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Heidelberger Kunstverein

Hauptstraße 97
69117 Heidelberg
Tel. 06221 - 18 40 86: Fax 06221 - 16 41 62
Di - So 11 - 17 Uhr, Mi 11 - 20 Uhr
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www.hdkv.de
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28.11. - 31.12.1999


Brigitte Heiliger-Kramm

Collagen und Zeichnungen

Brigitte Heiliger-Kramm wurde in Frankfurt/Oder geboren. Sie wuchs in Berlin auf und studierte an der Kunstgewerbeschule, die damals, in der NS-Zeit, so etwas darstellte wie eine vergleichsweise liberale Oase in der braunen Wüste.

Ihr Lehrer war, neben Hans Orlowski, Max Kaus, den sie später heiratete. Als Trauzeuge fungierte Erich Heckel; auch andere Expressionisten und Post-Expressionisten wie Karl Schmidt-Rottluff und Carl Hofer gingen ein und aus im gastlichen Domizil auf der Pfaueninsel.

Kaus, der unter den Nazis seine Stelle als Hochschullehrer verlor, hat nach dem Krieg zusammen mit Hofer die Akademie neu organisiert. Die Verbindung mit ihm währte nicht allzu lange, in zweiter Ehe war Brigitte Heiliger-Kramm später 10 Jahre lang mit Bernhard Heiliger verheiratet, einem der großen Bildhauer unseres Jahrhunderts.

Brigitte Heiligers Anfänge sind geprägt durch den Einfluß der expressionistischen Freunde, aber auch den des Vaters, des Malers Willibald Kramm, der in ihr schon früh die Liebe zu Italien und zur italienischen Kunst weckte. Studienreisen mit dem Vater führten sie nach Italien, aber auch nach Frankreich, Österreich und in die Schweiz, später auch zusammen mit Ihrer Tochter Grazia Maria.

Häufige Besuche beim Vater, den es nach dem Krieg ins unzerstörte Heidelberg verschlagen hatte, führten schließlich, nach dem "Abschied von Berlin" (so ein Bildtitel von 1969) und der Trennung von Heiliger dazu, daß sie Heidelberg zu ihrer Wahlheimat machte - eine "Heidelberger Künstlerin" ist sie gleichwohl nie geworden.

Brigitte Heiligers Schaffen ist wesentlich geprägt durch Reiseeindrücke. Insbesondere war es das intensive Erleben italienischer Stadtlandschaften - Verona, Mailand, Rom, Venedig, Sizilien -, aber auch der französischen Kathedralen, der Provence, der Bretagne und der deutschen Nordseeküste, das sie zu eindringlichen Arbeiten inspirierte, die weit mehr sind als lediglich Schilderungen des Gesehenen. Vielmehr wird das Erleben selbst in diesen Blättern - Öl und Leinwand waren nie Brigitte Heiligers Metier - zum Thema, im Kontrast und in der Synthese sorgfältigen Registrierens und expressiven Reagierens, verhaltener Zartheit und eruptiver Vitalität, meditativer, melancholischer Versenkung und kraftvoller, emotionaler Dynamik.

Die Skala konventioneller Möglichkeiten des Mediums Zeichnung wird dabei weit überschritten. Zu einem ausgeprägten Verständnis für Raum, Plastizität und Atmosphäre tritt eine virtuose Beherrschung der technischen Mittel. Vehemente Schraffuren, rhythmisch gesetzte Pinselschläge, sanft sich verströmendes Lavis, mitunter ein Hauch erdhafter Farben, die vergossene Spur des auf der Piazza genossenen Chianti, subtile Übergänge, schroffe Hell-Dunkel-Kontraste, geheimnisvolle Sfumati, Verletzungen, schließlich irritierende Collage-Akzente: Die Künstlerin zieht alle Register einer vielschichtigen Interpretation ihrer Motive, in denen Subjektives und Objektives, Gegenständliches und Abstraktes, Deskription und Expression sich verbinden, die Beschreibung des Gesehenen zum Psychogramm des Erlebten wird und zur Metapher existentieller Erfahrung.

In der "Toten Küste Amrum" treten zum ersten Mal Steine, Felsbrocken auf, dominieren mächtig, fast bedrohlich, den Bildvordergrund. Ist es ein Zufall, daß dies 1969 geschieht? So wesentlich Biographisches für die Autentizität des Schaffens der Künstlerin ist, so seismographisch reagiert sie auf Zeitgeschichte.

Die Steine - ein Motiv, das auch im Spätwerk ihres Vaters eine wichtige Rolle gespielt hat - gewinnen in der Folgezeit zunehmend als Kontrastelemente Bedeutung, werden als dissonante Fremdkörper mit der stimmigen Welt der Stadtlandschaften konfrontiert, erschweren als "Steine des Anstoßes" den sonst vielleicht allzu leichten Zugang zum Bild.

Und sie mutieren zu seltsam unwirklichen kristallinen Gebilden, in denen sich die Natur der Architektur anverwandelt, in denen das Organische sich mit dem Mineralischen verbindet, zu surrealen Chiffren der Metamorphose, der Transparenz und Transzendenz.

Die Kristalle sind die unmittelbaren Vorstufen der Collage-Elemente, die aus Fragmenten zerstörter Arbeiten entstehen und so als neue Perspektive Aspekte der Zeit, der Vergänglichkeit, der Erinnerung und der Verwandlung in die Bilder einbringen. Existentielle Erfahrung von exemplarischer Tragweite sind der Auslöser solcher Bilderfindungen, über die Margarethe Krieger 1980 in einer Zeitungskritik notiert hat: "Im entsetzten Begreifen des Phänomens Tod, dem keiner auszuweichen imstande ist, erst in der Annahme des Unbegreiflichen, definitorisch nicht Faßbaren, hat Brigitte Heiliger-Kramm arbeitend sich selbst gewonnen".

Hans Gercke

 

Biographie

Geboren in Frankfurt Oder

Studium an der Berliner Kunstgewerbeschule bei den Professoren Hans Orlowski und Max Kaus.

Heirat mit Max Kaus

Geburt der Tochter Grazia-Maria

Abbruch des Gesangsstudiums wegen schwerer Krankheit

Trennung von Max Kaus

Begegnung mit dem Bildhauer Bernhard Heiliger, den sie später heiratet

Studienreisen nach Italien, Frankreich und Schweiz

Nach 10 Jahren Trennung von Bernhard Heiliger

Lebt seit 1955 vorwiegend in Heidelberg

1969 Tod des Vaters Willibald Kramm

 

Ausstellungen (Auswahl)

1963 Kunstverein Mannheim

1964 Herbstsalon München

1975 Verleihung des "Willibald-Kramm-Preises"

1994 Heidelberger Kunstverein

Zahlreiche Arbeiten befinden sich in öffentlichem und privatem Besitz, u.a. in der graphischen Sammlung der Bayerischen Staatsgemäldesammlung München und im Kurpfälzischen Museum Heidelberg

 

 

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