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Kunstforum Ostdeutsche Galerie
Dr.-Johann-Maier-Str. 5
93049 Regensburg
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Di - So 10 - 17 Uhr, Do bis 20 Uhr
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27.01. - 10.03.2002
Emil Orlik und das Theater
Eine Ausstellung aus dem Bestand der Graphik-Sammlung des Museums Ostdeutsche Galerie
1930 lithographiert Emil Orlik (1870-1932) ein Selbstbildnis, das umgeben von gezeichneten Visionen, wie in einer Rückschau die unterschiedlichen Schaffensphasen des Künstlers illustriert. Neben einer Aktdarstellung, Portraitköpfen und der Gestalt eines Chinesen dokumentieren das unverkennbare Profil Max Reinhardts sowie eine Figur mit Schellenkappe und Maske Orliks Verbindung zum Theater. Sein vielfältiges Schaffen, in einem Zeitraum von etwa 1888 bis 1932, umfaßt Bühnenbilder, Kostümentwürfe, Portraits und Rollenportraits, Szenenbilder von Proben und Aufführungen, Gebrauchsgraphik wie Theaterplakate, Exlibris, Einbandentwürfe für Buch- und Programmhefte, Einladungs-, Eintritts- und Menükarten. Wichtige Anregungen gingen in diesem Zusammenhang von Orliks erster Japanreise 1900/01 aus, die neben Portraits von japanischen Schauspielern auch Szenen aus dem No-Theater vermitteln und für die spätere Theaterarbeit in Berlin nicht ohne Einfluß sind. Entscheidend für seine künstlerische Entwicklung aber ist die Begegnung und lebenslange Verbundenheit mit dem Schauspieler, Regisseur und Theaterleiter Max Reinhardt (1873-1943) und die Freundschaft zu Gerhart Hauptmann (1862-1946). Dichter und Regisseur hat Orlik immer wieder in vielen Portraits festgehalten und ihr künstlerisches Schaffen für die Bühne zeichnend begleitet. So wird eine öffentliche Lesung von Hauptmanns umstrittenem Drama Die Weber durch Max Reinhardt, 1897 in Prag, Anlaß für die Entstehung des berühmt gewordenen Weber-Plakats, das gleichzeitig zu einer ersten Begegnung mit Max Reinhardt und Gerhart Hauptmann führt. Der mit Bleistift skizzierte Plakatentwurf vermittelt bereits den agitatorischen Kampfgeist der Masse und erweist dem sozialkritischen Charakter des Stückes seine Referenz. In einem Brief an Hauptmann vom August 1897 bekennt sich Orlik zu einer ehrliche(n) Arbeit, spontan geschaffen in der Begeisterung für Ihre "Weber". In dieser Zeit, 1896, entsteht auch ein Szenenentwurf zu einer Aufführung von Max Halbes Jugend im Deutschen Theater Berlin oder im Deutschen Volkstheater Prag, dort gespielt vom Berliner Gastspielensemble, einer Gruppe junger Schauspieler um Max Reinhardt, die in der spiel- und gagenfreien Zeit nach Prag, Wien und Budapest reisen, um dort, mit Werken vornehmlich naturalistischer Dichter, eigene Ideen umzusetzen. Der Schauspieler Eduard von Winterstein erinnert sich an ein Gastspiel im Sommer 1899: Wir waren immer beisammen: die Ehepaare Friedrich Kayßler und Richard Valentin, Max Reinhardt, Paul Biensfeldt, Woldemar Runge, ich, Else Heims, Maria Eisinger und Minna Höcker-Behrens. Sehr oft war ein junger, damals noch völlig unbekannter Maler aus Prag mit von der Gesellschaft: er hieß Emil Orlik.
