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Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Hans-Thoma-Straße 2
76133 Karlsruhe
Tel. 0721 - 926 31 88; Fax 0721 - 926 67 88
E-mail: info@kunsthalle-karlsruhe.de
Di - So 11 - 18 Uhr, Mittwoch 11 - 20 Uhr
http://www.kunsthalle-karlsruhe.de
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27.11. 2004 - 10.01. 2005

Camill Leberer

Zeichnungen

Der in Stuttgart lebende Camill Leberer (geb. 1953) ist bekannt für seine Skulpturen und Metallbilder. Stahl und Glas sind seine bevorzugten Materialien. Mit Schleifscheibe, Stift und meist transparenten Farben verdichtet er sie zu Werken, die auf den Wechsel des Licht-einfalls und mehr noch des Betrachterstandpunktes reagieren. Sie loten im Grenzbereich zwischen Skulptur und Malerei das Wechselspiel von Licht und Farbe, Fläche und Raum, Kuben und Schwingungsfeldern aus. In der Tradition gegenstandsloser Kunst des 20. Jahr-hunderts begibt sich der Künstler auf Gratwanderungen zwischen Greifbarkeit und Immate-rialität, konkretem und imaginärem Bild und eröffnet so dem Betrachter interaktive Erfahrun-gen jenseits der digitalen Raster neuer Medien.

Parallel zum dreidimensionalen Werk entstanden von Anfang an Zeichnungen. Sie sind keine vorbereitenden Studien, wie bei Bildhauern üblich, sondern stellen eine selbständige Gattung dar. Die Ausstellung in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe führt vom 27.11.2004 bis 10.1.2005 erstmals einen umfassenden Querschnitt aus drei Jahrzehnten vor Augen. Die frühesten Blätter, vorwiegend mit Kohle gezeichnet, sind expressive Abbreviaturen des menschlichen Körpers. Ihre sperrige Expressivität verbindet sie mit den Zeichnungen vieler junger Künstler der achtziger Jahre. Was sie jedoch unverwechselbar macht, ist die Sicht auf die Motive: Es scheint, als wären die kraftvollen und nervösen Körperfragmente mit einem Röntgenblick erfasst. Eine folgenreiche Wende vollzog sich 1989/90 während Leberers einjährigem Aufenthalt in der Villa Massimo in Rom. Wider Erwarten beflügelte den Künstler das großzügige römische Atelier nicht zu neuen Skulpturen. Vielmehr beschränkte er sich, überwältigt von den Eindrücken der Ewigen Stadt, auf zumeist kleinformatige Graphit-zeichnungen. Wie den Künstlern im neunzehnten Jahrhundert dienten ihm Bleistift und Papier dazu, das Gesehene zu verarbeiten. Anders als diesen ging es Camill Leberer jedoch nicht darum, einen Vorrat beobachteter Motive in Studienblättern anzulegen, die sich später in Stadtansichten umsetzen ließen. Als Künstler im Gefolge moderner Abstraktion erfasste er Gedächtnisbilder: Indem er allabendlich den Erinnerungen an Bauten, Plätze und Bäume nachspürte, galt sein Augenmerk ihrem Übergang vom Unbewussten in die Zone klarer Vorstellung. So sind seine zarten, sparsam aufs Blatt gesetzten Kürzel keine unmittelbaren Wiedergaben betrachteter Dinge, sondern schwebend auftauchender, vielschichtig über-lagerter innerer Bilder. Durch kontinuierliches Zeichnen bildete sich allmählich ein Form-vokabular heraus, in dem Geometrie und organisches Kreisen, Raumbegrenzung und Bewegung im Raum ineinander wirken. So klein die Formate dieser Blätter auch sein mögen, der Strich verwandelt ihre Fläche in weite Räume.

Die großen Zeichnungen der letzten Jahre stehen nun auch im Format gleichrangig neben den Metallbildern. Ihre Raumhaltigkeit nimmt nicht nur durch das zumeist verwendete Trans-parentpapier zu, sondern mehr noch aufgrund der Verbindung linearer und malerischer Zeichen. Wolkig gesprühte Farbflächen, vornehmlich blau und rot, treten nun in Widerstreit zu geometrischen Elementen. So entstehen kraftvolle Raumkürzel mit antithetischen Ener-gien, in denen sich die Grundstrukturen des skulpturalen Werks widerspiegeln: Begrenzung und Öffnung, Konstruktion und Intuition. In solcher Verbindung statischer und dynamischer Faktoren löst sich Camill Leberers Kunst von Tabus der Moderne. Er nimmt sich sogar die Freiheit heraus, in seine Kompressionen innerer Bilder wieder gegenständliche Motive, Architektur- oder Pflanzenformen, einzublenden.

