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Frankfurter Kunstverein
Steinernes Haus am Römerberg
Markt 44
60311 Frankfurt am Main
Di, Do, Fr 11-19 Uhr, Mi bis 21 Uhr
Sa, So 10-19 Uhr, Mo geschlossen
post@fkv.de
www.fkv.de
aktuelle Ausstellung / current exhibition
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition
05.10. - 25.11. 2012
Contact.
Artists from Aotearoa/New Zealand
Anlässlich des Gastland-Auftritts von Neuseeland zur Frankfurter Buchmesse 2012 präsentiert der Frankfurter Kunstverein die Gruppenausstellung CONTACT. ARTISTS FROM AOTEAROA/NEW ZEALAND. Titelgebend ist eine Performance, die Jim Allen 1974 in der Auckland Art Gallery aufführte. Sie kreiste um ein weit gefasstes Konzept von "Kontakt" als einer mentalen, physischen und sozialen Wechselbeziehung und steht somit beispielhaft für eine Zeit in der neuseeländische Künstler verschiedene Wege der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und ihrem kulturellen Kontext suchten. Der Begriff "Contact" verweist auf das Beziehungsgeflecht zwischen den beiden dominanten Ethnien im bikulturellen Aotearoa/Neuseeland: Der indigenen Bevölkerung der M_ori und den weißen Siedlern, "Pakeha".
Die Ausstellung im Frankfurter Kunstverein vereinigt malerische, fotografische, filmische und installative Werke von 25 neuseeländischen Künstlern und entwirft so ein vielschichtiges Bild der Kunstproduktion der letzten vierzig Jahre in Aoteaora/Neuseeland. Sie zeigt einen multiperspektivischen Blick auf eine überaus aktive und heterogene künstlerische Szene im Kontext zeitgenössischer Diskurse.Neuseeland war und ist ein Land, in dem sich Einflüsse der unterschiedlichsten Herkunft und der vielfältigsten Art und Weise manifestieren. Die ersten Siedler der nur von Vögeln, Reptilien und Insekten bewohnten Inseln im Südpazifik waren vor ca. 850 Jahren Seefahrer polynesischer Herkunft. Ihre Nachfahren, die heutigen M_ori, sahen sich erst im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert mit einer steigenden Zahl vor allem britischer Siedler konfrontiert. 1840 wurde der Vertrag von Waitangi geschlossen, der den M_ori Souveränität über ihr Land zusicherte und zugleich die Hoheit der britischen Krone festlegte. Dieser Vertrag, dessen Original nur als Fragment überliefert ist, bildet die noch heute viel debattierte Grundlage der bi-kulturellen Identität Neuseelands, die seit 1975, seit Einrichtung des Waitangi-Tribunals, Staatsräson ist. Eine Vielzahl neuer Einwanderungsströme aus europäischen Ländern, von den pazifischen Inseln, aus Süd- und Schwarzafrika, aus Asien und dem arabischen Raum stellt der damaligen Übereinkunft einer Bi-Kulturalität das Faktum einer Polykulturalität entgegen, die bislang weder soziologisch-theoretisch noch politisch-praktisch bewältigt wurde. Besonders im Ballungsraum Auckland führt dieser Konflikt zu Segregationen, Ghetto-Bildung, gated communities, Gewalt und Kriminalität.
Großbritannien beherrschte bis weit in die Mitte des 20. Jahrhunderts Neuseeland nicht nur politisch, sondern auch in künstlerischer Hinsicht. Erst in den 1960ern begannen Maler wie Colin McCahon oder Gordon Walters die amerikanische Kunst neben jener des europäischen Kontinents zu rezipieren und mit modernistischen Ideen nach Neuseeland zurück zu kehren. Andere Künstler wie Len Lye, ein Pionier des abstrakten Films, hatten ihrer Heimat schon früh den Rücken gekehrt und blieben dort bis in die 80er Jahre völlig unbeachtet.
Für Jim Allen (* 1922, Wellington) waren Reisen nach Frankreich und Großbritannien, in die USA und nach Mexiko Wendepunkte seiner künstlerischen Praxis. In Paris und London, Chicago und New York wurde er Zeuge der Studentenrevolten, in Mexiko machte er die Bekanntschaft mit dem Werk Helio Oiticicas, dessen Parangolés er in einem Teil der dreiteiligen Performance in der Auckland Art Gallery 1974 seine Referenz erwies. Als wichtigster Vertreter der Post-Object-Art und als Lehrer an der Elam School of Fine Arts in Auckland hatte er einen nicht zu überschätzenden Einfluss auf die jüngere Kunstszene, unter anderem auf den Video- und Klangkünstler Phil Dadson (* 1946, Auckland). Von ihm ist in der Ausstellung eine fotografische Dokumentation einer Aktion zu sehen, in welcher er 1971 mit Freunden einen Strand an der Westküste fegte - im selben Jahr, als Beuys seine Aktion im Krefelder Wald durchführte, doch ohne Kenntnis von dessen Werk.