Zu den frühen Wegbegleitern gehört auch der Schriftsteller, Kritiker, Lektor und zeitweise Regisseur Hermann Bahr (1863-1934). Als sogenannter Prophet der Moderne setzt sich Bahr vor allem für die Ausprägung einer unverwechselbar österreichischen Kunst und der Förderung einer neuen Künstlergeneration in Österreich ein. 1906 folgt er der Aufforderung Max Reinhardts in Berlin als Regisseur tätig zu werden und inszeniert, im gleichen Jahr, sein Drama Ringelspiel mit Bühnenbildern von Orlik. Als Reinhardt 1910, die von Hugo von Hofmannsthal (1874-1929) bearbeitete Fassung des antiken Dramas König Oedipus in die Arena des Zirkus Schumann in Berlin verlegt, dokumentiert Orlik dieses herausragende Theaterereignis als zuschauender Beobachter in Zeichnungen und Lithographien. Vor allem der Blick aus dem Zuschauerraum in die Arena gibt die Dimensionen des Spielortes wieder, von deren Wirkung auch das antike Theater geprägt war. Denn im amphitheatralen Rund der Zirkusarena ist der Schauspieler vom Publikum umgeben und die Grenze zwischen Bühne und Zuschauerraum durchbrochen. Illusionierende Dekorationen treten hinter dem Spiel des Schauspielers zurück, so daß die eigentliche Wirkung vom Wort ausgeht. Reinhardts Regie der Massen erreicht in dieser Aufführung ihren Höhepunkt und begründet, neben der szenischen Gestaltung, seinen Weltruhm. Das Portrait nimmt im Oeuvre von Orlik eine bevorzugte Stellung ein. Im Hinblick auf das Theater entstehen eine Vielzahl von Schauspieler- und Rollenportraits, Bildnisse von Regisseuren, Bühnenbildnern, Komponisten, Dichtern und Kritikern, die, über den dokumentarischen Wert hinaus, Orliks vielseitige, teilweise freundschaftlichen Beziehungen im Umkreis des Theaters widerspiegeln. Persönliche Verbundenheit kennzeichnet auch das lithographierte Portrait der Schauspielerin Tilla Durieux (1880-1971), das ebenfalls die Buchausgabe Spielen und Träumen von 1922 einleitet und neben einem autobiographischen Text der Künstlerin noch fünf weitere Portraitradierungen enthält. Doch nicht nur Portraits auch Kostüme, wie für die Rolle der Königin im gleichnamigen Drama von Theodor Wolff, 1911 in den Kammerspielen Berlin oder die Gastspielrolle der Katharina in Max Dauthendeys, Spielereien einer Kaiserin im gleichen Jahr in München, hat Orlik für die Schauspielerin entworfen. In ihren Erinnerungen schreibt Tilla Durieux: Der Maler Emil Orlik erbot sich, mir bei meinen Kostümen zu helfen, die bei Gastspietrollen natürlich von mir mitgebracht werden mußten. Und so entstanden unter seiner Beratung im Atelier für Theaterkleidung Ferch & Flotow Kostüme von seltener Pracht. Das Rollenportrait als eine spezifische Weiterführung des Portraits, erfaßt über das wahrheitsgetreue Abbild eines Menschen hinaus seine mimische Verwandlung. Sein Charakter ist ambivalent, denn der "Maske" leiht der Schauspieler seine eigenen Züge, die im Rollenportrait mehr oder weniger durchscheinend sind. Das belegen eindrucksvoll die Zeichnungen von Ernst Deutsch (1890- 1969) als Baruch aus dem Film Das Alte Gesetz, 1923, Fritz Kortner (1892-1970) und Elisabeth Bergner (1897-1986) als Shylock und Porzia in Der Kaufmann von Venedig, 1927 am Staatsthea-ter und die Vorzeichnung Werner Krauss (1884-1959) als Schigolch in Wedekinds, Die Büchse der Pandora, 1918 im Kleinen Schauspielhaus Berlin. Der Wedekind-Inszenierung unter der Regie von Carl Heine widmet Orlik auch ein Mappenwerk mit zehn Lithographien, das 1919 im Verlag Neue Kunsthandlung erscheint. Darüber hinaus entstehen weitere Mappen zu bestimmten Inszenierun gen und dem skandalumwitterten Reigen-Process von 1921, die trotz der subjektiven Sicht und Auswahl des Künstlers, als theaterhistorische Dokumente gewertet werden können. Orlik war ein vielseitig begabter, dem Neuen gegenüber aufgeschlossener Künstler, der dem Regietheater Max Reinhardts und seinen zukunftsweisenden ästhetischen Forderungen für Bühne entsprechen konnte und gleichzeitig als dessen zeichnender Chronist, eine bis heute wirkende Theaterära festhielt.
Eröffnung: Sonntag, 27. Januar 2002, 11.00 Uhr
Begrüßung: Dr. Pavel Liska, Wissenschaftlicher Direktor
Dr. Ingrid Stilijanov-Nedo, Graphik-Sammlung
Einführung: Birgit Ahrens, Hamburg
Präsentation der soeben erschienenen Publikation von Birgit Ahrens "Denn die Bühne ist der Spiegel der Zeit. Emil Orlik und das Theater", die zur Ausstellung vorliegt (EUR 48,90).