Drei große Bodenskulpturen ergänzen die Retrospektive der Zeichnungen und fordern zum Vergleich des intimen und des öffentlichen Mediums im Werk Camill Leberers heraus.

Die Ausstellung wird anschließend in der Städtischen Galerie Villa Zanders in Bergisch Gladbach und im Sprengel Museum Hannover gezeigt und wurde gemeinsam mit beiden Häusern vorbereitet. Es erscheint ein Katalog mit Beiträgen von Siegmar Holsten, Norbert Nobis, Dorit Schäfer und Wolfgang Vomm sowie farbigen Abbildungen der meisten Blätter.

Pressekonferenz am Donnerstag, 25.11.2004, um 11 Uhr

 

 

 

13.11.2004 - 30.01. 2005 im Kindermuseum

Menno Fahl

Von Gartenzwergen und Hosenträgern

Gartenzwerge und Hosenträger in der Kunsthalle?

Der Künstler Menno Fahl (geb. 1967) präsentiert in Karlsruhe archaische Gestalten und skurrile Wesen. Man begegnet in seinem Werk dem "Grauen Krieger", dem "Großen Feger", Thron- und Säulenfiguren, Vierbeinern, Dreien vor Blau oder Paaren vor Grau.

Der in Berlin lebende Künstler ist Maler und Bildhauer. In der Auseinandersetzung mit den raumschaffenden Qualitäten der Farbe entwickelte er Farbräume, aus denen sich mehr und mehr die Figur herausschälte. Bereits während seines Malereistudiums von 1988 bis 1992 bei Peter Nagel an der Muthesius-Hochschule in Kiel interessierte ihn das dreidimensionale Arbeiten, weshalb er von 1994 bis 1997 ein Studium der Bildhauerei bei Lothar Fischer an der Hochschule der Künste in Berlin anschloss. Fahls Materialien sind gefundene oder mit der Säge bearbeitete Holzstücke, wie Tisch- und Stuhlbeine, alte Fensterrahmen oder Besen, die er stelenartig aufeinander türmt. Die Skulpturen bestehen aus Holz, dem mitunter auch Papier, Pappe, Plastik oder Draht hinzugefügt wird. Aus diesem zusammengetragenen Materialfundus kombiniert Fahl neue, figurative Objekten. Auch seine Malerei erweitert er mit Pappe und Papier zu Reliefs. Fahl greift damit auf Arbeitsweisen der klassischen Moderne zurück: über das Prinzip Collage lassen sich Bezüge zu Künstlern wie Pablo Picasso, Juan Gris oder Jean Dubuffet herstellen.

Vielen Arbeiten ist eine intensive Farbigkeit gemeinsam, mit deren Hilfe der Künstler mit der optischen Wahrnehmung spielt. Geschickt verbindet er plastische Formen und gemalte Flächen miteinander, so dass Malerei und Bildhauerei ineinander übergehen. Die Bemalung vermittelt zwischen Fläche und Raum und kann zur Rhythmisierung einer Struktur dienen.

Die bewusste Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit dem Werk Menno Fahls wird Kindern und Jugendlichen eine anregende Welt der Fantasie eröffnen, in der sich jeder auf seine Art wiederfinden kann. Es ist das Ziel, jungen Besuchern mannigfache Darstellungs-formen für Gedanken und Gefühle aufzuzeigen, so dass sie selbständig eine eigene Bild-sprache entwickeln und sich ein breites Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten aneignen können. In der kreativen Umsetzung wird das Experimentieren mit verschiedenen Materialien und Techniken wie dem Zeichnen, Malen, Collagieren und dem plastischen Gestalten mit Fundstücken viel Raum erhalten. Die Kinder und Jugendlichen sollen lernen, eigene Ideen und Vorstellungen umzusetzen, so dass entsprechend ihrer Absicht und abhängig von ihren Fähigkeiten Vollplastiken, Reliefs oder Collagen entstehen.