Das grundlegende Paradigma des Kontaktes in einem derart stark von der post-kolonialen Debatte geprägten Land wie Neuseeland ist der first contact, jene für die indigene Bevölkerung meist unheilvolle Begegnung mit den europäischen Siedlern. Dieser Begegnung, schwankend zwischen Unsicherheit, Herablassung und Respekt, Stolz, Wehmut und Aggression widmet sich Lisa Reihana (* 1969, Ng_ Puhi) in ihrer mehrteiligen Video-Arbeit Native Portraits (Drama). Neue Technologien und alte Mythen greifen in den Arbeiten von Rachael Rakena ineinander, während Francis Upritchard mit nachempfundenen historischen Objekten neue hybride Formen entstehen lässt. Probleme einer vielschichtigen multikulturellen Gesellschaft im Zuge des Immigranten-Zustroms von den polynesischen Inseln sowie Lebensschicksale im Exil spiegeln sich in den Fotografien von Edith Amituanai. CONTACT zeigt nicht nur künstlerische Auseinandersetzungen mit soziokulturellen Konflikten im heutigen Aotearoa/Neuseeland, sondern präsentiert auch poetische Zugänge zum Thema, wie beispielsweise in den Arbeiten von Dane Mitchell, oder den ortspezifischen Installationen von John Ward-Knox. Künstlerische Methoden und Prozesse von Maler/innen wie Judy Millar, die neben Francis Upritchard Neuseeland auf der Biennale von Venedig 2009 vertreten hat, oder Simon Ingram, der in seinen "Automata Paintings" regelhafte Prozesse ohne subjektive Intervention zu Kunstwerken erhebt, erweitern das Ausstellungskonzept.
An der Ausstellung beteiligte Künstler: Jim Allen, Alberto García Alvarez, Edith Amituanai, Ruth Buchanan, Philip Dadson, Alicia Frankovich, Marti Friedlander, Simon Glaister, Murray Hewitt, Simon Ingram, Janet Lilo, Len Lye, Judy Millar, Dane Mitchell, Alex Monteith, Simon Morris, Fiona Pardington, Campbell Patterson, Rachael Rakena, Lisa Reihana, Peter Robinson, Sriwhana Spong, Francis Upritchard, Daniel von Sturmer, John Ward-Knox
Kuratoren: Leonhard Emmerling (DE, München) und Aaron Kreisler (NZ, Dunedin)
"Contact. Artists from Aotearoa/New Zealand" wird ermöglicht von Manat_ Taonga - Ministry for Culture and Heritage, Wellington und Creative New Zealand. Die Ausstellung erhält zusätzliche Unterstützung durch das Goethe-Institut.
PRESSEINFORMATIONKUNSTGESCHICHTEN IM STEINERNEN HAUS - TO THE PEOPLE OF THE CITY
8.12. 2012 - 3.02. 2013Pressevorbesichtigung: Freitag, 7. Oktober 2012, 11 Uhr
Eröffnung: Samstag, 8. Oktober 2012, 15.30 UhrDer Frankfurter Kunstverein wurde im Jahre 1829 gegründet und ist seit langem eine international renommierte Institution. Im Spätherbst 1962 bezog er das Steinerne Haus am Römerberg und hat dort bislang etwa 400 Ausstellungen präsentiert und tausende Veranstaltungen durchgeführt. Bis zur Gründung der Schirn Kunsthalle (1986), des Portikus (1987) und des Museum für Moderne Kunst (1991) war der Frankfurter Kunstverein das einzige große Ausstellungshaus für zeitgenössische Kunst in Frankfurt am Main. Viele der im Steinernen Haus realisierten Einzel- und Gruppenausstellungen haben sich als Richtung weisend herausgestellt. So wurden zum Beispiel "Kunst im dritten Reich" (1971) oder "Das Bild des Körpers" (1993) zu Meilensteinen der jüngeren Ausstellungsgeschichte, Projekte wie "deutschemalereizweitausenddrei" (2003) erzeugten Besucherrekorde und Ausstellungen wie "Tales of Resistance and Change. Artists from Argentina" (2010) wurden weltweit in über 250 Medienberichten besprochen. Kooperationsprojekte wie z.B. "Demonstrationen. Vom Werden normativer Ordnungen" (2012) umfassen aufwändige Begleitprogramme aus bis zu 40 Veranstaltungen (mit jeweils bis zu 300 Besuchern) und erzielen höchste Presseresonanz (SPIEGEL, ZEIT, FAZ, FR, SZ, taz, Bild, 3SAT, RTL, SAT1, HR, BR, Deutschlandfunk u.v.m.).
