german galleries / index cities / index galleries / index artists / index Kiel


Kunsthalle zu Kiel

Christian-Albrechts-Universität
Gemäldegalerie und Graphische Sammlung
Düsternbrooker Weg 1
24105 Kiel
Tel. 0431 / 880-5756, Fax 0431 / 880-5754
Di - So 10.30 - 18.00 Uhr, Mi 10.30 - 20.00 Uhr, Mo geschlossen
http://www.uni-kiel.de/kunsthalle
aktuelle Ausstellung / current exhibition
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition

 

 

28.08. - 09.11.2003


Accessoiremaximalismus

Der Begriff "Accessoiremaximalismus" entstammt einem Gespräch mit dem Autor Feridun Zaimoglu, Erfinder der "Kanak Sprak". Seine Bücher handeln in erster Linie von (jungen) Türken, die ihre zum Teil hybride Identität am Rande der deutschen Gesellschaft entwickeln. Das besondere Interes-se Zaimoglus gilt dem Unterschichtsgebaren "deutscher Türken", das sich in einer betonten Körperkultur, in der Angepasstheit an Kommerz sowie in einem "Sich-einen-Dreck-um-Kultur-Scheren" äußert. "Accessoires" gehören in seinen Texten, die das Verhältnis zwischen türkischer und deut-scher Kultur auf oft ironische, hintergründige Art und Weise spiegeln, zum selbstverständlichen Alltag. "Accessoiremaximalismus" deutet auf die Grenzenlosigkeit, die Übertreibung oder das Extreme im Umgang mit dem Accessoire.

Zur Ausstellung sind zwölf internationale Künstlerinnen und Künstler eingeladen, die Facetten ungefilterter moderner Lebensstile, kultureller Nischen und Klimazonen von Individuen, Gruppierungen oder Schichten in der westlichen Gesellschaft beleuchten. Gegensätze, aber auch Konglomerate verschiedener Kulturkreise werden in ihren Beiträgen als typische Phänomene heutiger Massenkultur, wie sie sich in der urbanen Architektur, in Einrichtungsformen oder in der Kleidung niederschlägt, in den Blick genommen. Kiels Problematik als alte Arbeiterstadt, die gesamtdeutsche Situation von Subkulturen und Kleingruppen werden genauso thema-tisiert wie die weltweit durch Accessoires erzeugten Zugehörigkeitsgefühle bis hin zum Markenfetischismus.

Eine ganze Reihe von Künstlern hatte sich bereits in den 1980er und 1990er Jahren mit Accessoire-, Fetisch- und Kitschphänomenen auseinander gesetzt. Die Ausstellung in der Kunsthalle schärft darüber hinaus den Blick für eine neue Wirklichkeitsnähe der Kunst in den letzten Jahren. Das Accessoire ist vermehrt für jene Künstler bedeutend, die sich kritisch mit der Gesellschaft und ihren Geschmacksbildungsprozessen beschäftigen. Der Betrachter wird in das Werk miteinbezogen, Künstler und Nichtkünstler treten als Kultur-Komplizen auf.

 

Ausstellungsbeiträge (Außenprojekte und Innen)

Haim Steinbach verdeutlicht die identitätsbildende Komponente von Massengegenständen anhand des Accessoires, das zum Adorationsobjekt wird.

Sherrie Levine greift - gegenüber Steinbachs Alltagsrezeption - auf die Kunstgeschichte als ein Reservoir von acces-soiregefüllten Ready-mades zurück.

Feridun Zaimoglus Ausschmückung der Kunsthallen-Fassade mit türkischen Flaggen führt das Bedürfnis nach Nabelschau und Trophäensammlung auf Seiten der größten Migrantengruppe in Deutschland in ambivalenter Weise vor Augen.

Thomas Hirschhorns 50 Papierarbeiten "Utopia, Utopia = One World, One War, One Army, One Dress" wird am Eröff-nungstag als Beiblatt (Aufl. 55.000) den "Kieler Nachrichten" hinzugefügt. Seine apokalyptisch anmutenden Bilder treten zu gestylten Gestaltungsformen, die die Welt mit "We are the World"-Accessoires überschüttet, in scharfen Kontrast.

Jakob Kolding machte sich für zwei Tage nach Kiel auf, um die urbane Struktur der Stadt und die Frage, welche soziale Konsequenzen damit verbunden sind, zu beleuchten. Hierzu gestaltet er ein Poster, das in Kiel plakatiert wird.

Erik van Lieshout gibt in großformatigen Zeichnungen das Lebensgefühl von machtvoll posierenden "Naughty by Nature"-Jugendlichen aus Rotterdamer Vororten wieder.

Claus Föttinger lässt das Publikum in das Arrangement einer Teestube wie in den Schutzraum eines Kulturghettos in Deutschland eintreten.

Carlo Farsang, selbst "ground hopper", hält fotografisch den rauschartigen Aufstand der Fußballfans in den vergitterten Grenzen der von ihm weltweit bereisten Stadien fest.

Pia Lanzingers Fotografien und Video-Aufzeichnungen von Kieler Mädchen zwischen 11 und 19 Jahren spiegeln die Individualität der Mädchen ebenso wie ihre Verortung in einer massenmedial geprägten Gesellschaft.

Peter Loewys unaufdringlich fotografische Bildwelten entsprechen quasi-detektivischen Zeugnissen aus dem Kontext jüdischer Wohnungen in Frankfurt.

Monica Bonvicini beschäftigt Formen männlich geprägter Körperinszenierungen am Beispiel einer idealen Wohnsituation für männliche Singles, wie ihn die Zeitschrift "Playboy" in den 1960er und 1970er Jahren entworfen hat.

Swetlana Heger wird in ihrem "work in progress"-Projekt "Playtime" selbst zum exklusiven Accessoire eines von ihr anvisierten gehobenen Lebensstils.

 

Teilnehmende Künstler: Monica Bonvicini, Carlo Farsang, Claus Föttinger, Swetlana Heger, Thomas Hirschhorn, Jakob Kolding, Pia Lanzinger, Sherrie Levine, Erik van Lieshout, Peter Loewy, Haim Steinbach, Feridun Zaimoglu

"Accessoiremaximalismus" wird von Armstrong DLW, den Kieler Nachrichten, der Türkischen Gemeinde Schleswig-Holstein, Kreutzberger Arbeitsbühnenvermietung und dem Parkhotel Kieler Kaufmann unterstützt.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit einer Einführung von Dirk Luckow sowie Beiträgen u.a. von Knut Ebeling, Ingrid Loschek, Birgit Richard, Jana Simon und Feridun Zaimoglu.

Die Eröffnung findet am Donnerstag, dem 28. August 2003, um 17.00 Uhr statt.
Dr. Dirk Luckow (Direktor der Kunsthalle zu Kiel)
Angelika Volquartz (Oberbürgermeisterin der Stadt Kiel)
Erol Etçio_lu (Generalkonsul der Republik Türkei)
Feridun Zaimoglu (Hamburg/Kiel): Lesung
Thomas Hirschhorn (Paris): Vortrag und Künstlergespräch zum "Bataille Monument" 2002 (Documenta 11) mit der Beteiligung des Boxkampf Philippinenhof und Bewohnern der Friedrich-Wöhler-Siedlung, Kassel

Pressekonferenz Mittwoch, 27. August 2003, 12.00 Uhr

Im Rahmen der Pressekonferenz wird Dirk Luckow, Direktor der Kunsthalle zu Kiel, in die Konzeption von "Accessoiremaximalismus" einführen.

 

 

german galleriesindex citiesindex galleriesindex artists