arbeit. Interdependenzen von Zeit- und Wirtschaftsstrukturen am Beispiel einer Ethnologie der algerischen Übergangsgesellschaft", Konstanz 2000
Christine Frisinghelli und Franz Schultheis (Hg.), Pierre Bourdieu. In Algerien. Zeugnisse der Entwurzelung, Edition Camera Austria, Graz 2003
Peter Piller erhielt Ruf an die Hochschule für Grafik und Buchkunst
Leipzig und übernimmt die "Professur für Fotografie im Feld
zeitgenössischer Kunst" zum Sommersemester 2006
Der Künstler Peter Piller wird zum Sommersemester 2006 Professor an der
Leipziger Kunsthochschule. Piller übernimmt eine der Klassen des
Studiengangs Fotografie im Hauptstudium.Der 1968 in Fritzlar geborene Piller absolvierte das erste Staatsexamen
für die Fächer Geographie, Germanistik und Kunstpädagogik, bevor er sich
für ein weiteres Studium der Freien Kunst an der Hochschule für bildende
Künste Hamburg entschied. Als Schüler F.E. Walthers machte er dort sein
Diplom zum Thema "Lebensabschnitte, Berufstätigkeiten,
Deutschlandbilder". Im vergangenen Jahr war Piller für 2 Semester an der
Hamburger Kunsthochschule als Gastprofessor tätig.Peter Pillers eigene künstlerische Arbeit der letzten Jahre ist
gekennzeichnet vom Zusammentragen und Kategorisieren von Bildmaterial.
1998 beginnt er Fotografien von Provinzzeitungen zu sammeln, wobei sich
sein Augenmerk auf Details und wiederkehrende Muster richtet, die bei
solch kurzlebigen Fotografien meist unbemerkt bleiben. Dementsprechend
heißt eine der acht Publikationen der Reihe "Archiv Peter Piller": "Noch
ist nichts zu sehen (Bauerwartungsflächen)". Mittlerweile befinden sich
an die 7000 Abbildungen zu den verschiedensten Sammelgebieten in diesem
Archiv.
Zusätzlich existieren im Archiv umfangreiche Sammlungen aus z.B. im
Internet gefundenen Bildern, Firmennachlässen oder historischen Postkarten.Ein anderes Projekt, mit ebenso weit reichenden Ausmaßen, trägt den
Namen "peripheriewanderungen". Im Sommer 1996 legte Piller in 31 Etappen
337 Kilometer im Ruhrgebiet zurück. Zu jedem Abschnitt fertigte er
Tuschezeichnungen, Fotografien und Textprotokolle.Aus auf den ersten Blick alltäglichen Bildern formuliert Piller die
zentralen Aussagen seiner Arbeiten, die schon in zahlreichen
internationalen Ausstellungen u.a. in Innsbruck, Chicago, Barcelona und
Rotterdam (Einzelausstellung im Museum Witte de With, 2005) zu sehen
waren und in zahlreichen Publikationen verbreitet werden.Prof. Joachim Brohm, Rektor der HGB Leipzig und Mitglied der 9-köpfigen
Berufungskommission begrüßt die Entscheidung mit den Worten: "Peter
Piller ist ein Künstler, der nicht nur einen speziellen Umgang mit der
Fotografie souverän beherrscht, die Zeichnung ist ebenso Bestandteil
seines Schaffens wie das Künstlerbuch ein privilegiertes Medium seiner
Arbeiten genannt werden kann. Insofern verbindet Piller traditionsreiche
Lehrbereiche an der HGB, setzt sie gleichwohl durch seinen
konzeptionellen Ansatz in ein völlig neues Licht. Ich freue mich sehr
über diese Berufung und bin sicher, dass Piller neue und wichtige
künstlerische Impulse für die HGB und für Leipzig setzen wird!"Weitere Informationen zu Peter Piller sind zu finden unter:
http://www.peterpiller.de