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Künstlerhaus Bethanien

Mariannenplatz 2
10997 Berlin-Kreuzberg
Tel. 030 - 616 90 30; Fax 030 - 61 69 03 30
Mi - So 14 - 19 Uhr
www.bethanien.de
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition

 

 

23.5. - 29.6. 1997


Jürgen Baldiga

Eine Retrospektive

 

 

Jürgen Baldiga hat in der kurzen Zeitspanne zwischen 1985 und seinem Tod 1993 in überzeugender Subjektivität ein Bild seiner Lebenswelt geschaffen, das mit großer Prägnanz das Lebensgefühl einer kaum vergangenen Zeit dokumentiert. Baldigas Arbeit erlangte durch eine Reihe von Veröffentlichungen (u.a. "Was Besseres als den Tod finden wir allemal", 1992) und kleinere Ausstellungen bereits zu Lebzeiten öffentliche Aufmerksamkeit.
Dominiert durch die Person Baldiga - sein offensives Auftreten als Schwuler, HlV-Positiver und Aidskranker - wurde seine schwarzweiße Bilderwelt immer wieder mit denselben Etiketten bedacht. Ob als würdige Darstellung gesellschaftlicher Randgruppen gepriesen oder als bloße Provokation kritisiert, immer orientiert sich die Betrachtung an bevorzugten Motiven wie Freaks, Tunten, Schwulen oder Aidskranken. Die Ausstellung in Studio I des Künstlerhauses Bethanien will mit einem Überblick über das gesamte Werk die Qualitäten der eindringlichen Porträtkunst Baldigas aufzeigen, die mit den geläufigen Kategorisierungen ("Aids-Fotografie", "Schwulenkunst", "Sozialkritik", "Bürgerschreck") nicht erfaßt sind. Die vermeintliche Provokation von Baldigas Bildern ist bloß authentisch, bleibt als Stilisierung durchschaubar. Gegenstand der Fotografien sind vor allem die Menschen, die er beobachtete. Die radikale Neugier des Fotografen gilt dem Posieren seiner Modelle im spannungsreichen Spiel vor dem Objektiv, zwischen körperlicher Verfügbarkeit und dargestelltem Selbstbewußtsein. Beispielhaft für Baldigas Haltung als Fotograf sind seine "Dirty Pictures". Diese körperlichen Zurschaustellungen sind nicht vom Fotografen inszeniert. Bisweilen entspringen sie der Intimität von Liebhabern, oder dokumentieren die Selbstinszenierung eines Modells. Das Bild ist Ergebnis eines gleichberechtigten Dialogs, der Ironie zuläßt. Dasselb gilt für jene Porträtierten, die wie Baldiga HIV-positiv oder an Aids erkrankt waren. Einzig gültige Grenze für Baldigas radikale Neugier, seinen Hang zu Kitsch und Pathos ist stets die Achtung der Würde der Dargestellten: sie ist unverletzbar. In der Annäherung an Baldigas Werk folgt die Ausstellung Themengruppen, die sich zum Teil an seinen Veröffentlichungen orientieren und an Motiven wie Porträts, Selbstbildnissen oder den szenischen Adaptionen von Gemälden Caravaggios. Neben einer Bestandsaufnahme des hinterlassenen Werks gilt ein zweiter Teil der Ausstellung der Rekonstruktion von Präsentationsformen, die Baldiga entwickelte: unter anderem die zu "Ikonen" gestalteten Porträts.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (220 Seiten, ca. 200 Abb., zahlreiche Textbeiträge). Ausstellung und Katalog wurden ermöglicht durch eine Zuwendung der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin.