Aus Anlass des 50-jährigen Jubiläums des Frankfurter Kunstvereins im Steinernen Haus werden wir Rückblicke auf seine dortige Ausstellungsgeschichte unternehmen: Ein umfangreiches Jubiläumsprogramm wird die Entwicklung des Kunstvereins, die von ihm beförderten Kunstströmungen und die jeweiligen zeit- und stadtgeschichtlichen Kontexte nachzeichnen und dabei ein Bild entstehen lassen, das viele verschiedene Perspektiven vereint: die Sicht der damaligen Leiter dieser Institution, die Sicht von Mitgliedern und Weggefährten, die Sicht benachbarter Kunstinstitutionen, die Sicht von Stadt und Bürgerschaft und die Sicht von Künstlern. Auf diese Weise wird ein vielschichtiges Porträt von fünf Dekaden Kunstgeschichten im Steinernen Haus entstehen. Neben den Diskussionen und Workshops werden ein "Art Slam!", eine hochkarätige Auktion zugunsten des Ausstellungsprogramms des Frankfurter Kunstvereins und "KunstMusik", ein Abend mit Konzerten und Performances von Künstlern aus der Region Frankfurt das Jubiläum begleiten.
Der Horizont des Projekts "Kunstgeschichten im Steinernen Haus" ist eine Zwischenbilanz zu Wandel und Werden des Frankfurter Kunstvereins und zu seiner Positionierung im damaligen und heutigen Kunstsystem. Als Ganzes stellt das modellhafte Projekt selbst eine besondere Kunstgeschichte der vergangenen 50 Jahre dar und soll deshalb in einem Buch für die Zukunft gesichert werden.
Bühne und Hintergrund des Jubiläumsprogramms sind zwei parallel laufende Präsentationen: Plakate, Publikationen, Fotografien, Fundstücke und interne Dokumente bieten eine Übersicht der Aktivitäten des Kunstvereins. Im dritten und vierten Obergeschoss zeigt die Ausstellung "TO THE PEOPLE OF THE CITY" drei Rauminstallationen von Wiebke Grösch und Frank Metzger, die sich auf die jüngere Geschichte des Kunstvereins und der Stadt Frankfurt beziehen und zugleich Verbindungen herstellen zwischen künstlerischen Positionen der vergangenen 50 Jahre und konzeptueller Gegenwartskunst. Ihre Arbeit "Dies alles, Herzchen, hat einmal uns gehört" bezieht sich auf eine Ausstellung in der Frankfurter Galerie Dorothe Loehr aus dem Jahr 1967. Die von Paul Maenz zusammengestellte Ausstellung mit dem Titel "Dies alles, Herzchen, wird einmal Dir gehören" zeigte Arbeiten von Charlotte Posenenske, Peter Roehr, Konrad Lueg und anderen. Die Abwandlung des Titels durch Grösch/Metzger verweist auf die vielfältigen inhaltlichen Bezugspunkte ihrer Arbeit sowohl zu den historischen Arbeiten der Ausstellung, als auch zu dem regionalen Kontext, speziell dem Verlust und der Veränderung öffentlichen Raums. Die Objekte aus gefaltetem Stahlblech verweisen auf Posenenskes Vierkantrohre der "Serie DW" von 1967, welche oft im öffentlichen Raum ausgestellt wurden, unter anderem 1989 im Frankfurter Hauptbahnhof. Darüber hinaus nehmen sie Bezug auf die in der B-Ebene des Frankfurter Hauptbahnhofes präsenten Rolltreppenabdeckungen zum Schutz nicht in Betrieb befindlicher Rolltreppen gegen Vandalismus. In ihrer Abwehrfunktion versinnbildlichen sie raumgreifende Veränderungen des öffentlichen Raumes, ein Hauptthema des Frankfurter Künstlerduos. Grösch/Metzger ergänzen ihre Stahlobjekte um hoch gewachsene Silberdisteln, eine typische Brachflächenpflanze, und von der Decke hängende Handläufe von Rolltreppen.
Die Arbeit "To the People of the City" nimmt Bezug auf Blinky Palermos Wandarbeit "Treppenhaus II", die 1971 anlässlich der Experimenta 4 im Frankfurter Kunstverein entstanden ist. Palermo hat hierfür im Treppenhaus die Wandfläche zwischen den Handläufen und den Treppenstufen in der damaligen Farbe der Handläufe, einem hellen Grau, angestrichen. Nach dem Brand im Jahr 1990 ist die Arbeit im Rahmen der Renovierung des Hauses entfernt worden und die Handläufe wurden durch schwarze ersetzt. Nicolaus Schafhausen hat die Arbeit 1998 zu seiner Eröffnungsausstellung "To the People of the City of the Euro" rekonstruiert. Auch der Ausstellungstitel Schafhausens ist ein Palermo-Zitat: eine seiner letzten Ausstellungen im Jahr 1976 hieß "To the People of New York City". Während der Experimenta 1971 wurde mit der Wandmalerei auch eine Aquarellskizze Palermos für die Arbeit gezeigt. Sie hing am unteren Ende der Arbeit an der Wand, wurde jedoch nur wenige Tage nach der Eröffnung aus der Ausstellung gestohlen. Das Aquarell ging also tatsächlich "to the people of the city". Grösch/Metzger übersetzen die Form von Palermos Wandarbeit in zwei Betonobjekte und geben der leicht zu übersehenden Wandarbeit damit eine beharrliche räumliche Präsenz, die durch den Gepäckwagen unterstrichen, aber zugleich transportabel gemacht wird
"Kunstgeschichten im Steinernen Haus - To the People of the City" wird gefördert durch die Stadt Frankfurt, die Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main und das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst.