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Heidelberger Kunstverein

Hauptstraße 97
69117 Heidelberg
Tel. 06221 - 18 40 86: Fax 06221 - 16 41 62
Di - So 11 - 17 Uhr, Mi 11 - 20 Uhr
hdkv@hdkv.de
www.hdkv.de
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20.2. - 19.3.2000


Johann Kresnik

Choreographische Skizzen und Zeichnungen

 

Daß von Johannes Kresnik, dem eigenwilligen Regisseur und Choreographen, ein bemerkenswertes zeichnerisches Werk existiert, war bis vor kurzem noch völlig unbekannt. Er selbst hat um die zahllosen Skizzen, die er seit den 70er Jahren zu fast allen Stücken anfertigte und die er vor allem als Arbeitsmaterial betrachtete, nie ein besonderes Aufsehen gemacht. Es ist das Verdienst der Kunsthistorikerin Ulrike Lehmann, den eigenständigen Wert dieser Arbeiten erkannt und in einer Ausstellungsreihe zum 60. Geburtstag des Künstlers der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben. Die Arbeiten, die an den wichtigsten Orten der Tätigkeit Kresniks gezeigt werden - in Klagenfurt, der Hauptstadt des Landes, in dem Kresnik 1939 geboren wurde, in Köln, wo er 1964-68 als Solotänzer arbeitete und 1967168 im Zeichen der Studentenrevolte seine ersten Inszenierungen realisierte, in Bremen, wo er 1968- 78 und noch einmal 1989-94 Leiter des Tanztheaters war und in Heidelberg, wo er 1979-89 mit Familiendialog, Pelleas und Melisande, Hamletmaschine, Arturo Ui, Sylvia Plath, Pasolini, Mörder Woyzeck, Macbeth, Oedipus, Germania Tod in Berlin und König Ubu das lokale Publikum faszinierte und schockierte - belegen die an der bildenden Kunst orientierte Ausgangsposition der Kresnikschen Choreographie (,getanzte Bilder") und auch die Verwurzelung seiner Kunst in einer spezifisch österreichischen Tradition. - Zur Einführung hier ein paar Zitate aus dem reichhaltigen Katalogbuch:

Kresnik, der neben Pina Bausch der bekannteste deutsche Choreograph ist, wird häufig als "enfant terrible" der Theaterwelt angesehen, er wird als "Berserker" und l,Brutalo" bezeichnet. Er wird beschimpft, aber gleichzeitig mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Kresnik spaltet sein Publikum seitjeher, seit nunmehr dreißig Jahren. Doch die Beschimpfungen richten sich vorwiegend gegen seine Gewaltdarstellungen, das viele Blutvergießen auf der Bühne und - verstärkt in der letzten Zeit - die scheinbare Oberflächlichkeit seiner Äußerungen. Seine Bildwelten mit ihren hohen symbolischen Bedeutungen und seine inhaltlichen Ambitionen machen den Zuschauer jedoch tief betroffen.
Ulrike Lehmann

Die Bilder brennen. Kaum ein Zuschauer kann sich der verstörenden Darstellung von "Menschenwelt" durch den Choreographen Johann Kresnik entziehen. Unbändiger Zorn, Wahnsinn, Wut, Todessehnsucht und immer wieder das Aufbegehren gegen politische und gesellschaftliche Mißstände machen das "Choreographische Theater" Kresniks zu einer der radikalsten künstlerischen und politischen Theateruntemehmungen und seinen Autor zu einem der produktivsten Unruhestifter der deutschen Tanz- und Theaterszene.

Thomas Thorausch

 

Kresnik nähert sich seinen Stücken stets auf der visuellen Ebene. Er hat ein starkes Gefühl für das, was er sagen möchte und warum er es sagen möchte, aber er legt sich nicht von vornherein auf das Wie fest. Kresnik begeistert sich für solche Bilder; in den Gesprächen mit Mitarbeitern beschreibt er sie immer wieder, noch mehr aber zeichnet er sie. Das scheint überhaupt das Charakteristische an der Arbeitsweise Kresniks zu sein. Kaum eine Szene entsteht, die er nicht zuvor gezeichnet oder skizziert hat.

