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ifa-Galerie Berlin

Linienstr. 139 / 140
10115 Berlin
Tel 030 / 22679616, Fax 22679618
fischer@ifa.de
Di - So 14 - 19 Uhr
http://www.ifa.de
aktuelle Ausstellung / current exhibition
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition

 

 

12.3. - 26.4. 1998


Igor & Svetlana Kopystiansky

Dialog

Frühe Arbeiten der 70er und 80er Jahre

 

"Dialog" nennen Igor & Svetlana Kopystiansky ihre Ausstellung in der ifa-Galerie Berlin, die konzeptuelle Fotoserien aus den frühen Moskauer Schaffensjahren von 1978 bis 1983 zeigt. Erstmals gibt die Berliner Schau einen so umfassenden Einblick in das Frühwerk des international bekannten Künstlerpaares. In den 90er Jahren traten sie vor allem mit Installationen zum Thema "Die Bibliothek" und "Das Museum" in Erscheinung. 1997 nahmen sie an der Johannesburg Biennale und am "Skulpturenprojekt" in Münster teil.

Die frühen Werke aus den 70er und 80er Jahren sind der Öffentlichkeit dagegen fast unbekannt. In dieser Zeit beschäftigten sich Igor & Svetlana Kopystiansky mit Phänomenen der Wahrnehmung, die sie in unterschiedlicher Weise thematisierten. So präsentiert die Ausstellung, verbunden mit dem umfangreichen Katalog, nicht nur erstmalig einen in Deutschland unbekannten Teil des künstlerischen Werkes von Igor & Svetlana Kopystiansky, sondern leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Dokumentation der inoffiziellen Kunstszene jener Jahre in Moskau.

 


Kurzbiografien:

 

Svetlana Kopystiansky

geboren in Woronezh, Rußland

lebt in New York und Berlin

 

Igor Kopystiansky

geboren in Lvov, Ukraine

lebt in New York und Berlin

 

Ausstellungen ( Auswahl)


1991" Igor & Svetlana Kopystiansky", DAAD, Berlin

1991 "Ostkunst-Westkunst", Ludwigforum für Internationale Kunst, Aachen

1992 "The Boundary Rider", 9. Biennale von Sydney

1992 "37 Räume", Kunstwerke, Berlin

1994 "Das Museum", (I. Kopystiansky)
"Die Bibliothek", (S.Kopystiansky), Kunsthalle, Düsseldorf

1994 Rauma Biennale Baltikum, Finnland ( S.Kopystiansky)

1994 "Memento-Positionen zeitgenössischer Kunst", Prag

1995 "orientATION", 4. Internationale Biennale von Istanbul

1997 "Skulpturen-Projekt - Münster", ( S.Kopystiansky)

1997 "Workers Library" ( S.Kopystiansky)
"Exhibition of Paintings" (I. Kopystiansyk),
2. Biennale von Johannesburg
http://dialnsa.edu/iat97/johannesburg/import/kopystiansky.html

 

Ausstellungskatalog
"Dialog"
Igor & Svetlana Kopystiansky
Frühe Arbeiten der 70er und 80er Jahre
mit Texten von Barbara Barsch, Hannes Böhringer und Heinz Schütz
Interviews von Gavin Jantjes und Helena Kontova
264 Seiten
zahlreiche Schwarz-Weiß-Abbildungen
Preis: 29,- DM zzgl. Potro

 


Aus dem Katalogtext:

Anstelle eines Vorwortes
von Barbara Barsch
...

"Igor & Svetlana Kopystiansky" - das ist ein Markenzeichen und steht für die enge künstlerische Verbundenheit der Beiden. Wenn auch jeder für sich arbeitet so doch in einer so engen Gemeinschaft, daß sich ihr Werk über nunmehr zwei Jahrzehnte parallel und in steter Verbindung miteinander entwickelt und nur im "Dialog" denkbar ist.