 

 

 

23.5. - 29.6. 1997


einhundertneununddreißig jahre homo

Ein Videoprogramm, zusammengestellt und eingeführt
von Manfred Hermes (Köln)

 

 

Do, 22.5. 1997, ab 19 Uhr, im 2. OG
Eröffnung des Videocafés

 

Gleichfalls am 22. Mai eröffnet der Freundeskreis des Künstlerhauses Bethanien sein Videocafé im 2. OG., das zukünftig die Ausstellungen des Hauses mit Videofilmen begleiten und ergänzen wird. Vom 23. Mai bis 29. Juni wird die von Manfred Hermes (Köln) zusammengestellte Videofilmreihe einhundertneununddreißig jahre homo begleitend zur BaldigaRetrospektive gezeigt werden. Am 4. Juni um 20 Uhr findet dazu in Studio II eine Einführung von Manfred Hermes statt.

 

In Studio III führt die Mailänderin Laura Ruggeri ihr Projekt Abstract Tour Operator Part2 fort: in einem Container auf dem Schloßplatz in Berlin-Mitte hatte sie vier Wochen lang (12. April bis 11. Mai) ein Reisebüro betrieben, das den Besuchern abstract tours individuell und jeweils neu erzeugte Stadtrundgänge anbot. Die mittels geometrischer Formvorlagen auf Berliner Stadtpläne aufgezeichneten Routen richteten sich im Gegensatz zu den üblichen touristischen Stadtrundgängen weder nach historischen noch architektonischen oder städtebaulichen Gegebenheiten, sondern ausschließlich nach der abstrakten, zu Papier gebrachten geometrischen Form. Gelegenheit für die Absolventen einer solchen Tour, völlig neue, unerwartete Aspekte des Stadtraums zu erfahren. Ruggeri tritt mit ihrer Aktion dem touristischen und architektonischen Zentralismus entgegen, der nur vorgefertigte Erfahrungen vermittelt und Zufälliges gänzlich ausschließt. In StudioIII will Laura Ruggeri kein abgeschlossenes Projekt dokumentieren, sondern ein Forum für den aktiven Austausch aller Absolventen ihrer abstract tours herstellen, zu denen stets weitere hinzukommen können: Stadtpläne sind weiterhin verfügbar. Sie will eine Arena schaffen, die es erlaubt, während der Rundgänge gesammelte "Fundstücke"b öffentlich zu machen, in Beziehung zu setzen, über Erfahrungen zu reflektieren und sie auszutauschen. Alle Rundgang-Teilnehmer sind eingeladen, ihre Notizen, Fotos, Videoaufnahmen, unterwegs eingesammelte Objekte etc. hier vorzustellen für eine Stunde, einen Tag, oder die gesamte Dauer der Ausstellung. Ruggeri enthält sich bewußt jeglicher Vorgaben und Eingriffe und überläßt es den Teilnehmern, aktiv den Raum als ihr Forum zu gestalten und damit das Projekt fortzuführen. Zur Eröffnung am 22. Mai findet ein Vortrag von Laura Ruggeri über das Projekt statt (in englischer Sprache).

 

Galerie Herslebsgate 10B zeigt in Studio 227 ebenfalls ab 22. Mai "Mål lås" (sprachlos), eine neue Arbeit der schwedischen Künstlerin Ebba Matz. "Mål lås" beschäftigt sich mit sprachlichen Kommunikationsbarrieren und der scheinbar unlösbaren Aufgabe, eine innere, oft abstrakte und rein emotionale Art der Reflexion in ein festgeschriebenes, klar lesbares Statement zu übersetzen. Ebba Matz ist derzeit für ein Jahr als Stipendiatin im Rahmen des schwedischen Länderprogramms am Künstlerhaus Bethanien zu Gast.

Am 29. Mai präsentiert die Galerie Herslebsgate 10B die international arbeitende Künstlerin Moo McRobin. 1966 in Hongkong geboren, entwirft McRobin inszenatorische Installationen, die mit den sensorischen Wahrnehmungsebenen des Menschen spielen. Diese "psychomechanic spaces" konfrontieren den Betrachter mit den eigenen Erfahrungswelten und thematisieren dahingehend den Automatismus der Psyche in Bezug auf den unbewußten Dialog zwischen Signal und Kontrollinstanz.

 

 

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