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Kunstforum Ostdeutsche Galerie
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93049 Regensburg
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6.2. - 26.3.2000
Edmund KieselbachHORCHEN
H O R C H E N ist ein Klangprojekt, das Edmund Kieselbach 1998/99 für den Ausstellungssaal des Museums Ostdeutsche Galerie entwickelt hat. 50 etwa zweieinhalb Meter lange Röhren aus Plexiglas oder PVC-Rohr mit einem Durchmesser von ca. 10 Zentimetern sowie 6 Objekte von 5,30 Meter Länge werden in dem rund 7 Meter hohen, 23 Meter breiten und 10 Meter tiefen Saal mit gegenüber liegenden Glastüren parallel und gegenläufig installiert. Programmierte Ventilatoren "bespielen" die mit Schlitzen, Löchern und Schiebern empirisch - also durch Ausprobieren - "gestimmten" Röhren, in denen sich Schwingungen aufbauen. Diese Schwingungen verselbständigen sich, wobei durch die Programmierung der Ventilatoren ein 20minütiges Klangbild entsteht. Klaus Hinrich Stahmer hat für den Eröffnungstag am 6. Februar 2000 ein Konzert für diese Klanginstallation und einen Akkordeonpart komponiert.
Der Ausstellungssaal des Museums ist eine Herausforderung an den Klangkünstler. Denn der helle Raumkubus mit beleuchteter Glasdecke und einem Fußboden aus Solnhofener Platten ist eigentlich eine akkustische Katastrophe: In leerem Zustand ist der Hall so groß, daß sich zwei Menschen auf einer Distanz von 8 Metern nicht unterhalten können. Klassische Orchesterkonzerte können hier nicht stattfinden. Kieselbachs Klangröhren sind jedoch nicht auf komponiertes Tonmaterial abgestimmt. Sie sind Horch-Objekte, die auf nichts weiter als auf den Luftstrom reagieren und damit physikalischen Gesetzen "gehorchen", die der Künstler jedoch nicht weiter beeinflussen will. Der Raum wird die entstehenden Klangschwingungen aufnehmen und in den Luftstrom zurückschicken. Das "Horchen" vom kaum hörbaren Luftstrom bis hin zu den sich im Raum aufbauenden Schwingungen wird zum Erlebnis für den Zuhörer und die Betrachter. H O R C H E N ist nicht zuletzt ein lautmalerischer Begriff.
Die Klanginstallation im Ausstellungssaal, von dem aus man durch die Glastüren StifWIg de, des Skulpturensaals in die gestaltete Natur des Regensburger StadtparkS bürgerlichen Rechts hinausblick, korrespondiert mit dem "4-Säulen-Horchobjekt", das während der Ausstellung unter der Jugendstilkuppel im Foyer plaziert ist und zu dem man durch die Glastüren ebenfalls Blickkontakt hat. Hier vvird ein Luftraum von ca.12 Metern Höhe über zwei Stockwerke und den Kuppelraum hinweg bespielt. Durch die Dominanz der Architektur hat dieses auf Ventilatoren gestellte Klangobjekt stärker den Charakter eines plastischen Kunstwerks.
Was geschieht nach der Ausstellungsdauer mit der Installation? Sie ist in den Stadien des Entstehens und als fertige Installation fotografiert, der Klang auf der dem Katalog beigegebenen CD festgehalten. Demontiert wird sie aufgrund ihrer Größe wohl wie fast alle von Kieselbach geschaffenen Klangobjekte nicht überdauern. Nur wenige Objekte sind nach dem Abbau ins Museum oder zurück ins Atelier gewandert. Der vorliegende Katalog dokumentiert Kieselbachs Arbeiten auf diesem Gebiet jedoch erstmals zusammenfassend und so vollständig wie möglich.