Die hier veröffentlichten Arbeiten - Fotosequenzen, Texte und Filme - aus den Jahren von 1978 bis 1983 stehen im wechselseitigem Zusammenhang miteinander und stammen aus einer schöpferischen Periode, die am Beginn der künstlerischen Arbeit von Igor und Svetlana Kopystiansky steht. Bei der Beschäftigung mit diesen Arbeiten stellt sich der Eindruck ein, daß die Zeit, so widerspruchsvoll sie auch im alltäglichen Leben gewesen sein mag, für Igor und Svetlana voller Energie und Schaffenskraft war und der Alltag nur bedingt und vermittelt Einlaß in ihre künstlerische Welt fand.
...

Mitte der 70er Jahre begannen sie, die Fotografie, verbunden mit Film, Theater und Text als Medium der konzeptuellen Arbeit zu nutzen. Immer aufs neue und von anderen Gesichtspunkten aus wurden künstlerische Untersuchungen zu Wahrnehmungsphänomenen gemacht. Sie fanden auf sehr unterschiedlichen Ebenen statt: mit Menschen, Gegenständen, Landschaften und immer wieder stellen sich neue überraschende Einsichten her. Dieses rastlose Erforschen grundlegender Strukturen unseres Daseins war ein wesentlicher Antrieb für die künstlerische Arbeit von Igor und Svetlana Kopystiansky. Das gesellschaftliche Umfeld, in dem sie lebten, war nicht ohne Einfluß und doch vermieden sie den direkten politischen Bezug. "Vermeiden" ist eigentlich nicht der richtige Ausdruck. Ihr künstlerisches Interesse war nicht auf gesellschaftlich faßbare Realität gerichtet. Sie suchten die Wahrheit hinter den Dingen. Sie suchten nicht das Sichtbare zu ironisieren und in seiner Trivialität zu entlarven. Sie suchten das Nichtsichtbare, sichtbar oder - besser - spürbar zu machen. Dadurch unterschieden sie sich ganz erheblich von den Intentionen der Moskauer Konzeptualisten um Ilja Kabakov, die mit der sowjetischen Emblematik, sowjetisch-ikonografischen Mustern und russisch-folkloristischen Elementen arbeiteten und deren Intentionen direkt gegen die offizielle sowjetische Kunst und Kultur gerichtet waren.

Igor und Sveltana Kopystiansky wählten einen ihren künstlerischen Intentionen entsprechenden anderen Ausdruck, der unabhängiger von den direkten äußeren gesellschaftlichen, kulturellen und subkulturellen Einflüssen war. So standen sie in diesen Jahren zum Beispiel Jochen Gerz oder Jürgen Klauke künstlerisch näher als den Moskauer Konzeptualisten, wenn diese Vergleiche überhaupt hilfreich sind. So wundert es auch nicht, daß Svetlana erstaunt konstatiert: "... Später, als wir die Möglichkeit bekamen, unsere Arbeiten in einem internationalen Kontext zu betrachten, merkten wir, daß viele Dinge, die wir für spezifisch russisch oder sowjetisch gehalten hatten, ein internationales äquivalent hatten, also gar nicht so spezifisch waren." Diese Einsicht konnten sie erst gewinnen, als sie 1989 Moskau verließen und sich in Berlin und schließlich in New York niederließen.

In diesen frühen Jahren spielen klassische Elemente eine wichtige Rolle, zum Beispiel die Auseinandersetzung mit der Ästhetik vom "Wahren", "Guten" und "Schönen" oder dem "Theater als moralische Anstalt" im Schillerschen Sinne. Vergleiche von Anspruch und Realität drängten sich durch den sozialistischen Alltag und dem heroischen Pathos der sozialistischen Gesellschaft geradezu auf.

