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Frankfurter Kunstverein

Steinernes Haus am Römerberg
Markt 44
60311 Frankfurt am Main
Di, Do, Fr 11-19 Uhr, Mi bis 21 Uhr Sa, So 10-19 Uhr, Mo geschlossen post@fkv.de
www.fkv.de
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition

 

bis Mai 2013

Vereinzelt Schauer - Formen von Wetter

Kuratorin: Antje Krause-Wahl

Beteiligte Künstler: Stefania Batoeva (geb. 1981, BG, lebt in London), Daniel Gustav Cramer (geb. 1975, DE, lebt in Berlin), Spencer Finch (geb. 1962, US, lebtin Brooklyn), Sebastian Gräfe (geb. 1976, DE, lebt in Berlin), George Kuchar (1942-2011, US), Gerhard Lang (geb. 1962, DE, lebt in New York), Flo Maak (geb. 1980, DE, lebt in Frankfurt), Iñigo Manglano-Ovalle (geb. 1961, ES, lebt in Chicago), Matthias Meyer (geb. 1972, DE, lebt in Hamburg), Rivane Neuenschwander (geb. 1967, BR, lebt in Belo Horizonte), Iris Schomaker (geb. 1973, DE, lebt in Berlin), Klaus Weber (geb. 1967, DE, lebt in Berlin), John Woodman (geb. 1949, UK, lebt in Carlisle Cumbria)

Das Wetter ist immer wichtig, sowohl im Alltag von jedem Einzelnen als auch in der täglichen Organisation der Gesellschaft. Es beeinflusst jede individuelle Tagesgestaltung genauso wie das Schicksal ganzer Landstriche. Und das Wetter ist höhere Gewalt: Der Mensch kann es nicht gestalten, sondern muss stattdessen Vorkehrungen zum steten Wechsel des Wetters treffen und sich flexibel darauf einstellen. Zu jeder Zeit liefern die Medien dazu umfassende Informationen über die aktuelle Wetterlage und prognostizieren die zukünftige. Der Frankfurter Kunstverein versammelt in der Ausstellung "Vereinzelt Schauer ­ Formen von Wetter" Künstler, in deren Arbeiten die Auseinandersetzung mit Erscheinungsformen des Wetters einen zentralen Raum einnimmt. Ausgangspunkt ist die erstaunlich große Zahl aktueller Künstler, deren Interesse am Wetter sich aus dessen komplexen Verknüpfungen mit unserer unmittelbaren Lebenswirklichkeit speist: In Ihren Arbeiten nehmen konkrete Formen und Wirkungen des Wetters acc einen zentralen Raum ein. Phänomene wie Schnee, Eis, Regen, Nebel, Wolken, Wind/Sturm, Blitzschlag und Sonnenschein werden untersucht und in ästhetische Konstellationen überführt, zuweilen werden sie sogar zu einem genuinen Bestandteil der Werke, indem die verwendeten Materialien dem Wetter ausgesetzt werden, oder indem es in den Arbeiten "real" regnet oder stürmt. Manche Künstler fokussieren auf das Verlangen, das Wetter aufzeichnen, kontrollieren oder simulieren zu können und fragen nach der Beherrschbarkeit der Natur. Bei anderen Künstlern wird das Wetter zu einer Metapher. Der Ausstellung "Vereinzelt Schauer ­ Formen von Wetter" geht es um die Möglichkeit der Wahrnehmung von Wetter ­ als Voraussetzung zur Diskussion technologischer oder politischer Kurswechsel. Das Interesse von Künstlern am Wetter hat sich im Verlauf der Kunstgeschichte verändert. Zunächst diente es im Rahmen der Landschaftsmalerei dazu die dargestellten Szenen atmosphärisch zu hinterfangen. Erst im 19. Jahrhundert begannen Künstler damit Wetterphänomene intensiv zu beobachten und wechselnde Stimmungen zu gestalten, ein Weg, der dann zu den impressionistischen Darstellungen führte. Im 20. Jahrhundert greifen vor allem Fotografen und Filmemacher auf Wetterphänomene zu, da diese besonders geeignet scheinen auch das eigene Medium zu reflektieren. Alfred Stieglitz fotografierte Wolken als Spiegel der Gefühle, Empfindungen und Stimmungen. Er erkannte zwischen dem bewölkten Himmel und der Fotografie Parallelen, wenn er die Lichtverhältnisse am Himmel mit der Belichtung des Fotonegativs verglich. Ein neues und ganz anderes Interesse ­ nun an den Elementen des Wetters orientiert ­ ist in der Kunst der 1960er und 70er Jahre auszumachen, als bisher kunstfremde Materialien und das Prozesshafte in den Vordergrund rückten. Walter de Maria zog in seinem "Lightning Field" (1977) Blitze an, die Bildhauerin Alice Aycock und die Videokünstlerin Joan Jonas arbeiteten mit den Auswirkungen des Windes auf Skulptur und Körper ("Sand/Fans" 1971; "Wind", 1968). Das Schmelzen von Eis war Thema bei Allan Kaprow ("Fluids", 1967) und Paul Koos ("Sound of Ice Melting", 1970). Hans Haacke bezeichnete seinen mit destilliertem Wasser gefüllten, abgeschlossenen Kubus als "Wetterkasten" (1963- 65), in dem zu beobachten ist, wie die äußere Veränderung von Luftströmung, Licht und Temperatur das Wasser innerhalb des Kastens kondensieren lässt. Für Haacke war diese Versuchsanordnung keine physikalisches Experiment, sondern machte anschaulich, dass auch ein scheinbar geschlossenes System, Einflüssen von außen unterliegt. Der "Wetterkasten" wurde somit zu einer Metapher für die Beziehungen zwischen Kunst und Gesellschaft. Heute steht die Verschränkung des Wetters mit Fragen nach unserer Wahrnehmung, unseren Emotionen und soziopolitischen und wissenschaftlichen Kontexten im Vordergrund der künstlerischen Auseinandersetzung. In der Ausstellung lassen sich verschiedene Schwerpunkte unterscheiden: Einige Künstler suchen nach Möglichkeiten, wie "Atmosphären" im doppelten Sinne des Wortes dargestellt werden können. In ihren Arbeiten geht das Wetter häufig eine Verbindung mit der Landschaft ein. Diese Werke thematisieren dabei zugleich die Reflexion der Wahrnehmung und des jeweiligen Mediums. Andere Künstler fokussieren auf das Verlangen, das Wetter aufzeichnen, kontrollieren oder simulieren zu können. Sie fragen mit ihren künstlerischen Konstruktionen oder Recherchen nach der Beherrschbarkeit der Natur. In weiteren Arbeiten wird das Wetter zu einer Metapher für territoriale Veränderungen und politische Konflikte. Klaus Weber erzeugt in "Basteltonado" (2007) seinen eigenen Tornado. Der Künstler simuliert und manipuliert in seinen Arbeiten meterologische Elemente wie Wind, Sonnenstrahlen oder auch Regenfälle. Seine Arbeiten sind skurile Basteleien eines Laien-Ingenieurs, es sind Ideen aus dem Hobbykeller, bei denen sich die Elemente nicht so verhalten, wie wir es gewohnt sind. Im Frankfurter Kunstverein zeigt er mit "Basteltornado" eine Plastik, in der mithilfe eines auf eines Ultraschallneblers und einem Haushaltsstaubsauger für wenige Sekunden ein kleiner aber lautstarker Tornado erzeugt wird. Gerade weil Webers Erfindungen, seine Manipulationen und Rekreationen von Wetterphänomenen keinen Nutzen haben, erzählen sie umso mehr von unserem Verlangen, die Kräfte der Natur zu kontrollieren.

