german galleries / index cities / index galleries / index artists / index Berlin


ifa-Galerie Berlin

Linienstr. 139 / 140
10115 Berlin
Tel 030 / 22679616, Fax 22679618
fischer@ifa.de
Di - So 14 - 19 Uhr
http://www.ifa.de
aktuelle Ausstellung / current exhibition
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition

 

 

21.03. - 25.05.2003

Bilder des Erinnerns und Verschwindens

Leila Danziger - Brasilien
Esther Shalev-Gerz - Frankreich/Israel
Simcha Shirman - Israel
Wojciech Prazmowski - Polen


Künstlerische Arbeiten und Entwürfe, die sich mit der systematischen Verfolgung und Tötung der jüdischen Bevölkerung durch die Nationalsozialisten im Dritten Reich auseinandersetzen, erwecken die Aufmerksamkeit des kunstinteressierten Publikums vor allem vor dem Hintergrund der seit über zehn Jahren anhaltenden Diskussion zur Errichtung eines Mahnmales für die ermordeten Juden Europas in Berlin. Mit der Ausstellung "Bilder des Erinnerns und Verschwindens" leistet die ifa-Galerie Berlin einen Beitrag zu der noch immer nicht beendeten Diskussion. Es werden Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern gezeigt, die sich unabhängig von allen Kontroversen und Diskussionen völlig unspektakulär aus innerem Drang und der eigenen Biografie heraus über Jahre hinweg oder ein ganzes Leben lang in ihrer Kunst mit diesem unfassbaren Geschehen auseinandersetzen. Die ifa-Galerie Berlin wählte künstlerische Positionen aus, die weniger das Gedenken und Erinnern in denkmalartiger Form reflektieren, sondern die - wie Leila Danziger (Brasilien) und Esther Shalev-Gerz (Israel/Frankreich) - Einzelschicksale in den Mittelpunkt ihrer künstlerischen Auseinandersetzung stellen, oder die - wie Simcha Shirman (Israel) und Wojciech Prazmowski (Polen) - das eigene Erleben und Empfinden thematisieren.

Leila Danziger (geb. 1962) realisiert in der ifa-Galerie Berlin die Installation "Greifswalder Straße 138". Ausgangspunkt ihrer Arbeit ist der Zeitungsartikel "Spurensuche: Kinderhort, Greifswalder Straße 138", der 1994 im Berliner"Tagespiegel" erschienen ist. Der Artikel beschreibt sowohl die Suche der Autorin nach Sophie Gutmann, die Erzieherin eines jüdischen Kinderheimes in der Greifswalder Straße 138 in Berlin war, als auch den Lebens- und Leidensweg der Gesuchten. In Zitaten von ihr und Berichte über sie wird sie als eine gebildete und sensible Frau charakterisiert, die das Leben liebte und doch vor allem ihrer Pflicht nachkam, den verfolgten jüdischen Kindern ein Heim zu geben. Der Artikel berichtet auch über das Ergebnis der Suche der Autorin Ruth Nube nach Sophie Gutmann; sie schreibt: "Die Frau und das Kind sind tot, ermordet in Auschwitz. Ihre Namen stehen im Erinnerungsbuch der jüdischen Gemeinde auf den Seiten 485 und 486, zwei Seiten, auf denen 140 Ermordete erfasst sind, die alle den Namen 'Gutmann' tragen." Leila Danziger arbeitet mit Schrift und Bild und schafft eine Rauminstallation, in der sie sich als Künstlerin und brasilianische Jüdin mit dem Leben und dem Schicksal dieser Menschen auseinandersetzt. Ihr Grundmaterial sind deutsche Zeitungen aus dem Jahr 2000, denen Sätze und Bilder des oben erwähnten Artikels eingeschrieben werden. Vergangenheit verschmilzt mit der Gegenwart und ist bereits wieder Vergangenheit. Leila Danziger lässt in ihrer Installation alle Facetten dieses individuellen Schicksals wieder erstehen. Der Holocaust ist für sie nicht Massenvernichtung von Menschen, sondern die Ermordung von Millionen von Individuen, die ihre Hoffnungen und Lieben, Ängste und Leiden hatten.

Esther Shalev-Gerz (geb. 1948) hat sich wiederholt mit der Frage des Erinnerns und Gedenkens des Holocausts auseinander gesetzt. Eine ihrer jüngsten Arbeiten, die im vergangenen Jahr im Sprengel-Museum Hannover zu sehen war und in die Sammlung des Museums einging, ist die Videoarbeit "Geht Dein Bild mich an?", welche in der ifa-Galerie unter Verzicht auf die Fotos gezeigt werden wird. Die Künstlerin ließ zwei Frauen - die eine Schauspielerin in Hannover, die andere Häftling im KZ Bergen-Belsen - ihre Erinnerungen an das Ende des 2. Weltkrieges erzählen. Jede berichtet in einem Monolog vor der Kamera von ihren schmerzhaften Erinnerungen an Krieg, Verfolgung und Tod. Die Künstlerin hat dann die Videobänder der jeweils anderen vorgespielt und deren Reaktion aufgenommen. Es ist ein erschütterndes Dokument entstanden, das in seiner Konzentration auf diese beiden Einzelschicksale die Dimension des Verbrechens an Millionen von Menschen erfahrbar macht.