Es ist der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe in der Vergangenheit bereits mehrfach gelungen, Künstler dafür zu gewinnen, im Kindermuseum Werkschauen speziell für Kinder und Jugend-liche zu konzipieren. 1989/90 präsentierte Norbert Pohl Spielplastiken, 1992/93 Axel Heil Installationen und 1994/95 Susanne Mansen Stoffobjekte, die Kinder zu eigenem kreativem Schaffen und dem Experimentieren in jeweils unterschiedlichen Techniken anregten. Mit Menno Fahls Ausstellung "Von Gartenzwergen und Hosenträgern" wird an diese Tradition angeknüpft.

Die Ausstellung ist für Kinder ab dem 5. Lebensjahr geeignet. Für Schüler der verschiedenen Schularten aller Altersstufen empfiehlt sich der Besuch vor allem in den Fächerverbünden der neuen Bildungspläne Mensch-Natur-Kultur, Musik-Sport-Gestalten und Bildende Kunst.

Pressekonferenz am Donnerstag, 11.11.2004, um 11 Uhr

Eröffnung: 12.11.2004, 17 Uhr

Einführung für Lehrer: 17.11.2004, 15 Uhr und 17 Uhr
Eintritt: Erwachsene 1,50 Euro, Kinder 1,- Euro
Gebühr für museumspädagogisch betreute Gruppen: 2,50 Euro
Information und Anmeldung für Gruppenbesuche unter Telefon 0721/926-3370,
Mo-Do 14-17 Uhr, Fr 14-16 Uhr, Referat Museumspädagogik und Öffentlichkeitsarbeit

 

 

27.11. 2004 - 23.01. 2005

Max Liebermann

Zeichnen heißt weglassen - Arbeiten auf Papier


Mit der Ausstellung: "Max Liebermann. Zeichnen heißt weglassen - Arbeiten auf Papier" und ihren rund 160 Exponaten präsentiert das Saarlandmuseum nicht nur einen Ausschnitt aus dem quantitativ und qualitativ herausragenden graphischen Werk von Max Liebermann, sondern auch einen imposanten Ausschnitt aus seiner eigenen Graphischen Sammlung.

Die Ausstellung dokumentiert die Vielfalt der von Liebermann eingesetzten Techniken, sowohl in der Zeichnung (Bleistift, Kohle, Kreide, Pastell, Feder) als auch in der Druckgraphik (Lithographie, Radierung, Kaltnadel). Weiterhin wird durch zahlreiche Skizzen, Kompositionsentwürfe oder Modellstudien der Akzent auf die unterschiedlichen Funktionen der Zeichnung gelegt und Liebermanns Bestrebungen um die Formfindung verdeutlicht. Bei Liebermann entwickelte sich die Zeichnung zum Experimentierfeld, das ihm ermöglichte, sowohl die Potentialität der Linie als auch malerische Effekte durch Verwischungen und Lavierungen zu erproben.
Neben autonomen Zeichnungen steht das graphische Werk Liebermanns in Beziehung zu den Ölgemälden. Die für ihn typischen Themen wie die Netzflickerinnen, die Flachsscheuer in Laren, die Judengasse in Amsterdam, die Biergarten-, Strand­ und Badeszenen finden im zeichnerischen Medium eine erste Formulierung. Zahlreiche Porträts, bei denen Liebermann seine Kunst des "Weglassens", des Abstrahierens meisterhaft aufführt, um das Charakteristische des Modells einzufangen, runden die Werkschau ab.

Im Gesamtwerk Max Liebermanns (1847 ­ 1935) nimmt die Graphik in mehrfacher Hinsicht eine Schlüsselposition ein. Als Sammler hat er ein umfangreiches Konvolut an Zeichnungen und Druckgraphiken zusammengetragen, darunter Werke von Rembrandt, Degas, Daumier, Leibl und Menzel. Auf seine Initiative hin zeigte die Berliner Sezession regelmäßig Ausstellungen von Arbeiten auf Papier. Und nicht zuletzt zählt Liebermann zu den wichtigsten Zeichnern des 19. Jahrhunderts und hat ein herausragendes graphisches Oeuvre hinterlassen.

Geboren wurde der Künstler 1847 in Berlin als zweiter Sohn des jüdischen Großkaufmanns Louis Liebermann. Schon als Kind hat er sich der Zeichnung gewidmet und Motive aus seiner unmittelbaren Umgebung in Bleistift festgehalten. Mit 12 Jahren veröffentlichte er Federzeichnungen in einer illustrierten Zeitschrift und nahm vor dem Abitur am Zeichenunterricht von Carl Steffeck teil. Von Anfang an sah Liebermann in der Zeichnung die ursprünglichste Ausdrucksform seiner künstlerischen Phantasie. Dem graphischen Medium vertraute er sein Leben lang wie einem Tagebuch die Geheimnisse seiner Subjektivität an. Denn "Der Zeichenstift folgt jeder momentanen Regung, jeder Stimmung und Laune des künstlerischen Schaffenstriebes".

