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Heidelberger KunstvereinHauptstraße 97
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aktuelle Ausstellung / current exhibition
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition
10.10. - 14.11.1999
Tina JuretzekBrechende Räume
Tina Juretzek, o.T., 1998
Das in den vorausgegangenen Ausstellungen (Martin Disler, Somboon Hormtientong) angespielte Thema "Arbeiten auf Papier" wird weitergeführt mit einer umfangreichen Präsentation der in Düsseldorf lebenden Tina Juretzek, von der im Heidelberger Kunstverein 1990 eine große blaue Arbeit zu sehen war. Blau, die Farbe der Ferne, der Berge, des Himmels, des Wassers und der Quellen, spielt nach wie vor eine wichtige Rolle im Schaffen der Künstlerin, doch treten nun auch Gelb- und Brauntöne, erdfarbene und silberhelle Klänge hinzu. Tina Juretzeks Malerei mag auf den ersten Blick "informell " erscheinen - von daher ergeben sich interessante Anknüpfungspunkte zur Ausstellung "Brennpunkt Informel" des vergangenen Jahres -, doch sind gegenständliche Bezüge, Landschaft und Figur als Ausgangspunkte einer gleichermaßen spontanen wie reflektierenden Malerei, der Künstlerin wichtiger. - Zur Einführung geben wir nachstehend einige Kostproben aus den Katalogtexten:
So gewiß Tina Juretzeks Kunst nicht literarisch im Sinne einer direkten Rückübersetzbarkeit ist, so unbezweifelbar übermittelt sie Botschaften, die sich näherungsweise verbalisieren lassen. Man erfährt von der Schwierigkeit, Orte festzuhalten und sich in Zeit zurechtzufinden, von der Spannung zwischen expressiver Impulsivität und introspektiver Bewußtheit, von der Anstrengung, das Entschiedene auszudrücken und dabei dem Subtilen sein Recht zu sichern. Und man erhält im gleichen Zuge die Gewähr, daß dies alles durch Offenlegung bildnerisch fruchtbar gemacht werden kann - eine Offenlegung, die eine große und nicht einfach als Harmonisierungsvermögen deutbare Gestaltungskraft erfordert. Tina Juretzek hat diese ihr schon immer gegebene Kraft mit den Jahren beträchtlich zu intensivieren verstanden, und alles spricht dafür, daß dieser Prozeß noch nicht abgeschlossen ist.
Peter Anselm Riedl
Zweifellos haben informelle Konzepte und Techniken die Künstlerin beeinflußt - bis etwa das Götzsche Rakel-Verfahren, das sich hier mit ostasiatischen Einflüssen verbindet, dem "Fliegenden Weiß" eines Pinselschwungs, der eine präzise Form bezeichnet, obwohl sich diese nur partiell, als Bewegungsspur, materialisiert. Aber Tina Juretzeks Ansatz ist ein anderer. Betrachtet man ihre Entwicklung, so steht die Beschäftigung mit der Landschaft am Anfang, immer stärker wird und bleibt dann aber das klassische Thema der menschlichen Figur bestimmend, als Gruppe, Einzelfigur oder Büste, ohne daß deswegen der Landschafts-Aspekt aufgegeben werden müßte. Tina Juretzeks Figuren - mehr und mehr abstrahiert, in den Bildgrund eingewoben stehen nie allein, sondern sind charakterisiert durch ihre Einbindung in einen umfassenden, dynamischen Kontext, in ein kommunikatives Geschehen, das isokephale Kompositionen nach Art klassischer "Sacre Conversazioni" ebenso kennt wie vorübergehend auch eine erschreckende Dissoziation der Bildpartikel. Anthropomorphe Stilleben-Elemente, insbesondere Gefäßformen, haben sich schon seit den frühen 80er Jahren dialogisch zur Figur gesellt und sie partiell ersetzt. Zum Teil hat Tina Juretzek eigens Stilleben-Bilder gemalt, nur um sie zerschneiden und in der ihr eigenen Collagen-Technik in andere Kompositionen einfügen zu können. Doch diese Gefäße haben nichts Düsteres, sie funkeln und blitzen, sind dem Wasser und der Sonne verwandter als der Erde - nicht so sehr das Tönen des Tons als vielmehr das Klingen und Klirren des Glases vermeint man zu hören. Das Quell-Thema umfaßt beides: das Dunkle und die strahlenden Helle, Innen und Außen, Oben und Unten, Geist und Materie.