Simcha Shirman (geb. 1947) setzt sich als Kind von Überlebenden des Holocaust in allen seinen Werken mit dem Holocaust auseinander. "Dear Krystyna" nennt er die Arbeit, die er in der ifa-Galerie Berlin zeigt. Krystyna ist eine junge Frau, deren Foto er in der Ausstellung im KZ Auschwitz in einer Reihe von Porträtfotos von ermordeten Häftlingen entdeckt hat und deren Bild ihn seitdem begleitet. Er schreibt im Konzept zur Ausstellung: "Krystynas Porträt ist der Ausgangspunkt dieser Arbeit. Die Briefe an Krystyna ermöglichen es mir, den Umgang mit Fragen der Erinnerung (persönlicher und geschichtlicher), des ausgelöschten Gedächtnisses, von Wahrheit und Fiktion, Fragen nach dem Objekt, dem Porträt, der Wahrnehmung, dem Verlangen und nach Furcht und Angst zu erhellen und zu klären. Die Texte in dieser Ausstellung vereinen in sich meine vergangenen und gegenwärtigen Erfahrungen,
Eindrücke von Reisen nach Polen und Deutschland sowie wissenschaftliche und literarische Texte. Sie werden in einem Buch erscheinen, das auf Hebräisch, Deutsch und Englisch in der Ausstellung präsentiert wird. In ihm sind selbst verfasste Texte mit Zitaten aus verschiedenen Quellen kombiniert. Auch die Bilder sind eine mZusammenstellung aus Fotografien meiner Familienalben, Fotografien aus mAlben Unbekannter, Fotografien aus Büchern und eigenen Fotografien."

Wojciech Prazmowski (geb. 1949) ergänzt diesen künstlerischen Ansatz durch eine Installation, die seine individuelle Erfahrung und Reflexion in den Mittelpunkt der künstlerischen Arbeit stell. Die Fotografie von Wojciech Prazmowski, der einer der wichtigsten polnischen Fotografen seiner Generation ist und 2000 mit einer Einzelausstellung in der ifa-Galerie Berlin vertreten war, befasst sich stets mit Verschwinden und Erinnern, mitdem, was in dem Abgebildetem an ehemals gelebten Leben oder Leiden eingeschlossen ist. In der für Prazmowskis Fotografie sehr typischen Art und Weise der Überblendung und Schichtung mehrerer Bilder schuf er eine Serie von 8 Arbeiten mit dem Titel "Auschwitz.Appell" (2003). Sie zeigt schemenhaft Bilder von Baracken und Zaunanlagen des Konzentrationslagers Auschwitz. Wie aus dem Nebel treten Relikte menschlicher Existenz hervor, Tücher, Kleidung, Schuhe. Es sind atmosphärisch dichte Bilder, die eine Ahnung der steten Anwesenheit von Menschen und Gefangenen herauf beschwören.

Zur Ausstellung erscheint ein 96-seitiges Katalogbuch mit zahlreichen Abbildungen zum Preis von 13 Euro. Neben Texten zu den Künstlerinnen und Künstlern und Statements erscheint ein Beitrag von Hanno Loewy, Leiter des Forschungsbereiches "Erinnerungskultur und
Rezeptionsforschung" des Fritz-Bauer-Instituts, Frankfurt a. M., der sich mit der Frage auseinander setzt, wie stark die allgemeine Vorstellung vom Holocaust durch Spiel- und Dokumentarfilme und durch die Visualisierung narrativer Überlieferungen geprägt ist. Ruth Lapide, einer streitbaren Theologin und Historikerin, die sich für die Versöhnung von Juden und Christen und die Verständigung zwischen Deutschland und Israel einsetzt geht auf verschiedene Formen des Verdrängens und Erinnerns ein und verdeutlicht, welche Bedeutung die Erinnerungskultur für die Gesellschaft hat.

Eröffnung
Donnerstag, 20. März 2003 um 19 Uhr

Pressegespräch
Donnerstag, 20. März 2003 um 11 Uhr

 

24. April 2003 um 19 Uhr

Die Ausstellung "Bilder des Erinnerns und Verschwindens" der ifa-Galerie Berlin, die der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Holocaust gewidmet ist, findet großes Interesse beim Publikum, wirft aber auch Fragen auf. Gezeigt werden Arbeiten von Leila Danziger (Brasilien), Esther Shalev-Gerz (Israel/Frankreich), Wojciech Prazmowski (Polen) und Simcha Shirman (Israel).

In Zusammenarbeit mit der 2yk Galerie, Berlin findet eine offene Diskussion zum Projekt "Auschwitz - Conservation Camp 01" von Sarah Schönfeld und Sascha Schmalenberg statt, das sich mit der
gegenwärtigen Situation des ehemaligen Todeslagers, seiner musealen Konservierung und touristischen Vermarktung beschäftigt.

Eingeladen wurden der Anthropologe und Gesellschaftstheoretiker Dr. Bernd Ternes (Moderation) , Till Nikolaus von Heiseler, Medienkünstler und -theoretiker, Sarah Schönfeld und Sascha
Schmalenberg.

 

 

german galleriesindex citiesindex galleriesindex artists