Anja von Witzler

 

Die Kunst von Geisteskranken fasziniert ihn besonders. Die phantasiereichen Bilder von Schizophrenen sind u.a. geprägt von archaischen Symbolen, Symbolbildungen, Verschmelzungen bekannter Bilder zu einem neuen Bild sowie einer unvermittelten Ausdrucksweise innerer Bilder: Bereits sein erstes eigenes Stück 0sela pei (Köln 1967) war eine Collage von Schizophrenen aus einem Buch von Leo Navratil. Kresnik besuchte häufig das Künstlerhaus in Gugging und erwarb einige Originalzeichnungen der dort leben den Künstler, die noch heute bei ihm zuhause hängen. Aber auch der frühe Dali, Ilya Kabakov (der nach Kresniks Wunsch eigentlich das Bühnenbild zu Ernst Jünger inszenieren sollte) oder Edward Kienholz sind für Kresnik wichtige Künstler.

Durch das Zeichnen nähert er sich gewissermaßen an den Inhalt und die bildnerische Umsetzung des Stoffes an. Häufig entstehen diese Zeichnungen beiläufig, nebenbei, aber auch direkt vor und während der Probe.

Das Zeichnen oder Malen geschieht jedoch nicht immer nur kontext- und anwendungsbezogen auf ein bestimmtes Stück. Es ist für Kresnik eine andere Form der künstlerischen Ausdrucksweise, die jedoch stilistisch und thematisch mit seiner darstellenden Kunst"Hand in Hand" geht.

Seine visuelle Ästhetik und Imaginationskraft, seine Bilderwut, die mit äußerster Präzision gekoppelt ist, ist überwältigend. Für einige wirkt sie abschreckend und angsterzeugend, für manche mag sie vielleicht sogar eine hypnotische Wirkung haben. Faszinierend und nachdenklich stimmend sind Kresniks Bilder auf jeden Fall. Sie appellieren an unser historisches Wissen und Gewissen. Mit der Fülle von Leid, Brutalität und Gewalt mahnen sie uns zu Gewaltlosigkeit im Dialog mit anderen.

Ulrike Lehmann


Eröffnung: Sonntag, 20. Februar, 11 Uhr

Begrüßung: Hans Gercke

Einführung: Dr. Ulrike Lehmann

Katalog: DM 39

Führungen:
So., 27. 02., 11 Uhr Hans Gercke
So., 05. 03., 11 Uhr Dr. Christmut Präger
So., 12. 03., 11 Uhr Christine Breitschopf
Mi., 15. 03., 18 Uhr Christine Breitschopf

 

Johann Kresnik, "Liebe" 1994
Johann Kresnik, "Männerkopf mit Vogel im Mund", 1994
Porträt des Künstlers

Biographie

1939 geboren in St. Margarethen, Kämten
1955-58 Lehre als Werkzeugmacher
1958 Statist an den Vereinigten Bühnen, Graz
Beginn einer Tanzausbildung bei Rein Esté
1959 Gruppentänzer in Graz
1960 Wechsel ans Theater der Freien Hansestadt Bremen
1962 Engagement an den Bühnen der Stadt Köln
1964-68 SolotänzerinKöln
1967 Beginn eigener choreographischerArbeiten
1968-78 Choreograph und Ballettdirektor des Bremer Tanztheaters
1974-78 Zugleich Gastchoreograph in Wien u.a.
1979-89 Leiter des Tanztheaters und Regisseur am Theater der Stadt Heidelberg
1989-94 Leiter des Tanztheaters und Regisseur am Bremer Theater
seit 1994 Choreograph mit eigenem Ensemble an der Volksbühne Berlin

Zahlreiche Gastspiele im In- und Ausland Zahlreiche Preise und Auszeichnungen so zuletzt 1998 Würdigungspreis des Landes Kämten

 

 

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