Die Brasilianische Künstlerin Rivane Neuenschwander arbeitet mit Regen, indem sie dessen Auswirkungen die Form ihrer Arbeiten bestimmen läßt. Einerseits ist es das Zufällige, das sie am Regen interessiert, andererseits ist der Regen (also das kontinuierliche Tropfen) ein Element, das für die brasilianische Kultur so konstitutiv ist wie der Nebel für London. "Chove Chuva / Rain Rains" (2002) ist eine Installation, bei der metallene Wassereimer an Stahlkabeln von der Decke hängen, und aus denen durch ein Loch Wasser in darunter gestellte korrespondierende Eimer fällt. In regelmäßigen Abständen werde die an der Decke hängenden Wassereimer aufgefüllt. Ursprünglich für eine Gebäude Oskar Niemeyers in Belo Horizonte konzipiert, reflektiert diese Arbeit nicht nur den Verfall der brasilianischen Moderne, d.h. die damalige Überschätzung des baustoffes Beton, die dazu führte, dass quasi im ganzen Land Regenwasser in Gebäude tropft. Sie macht gleichzeitig das Element sinnlich erfahrbar, indem das Geräusch tropfenden Regens in der Ausstellung zu hören ist. Daniel Gustav Cramer arbeitet mit verschiedenene Medien, wie Fotografien, Videoarbeiten, Skulpturen, Büchern und Texten. Seine Arbeiten wirken in ihrer Einfachheit auf den ersten Blick unspektakulär. Die Arbeit "Tales (Vernazza, Italy, September 2012)" besteht aus sechs Fotografien, die sukzessive zeigen, wie die Sonne hinter einem grünen Hügel aufgeht. Es ist immer derselbe Bildausschnitt, das einzige was sich verändert ist die zunehmende Sonneneinstrahlung auf dem Gras. Die Bilder zeigen in ihrer Unterschiedlichkeit eine erzählerische Fortführung, eine Kontinuität, die vielen Arbeiten Cramers zu eigen ist. In ihrem utopischen Glauben an etwas Transzendentes, eine historische Kontinuität knüpfen sie an die romantische Tradition an. Flo Maak kombiniert im Kunstverein ein Wandbild eines Tornados mit einer Fotografie einer Weltkarte, die im Brüssler Musée Royal de l'Armée et d' Histoire Militaire so angebracht ist, dass der Betrachter zugleich durch die verglaste Deckenstruktur aus dem 19. Jahrhundert in den Himmel und damit auf das Wetter schaut und auf die Weltkarte. Vor dem Wandbild hängt ein Raumteiler aus Duschwänden, in denen Wassertropfen als Dekorationselement integriert sind. Der Titel des Raumteilers ist "Kaltfront", ein meteorologischer Begriff, der zugleich eine militärische Operation impliziert. Der Raumteiler vermindert die Sichtbarkeit des Wandbildes. Der Betrachter kann den Tornado nie aus der Distanz in seiner Gänze sehen, sondern nur durch die an Raster erinnernde Untergliederung des Raumteilers. Die Fotografie daneben markiert einen historischen Hintergrund, das militärische Dominanzstreben des 19. Jahrhunderts, das mit einer als Scheibe vereinfachten und so leichter zu kontrollierenden Erde zusammenkommt.

 

 

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