Max Liebermann wurde an der Saar früh gesammelt. Mitte der 20er Jahre begann der damalige Leiter der "Staatlichen Schule für Kunst und Gewerbe", Fritz Grewenig, graphische Blätter von den wichtigsten Vertretern des deutschen und französischen Impressionismus zusammen zu tragen. In diesem Kontext erwarb das Saarland 1928 seine ersten Werke Liebermanns: Kaltnadelradierungen und Kreidelithographien, die als kleines Ensemble in die Sammlung des 1929 gegründeten Staatlichen Museums eingingen und damit den Grundstein für den heutigen Liebermann-Besitz des Saarlandmuseums bildeten. Eine Erweiterung erfuhr der Liebermann-Bestand nach dem Zweiten Weltkrieg durch die stärker auf die Zeichnung konzentrierte Sammelaktivität Rudolph Bornscheins. Aber erst das Interesse des leidenschaftlichen Privatsammlers Franz Joseph Kohl-Weigand an Max Liebermanns künstlerischem Schaffen hat zu einem beachtlichen Zuwachs geführt. Von den rund 160 Exponaten, die diese Ausstellung bestücken, stammen 140 aus der 1982 in den Bestand des Saarlandmuseums eingegliederten Kohl­Weigand Sammlung.

Im Laufe der Zeit hat der Bestand an Liebermann-Graphiken ein ausgeprägtes Profil erhalten, das sich in der Ausstellung widerspiegelt. Das früheste Werk ist um 1865, das späteste um 1932 datiert. Diese äußerst breite Zeitspanne ermöglicht die Vielfalt der graphischen Kunst Liebermanns in Hinsicht auf Technik und Thematik zu verdeutlichen und damit einen repräsentativen Querschnitt durch sein Oeuvre zu zeigen.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Hatje Cantz Verlag, 172 Seiten,
ca. 100 Farbabb. 19,80 EUR.

Eröffnung: 26. November 2004 um 19 Uhr

 

 

 

19.01. - 22.05. 2005

Max Beckmann

Druckgraphik 1914-1924

Max Beckmann (1884-1950) zählt nicht nur zu den herausragenden Malern, sondern auch zu den großen Druck-graphikern des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe zeigt dies vom 19. Februar 2005 an in einer umfassenden Ausstellung. Zu sehen sind rund 130 Blätter aus der für Beckmanns Entwicklung entscheidenden Phase zwischen dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs - der für den Künstler eine tiefe Krise darstellte, aber auch eine grundlegende Neuorientierung auslöste - und der vorübergehenden Konsolidierung Mitte der zwanziger Jahre. Der in Leipzig geborene Künstler, der in Braunschweig aufwuchs und in Weimar studierte, fand durch die intensive Beschäftigung mit den Techniken der Kaltnadel-radierung, der Lithographie und des Holzschnitts zu einer neuen Formensprache und einem sehr individuellen Stil. Beckmann hält zwar an der Illusion von Räumlichkeit auf der Bildfläche und der Figuration fest, sein deformierender Umgang mit der Perspektive und der menschlichen Proportion wird allerdings zu hoch wirksamen modernen Ausdrucksmitteln. In dieser Zeit bildet Beckmann auch eine persönliche Ikonographie aus, die in zunehmendem Maß symbolische Züge trägt.

Schon in seiner Akademiezeit in Weimar hatte sich der Künstler mit den wichtigsten druckgraphischen Techniken, mit Radierung, Holzschnitt und Lithographie, auseinander gesetzt. Nicht zufällig steht am Anfang seiner Bemühungen, 1901, ein Selbstbildnis. Selbstdarstellungen wurden ­ als isoliertes Bildnis oder in szenischen Zusammenhängen ­ zu einem roten Faden seines gesamten Schaffens. Unter ihnen kommt der Radierung "Selbstbildnis mit steifem Hut" von 1921 ein besonderer Rang zu: Beckmann präsentiert sich in korrekter bürgerlicher Straßenkleidung zwischen einer aufrecht sitzenden Katze, die ihm etwas einzuflüstern scheint, und einer Petroleumlampe. Das Tier und der Gegenstand stehen symbolisch für die zwei Seiten des Künstlers: das Nächtliche, Unergründliche, Unterbewusste und Animalische einerseits, den hellen Verstand andererseits. Trieb und Ratio verbinden sich auf geheimnisvolle Weise; Beckmann ist scharfer Beobachter, Analytiker und Visionär. Ziel seiner Kunst ist - in Beckmanns eigenen Worten ­ eine "transzendente Sachlichkeit".