Igor Kopystiansky macht 1978 eine Reihe von fotografischen Momentaufnahmen in der Moskauer U-Bahn (Metro) und nennt diese Serie "Unterirdisches Theaterstück". Sie enthält in mehrerer Hinsicht beziehungsreiche Andeutungen. Er spielt indirekt mit den Begriffen "Underground" und "Metro", war doch die Metro im sowjetischen Bewußtsein Synonym für sozialistische Schaffenskraft und Heldentum. Andererseits wußte jeder, daß es strengstens verboten war, Bahnhöfe oder Bahnanlagen zu fotografieren. (Noch zwanzig Jahre zuvor hätte der Künstler sich nicht am Golden Gate sondern am Goldenen Kreis wiedergefunden.) Allein die Existenz der Fotos zeigte, daß etwas Verbotenes getan wurde. All diese Bedeutungsebenen sind in dem Werk intendiert, wenn es auch so scheint, als hätte der Künstler zufällig und emotionslos Momentaufnahmen von alltäglichen Situationen gemacht, wie der "Mann mit der Kamera". Doch auch heute, wenn all diese Bedeutungen keine Rolle mehr spielen, bleibt eine Serie konzeptueller Fotografie, in der sich Alltägliches mit Erhabenen verbindet, in der über Zeit und Geschwindigkeit einer Millionenmetropole philosophiert wird.

In der Installation "Veränderungen der Form der Leere" (1979) arrangiert Svetlana Kopystiansky Objekte im Raum, deren Position von Bild zu Bild verändert wird, wodurch sie in unterschiedliche Beziehungen untereinander treten, die durch die Leere des Raumes um sie herum definiert werden. Stärker auf soziale Aspekte hin konzipiert ist das "Theaterstück in einem Akt" (1981), in dem Igor Kopystiansky untersucht inwieweit Gegenstände (hier Stühle) gestisch aufeinander reagieren und emotionale Inhalte widerspiegeln können.

Arbeiten wie z.B. "Unterirdisches Theaterstück", "Das Bewußte und das Unbewußte" oder "Schauspieler und Zuschauer" waren Studien, die soziale Phänomene künstlerisch untersuchten. Doch parallel dazu galt ihr Interesse auch Untersuchungen zur reinen Wahrnehmung und zu Wahrnehmungsveränderungen. Der soziale Aspekt trat dabei in seinem direkten Bezug in den Hintergrund. Sowohl Situationen als auch Dinge wurden einer detaillierten Beobachtung unterzogen und die kleinsten Veränderungen und Wandlungen genau dokumentiert. Unscheinbares gewinnt an Bedeutung und bekommt eine philosophische Dimension. Dies wird durch die Konzentration auf alltägliche, fast nebensächliche Dinge erreicht, wie z.B. "Vergrößerung der Leere" (1980). Eisstücke schmelzen und entschwinden Stück für Stück unserer Wahrnehmung. Wir bleiben fragend zurück, fragend danach, ob nur das Sichtbare existent ist, ob das, was wir zu sehen und zu wissen glauben auch das ist, was wirklich ist. Die eigenen Erfahrungen werden mit den Dingen ins Verhältnis gesetzt und zugleich infrage gestellt. Dieses Prinzip von Konstatieren und Hinterfragen ist z.B. auch der Ausgangspunkt der künstlerischen Auseinandersetzung bei den "Falschen und Richtigen Figuren" oder "Kalten und Warmen Figuren" (1979) von Svetlana. Sie stellen die Frage nach der Realität und der Wahrnehmung der Realität, welche immer geprägt ist von gesellschaftlichen Übereinkünften, wie Moral und Ethik, Gut und Böse, Richtig und Falsch.

Im "Weißen Album" (1979) gibt Svetlana Anweisungen zum Sehen von etwas, das sich in der weißen Fläche befindet aber eigentlich nicht sichtbar ist. ...

Mehrere Arbeiten und Serien widmete Igor Korpystiansky der Untersuchung von Bild und Begriff und verweist damit auf die Bedeutung der semantischen Ebene für unsere Wahrnehmungsfähigkeit. ... Die vertraute Dinge werden fremd, wenn die sichtbare Realität metaphysisch interpretiert wird. So stellt sich immer wieder erneut, die Frage nach dem Wahrheitsgehalt von Bildern und Begriffen, nach Sinngebung oder Sinnentleerung durch sprachliche Formulierung des Sichtbaren. Gibt es eine Identität von Wort und Bild und warum stellt der Begriff das Sichtbare infrage und warum nicht das Sichtbare den Begriff? ...

 

 

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