german galleries / index cities / index galleries / index artists / index Karlsruhe
Staatliche Kunsthalle KarlsruheHans-Thoma-Straße 2
76133 Karlsruhe
Tel. 0721 - 926 31 88; Fax 0721 - 926 67 88
E-mail: info@kunsthalle-karlsruhe.de
Di - So 11 - 18 Uhr, Mittwoch 11 - 20 Uhr
http://www.kunsthalle-karlsruhe.de
aktuelle Ausstellung / current exhibition
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition
30.04. - 26.06.2005
Jean Dubuffet
"Er hat die Sandalen ausgezogen"
"Warum reisen Sie nicht? - Reisen Sie wie ich in das Land der Fliegen, in das Land der wochenlangen Sandstürme, in das Land mit dem Backofenklima, in das Land der Lüge, der Honiggrimassen und der raffinierten Berufsbettelei? Ins Land der Null und der großen Nulli-fizierung?" (Jean Dubuffet)
Der französische Maler Jean Dubuffet (19011985) hat diese Ankündigung wahr gemacht. In den zwanziger Jahren und mehrfach erneut zwischen 1947 und 1949 reiste er nach Algerien. Was er dort suchte, ging weit über den seit dem 19. Jahrhundert geläufigen Reiz des Exotischen hinaus: Sein Ziel war es, zu den Urzuständen und Grundbedürfnissen der Menschen vorzudringen. Die unberührte Natur und die archaische Lebensweise der Beduinen inspirier-ten ihn zu einer neuen, zivilisatorisch noch unverdorbenen künstlerischen Ausdrucksform. Vor Ort und in seinem Pariser Atelier entstand dann eine Gruppe von Werken, die sich mit der Orientthematik beschäftigt. Um zwei herausragende Gemälde Dubuffets, "Il a oté les naïls" (Er hat die Sandalen ausgezogen) von 1947 aus der Hamburger Kunsthalle und "Arabe aux traces de pas" (Araber mit Fußspuren) von 1948 aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, gruppiert sich diese Kabinett-Ausstellung mit vier Gemälden und rund einem Dutzend Gouachen und Zeichnungen des Künstlers.
Die Arbeiten zeugen von Dubuffets Auseinandersetzung mit seinen Algerienreisen. Aus ein-fachen Umrisslinien formt er Bildgegenstände, die Vorstellungen vom "Orient" wachrufen, beispielsweise Palmen, Kamele, Sandwüste und geschwungene Spitzbögen, die für die islamische Architektur stehen. Das Urtümliche der Motive geht dabei mit der Einfachheit der Form überein und ist doch alles andere als naiv: feinsinnig in der Setzung der Farbwerte und voller Bildwitz. Dubuffet strebte einen radikalen Bruch mit der traditionellen französischen Malweise und der westlichen Hochkunst insgesamt an. Er reduzierte seine Motive auf ein Minimum, dennoch blieben sie genau benennbar.
Analytisch setzt sich die Ausstellung mit der Herkunft der Motive auseinander, die für Dubuf-fet den "Orient" konstituieren. Seinen Arbeiten werden einige Wüstenbilder des 19. Jahr-hunderts gegenübergestellt. Damals reisten Künstler aus Europa im Auftrag oder zumindest im Schutz der jeweiligen Kolonialmächte (vor allem England und Frankreich) nach Nordafrika und hielten die fremde Welt in Szenen von fotorealistischer Genauigkeit fest. Ihre Arbeiten sind von einem illusionistischen Tiefenraum bestimmt und zeugen von minutiöser Detailver-liebtheit der Künstler, Dubuffet dagegen arbeitet mit grobem Malmaterial, spröden Erdfarben und reduzierten Kürzeln. Umgekehrt stellen die naturnahen Darstellungen der Maler des 19. Jahrhunderts häufig einen idealisierten Phantasie-Orient vor, während Dubuffet durch die Wiedergabe ethnographisch präzise benennbarer Objekte und Praktiken verblüfft.
In Bezug auf seine Maltechnik war Dubuffet zu einer neuen, noch unverbrauchten Aus-drucksweise gelangt. In mehreren Arbeitsschritten legte er einzelne Farbschichten übereinander, in die er im Nachhinein seine Formen ritzte.
Ein umfangreiches Begleitprogramm sowie eine anregende Inszenierung, die sowohl in Dubuffets Atelier als auch in die "Wüste" führt, vermittelt Kindern und Erwachsenen ver-schiedene Facetten seiner Kunst und die Bedeutung der Algerienreisen für sein künst-lerisches Schaffen.
Die Ausstellung wurde in der Hamburger Kunsthalle vorbereitet, wo sie bis 10. April 2005 zu sehen war. Eine Publikation zur Ausstellung ist zum Preis von 8 Euro erhältlich.
Vorträge im Rahmen der Ausstellung:
Mittwoch, 1.6.2005, 20 Uhr, Prof. Dr. Werner Schnell: Ein gerissener und wieder verknoteter Traditionsfaden Dubuffet und die Orientalisten
Mittwoch, 22.6.2005, 20 Uhr, Prof. Dr. Andreas Franzke: Jean Dubuffet Ein ÜberblickPressekonferenz am Donnerstag, den 28. April 2005, 11 Uhr