"Mit unserem für den Februar 2000 anberaumten Regensburg-Projekt stehen emeut Erkundungsreisen in musikalisches Neuland ins Haus: Edmund Kieselbach hat mir im Frühjahr 1999 von seinen neuesten Klangobjekten berichtet, deren Wirkung ich wenige Wochen später "vor Ort", dh. in seinem Atelier, erleben und an mir selbst ausprobieren konnte. Dabei war mir Edmunds Maxime "Vom Hören zum Horchen" besonders wichtig: "Horchen - welch ein Unterschied zum Hören!" sagt er und meint damit das sensible "Sich-Ausliefern" und "Sich-Anvertrauen" des Rezipienten an das Kunstwerk. Was man zu Sehen bekommt, ist eher karg, oder sagen wir besser funktional.- lange im Raum verlegte Rohre von eindeutig industrieller Fertigung und praktischer Nutzung. Sie sind kaum erkennbar absichtsvoll im Atelier aufgestellt und vermitteln eher den Eindruck eines Labors. Von Schönheit ist da zunächst wenig zu merken. Doch sobald der Künstler die Ventilatoren einschaltet, die als kleine Gebläse die Rohre mit Luftzufuhr versorgen, offenbart sich der Sinn des Ganzen. Nicht auf Anhieb, sondem nach und nach und mit Langzeitwirkung. Der ganze Raum gerät in Vibration und übemimmt die Frequenzen, die orgelpfeifen-ähnlich aus den Rohren kommen, und mit den Raumschwingungen wird auch der Atelierbesucher in Vibrationen versetzt: Grundton und Obertöne in bemerkenswerter Reinheit und Klarheit. Dadurch, daß es mehrere Rohre von identischer Länge und Frequenz sind, die mittels mehrerer Gebläse angeregt werden, schaukelt sich das Hörphänomen zu ungeahnter Dichte und Intensität auf. Gemessen an der Klangvielfalt früherer Arbeiten von Edmund Kieselbach ist hier in einer der konsequentesten Arbeiten des heute Zweiundsechzigjährigen eine unglaubliche Konzentration auf Wesentliches eingetreten, die der Künstler mit eigenen Worten so wiedergibt: `Das Material ist so stark reduziert, so zurückgenommen, so befreit von allen Zusätzen, daß das Wenige, das Neue, das Ausreichende das Ziel ist, der eine Ton". Nicht die Objekte im Raum sind es, die eine Faszination ausüben, sondem es ist der Raum selbst, der Raum in seiner Summierung von Schwingungen. Aus dem betrachtenden Zuhörer (oder zuhörenden Betrachter) wird ein Horchender, der an sich selbst erlebt und spürt, wie er allmählich auf den Grundton eingestimmt und mit dem oszillierenden Obertonspektrum im Einklang ist. Der Horchende selbst und das in ihm sich ereignende Hörerlebnis ist das Ziel der Arbeit von Edmund Kieselbach, nicht so sehr das von diesem per Auge und Ohr wahrzunehmende Objekt.
(Aus dem Katalogbeitrag von Klaus Hinrich Stahmer)
Eröffnung: Sonntag, 6.2.2000, 11 Uhr, mit einem Konzert von Klaus Hinrich Stahmer für die Klanginstallation von Edmund Kieselbach und Akkordeon. Am Akkordeon Stefan Hussong, Trossingen
Begrüßung und Einführungen:
Dr. Axel Feuß, Wissenschaftlicher Direktor
Prof. Dr. Klaus Hinrich Stahmer, Hochschule für Musik, Würzburg
Katalog: ca. 100 Seiten, mit Beiträgen von Axel Feuß, Edmund Kieselbach, Ines Kohl und Klaus Hinrich Stahmer und einer beiliegenden CD mit Kompositionen von Klaus Hinrich Stahmer und Edmund Kieselbach
Ein Klangprojekt für den Ausstellungssaal des Museums Ostdeutsche Galerie in Regensburg
16. 3. 2000
VortragWieland Schmied
Zyklus, Zeit und Ewigkeit im Werk von Caspar David Friedrich