Hans Gercke
Innerhalb des aktuellen Oeuvres der Düsseldorfer Künstlerin Tina Juretzek entstand eine für sie neue - auch kunsthistorisch interessante - besondere Werkgruppe, die hier eigens exponiert werden soll: Es handelt sich dabei um traditionelle Leinwände (auf Keilrahmen Chassis ) mit applizierten Japanpapieren. Vorangegangen war im November/Dezember 1991 eine Einzelausstellung in Osaka. Nicht die Materialnähe und die Ähnlichkeit der Erscheinung bestimmter formaler Phänomene, sondern eine Art innerer Seelenverwandtschaft, die aus dem Gestehungsprozeß selber herrührt, läßt diese Bilder von Tina Juretzek geradezu meditativ/fernöstlich auf uns wirken. Ihre gesamte Erscheinung - auch oberflächenmorphologisch - stellt einen Naturbezug jenseits des Informellen her: Es sind landschaftliche, geologische, kosmologische Anmutungen, auch wenn die Arbeiten nicht - oder selten - durch gegenständliche Titel bezeichnet sind.
Wolfgang Zemter
Die Intensität von Empfindungen der Innen- und Außenwelt verstärkt sich durch das Bewußtsein, die Kontrolle über das bereits entstandene Bild nicht absolut zu besitzen und so in einem mehr offenen und assoziativen Bereich die Verbindungen zwischen den einzelnen Elementen auch - und dies sicher im Sinne der surrealistischen Theorie - dem geplanten Zufall auszuliefern. In diesem Kontext ist es auch nicht ganz abwegig, die Technik der Collage selbst, die Tina Juretzek in ihre malerischen Arbeiten integriert, in dem Kontext surrealer Darstellungsmittel zu bewerten. Denn auch dort hat sich die Collage mit den Einklebungen unterschiedlicher Techniken darauf konzentriert, mehrere Ebenen und größere Tiefe in die Bilder hineinzusetzen, die ungewöhnliche Begegnungen von emotionaler und traumhafter Wirkung auszulösen im Stande sind.
Gabriele Uelsberg
Die Kunst Tina Juretzeks atmet zwei Seelen. Einmal zeigt sich die gestaltschaffende zeichnerische Seite, zum anderen der Zug daraus zur weitgehend abstrahierten Malerei, deren Themen ganz entscheidend Farbe und Raum sind. Sie macht es sich mit diesem - vordergründigen - Zwiespalt nicht leicht, andere in der deutschen Malerei waren mit solchem Konflikt schneller fertig. Es zeichnet Tina Juretzek aus, daß sie in einer Zeit schneller stilistischer Festlegungen am Ringen um ihre eigene Kunst festhält, sich nicht in die so geläufigen Schemen und Schubladen pressen läßt.
Heinz Höfchen
Tina Juretzek - Biographie
1952 geboren in Leipzig1958 Umsiedlung nach Essen
1972 Abitur
1971 - 78 Studium an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf bei Günter Grote
1983 Förderpreis der Jury, Stadtsparkasse Karlsruhe
1984 Kaiserring-Stipendium, Goslar
1986 6. Triennale - India, New Delhi, Indien
1987 Arbeitsstipendium der Aldegrever-Gesellschaft, Münster
1989 Bergischer Kunstpreis, Solingen
1991 Malerei Workshop am Osaka College of Art, Japan
1993 Reisestipendium und Malersymposium, Goethe-Institut Madras, Indien
1998 Mitglied im Westdeutschen Künstlerbund
Tina Juretzek lebt und arbeitet in Düsseldorf