Noch 1918 schrieb der Künstler, die Vorkriegszeit sei "ungesund und ekelhaft" gewesen, geprägt von "geschäftlicher Hetze", von der "Sucht nach Erfolg und Einfluss". Im Unterschied zu vielen anderen empfand er allerdings kaum Erleichterung, schon gar nicht Begeisterung, als der Krieg im August 1914 Realität wurde. Die Radierung "Kriegserklärung" macht dies deutlich: Dicht drängen sich die Menschen. Vorne wird die verhängnisvolle Nachricht gelesen, vielleicht auch vorgelesen. Ernst und Entsetzen sprechen aus den Mienen. Beckmann selbst stellt sich hier mit Hut und geschlossenen Augen dar ­ als Visionär, der die unheimliche Szene imaginiert und das große Unheil kommen sieht. In der Realität erlebte er dieses Grauen, den Schrecken des Grabenkrieges, sowohl an der Ost- als auch an der Westfront, nachdem er sich freiwillig zum Sanitätsdienst gemeldet hatte. Die Radierung "Sturmangriff" ist eine Erinnerung an das Gesehene.

Für Beckmann bedeutete diese Krise den Durchbruch zu einer modernen, gleichzeitig ganz und gar individuellen Ausdrucks-weise: Als Reaktion auf eine zu Bruch gegangene Welt fällt der traditionelle Bildraum in sich zusammen, die Perspektive zersplittert, die Proportionen verschieben sich auf groteske Weise. Nichts bindet den Künstler mehr an die alten Regeln. Beckmann denkt, wie schon die französischen Kubisten vor dem Krieg, über "die Architektur des Bildes" nach, über das Changieren von Fläche und Raum, das Verhältnis der geraden zu den gekrümmten Linien, über das Spiel mit formalen Kontrasten.

Auf die Gewalt der Nachkriegszeit, die Unruhen, Aufstände und politischen Morde, Chaos und Not reagierte Beckmann mit dem Mappenwerk "Die Hölle", das aus zehn großformatigen Lithographien besteht. Daneben zählen die Mappen "Jahrmarkt" von 1921 und "Berliner Reise 1922" zu den Höhepunkten der Druckgraphik Beckmanns, die in der Karlsruher Ausstellung zu sehen sind. Bedeutsame Einzelblätter werden außerdem präsentiert, die sich zu thematischen Gruppen zusammenfügen.

Die Karlsruher Ausstellung endet mit dem Jahr 1924. Von da an wendet sich Beckmann mit verstärkter Konzentration der Malerei zu, die Druckgraphik hingegen tritt in den Hintergrund. Das bis zu diesem Zeitpunkt entstandene druckgraphische Werk ist eindrucksvoll, sowohl in qualitativer wie auch in quantitativer Hinsicht: Zwischen 1914 und 1924 schuf Beckmann 156 Radierungen, 72 Lithographien und 16 Holzschnitte. Gut ein Drittel der in der Ausstellung gezeigten Blätter macht der Bestand der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe aus, der bereits vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten umfangreich war, dann im Rahmen der Aktion "Entartete Kunst" stark dezimiert wurde, seit 1949 aber wieder kontinuierlich wächst. Abgesehen von Gemälden und Zeichnungen, umfasst er derzeit 53 Blätter an Druckgraphik, darunter einige seltene Arbeiten. Die übrigen Werke der Ausstellung sind Leihgaben aus bedeutenden öffentlichen und privaten Sammlungen. Vor den Augen der Besucher entfaltet sich das ganze Panorama der Beckmann'schen Kunst, deren Ziel es war, "den Menschen ein Bild ihres Schicksals zu geben."

Es erscheint ein umfangreicher Katalog mit Beiträgen von Stephan von Wiese und Ursula Harter (Düsseldorf/Frankfurt), von Norbert Nobis (Hannover), Klaus Gallwitz (Baden-Baden), Christiane Zeiller (München) und Holger Jacob-Friesen (Karlsruhe).


 

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