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Kunstverein Göttingen e.V.

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Januar / Februar 2006

storylines

künstler/innen:

kaucyila brooke, ursula döbereiner, elise florenty, erik göngrich, elisabeth hautmann, zilla leutenegger, elke marhöfer, joel mützenberg, michaela schweiger, maya schweizer, kristina solomukha, sofie thorsen, barbara trautmann

kuratorin: ulrike kremeier, //plattform//, berlin

 

die ausstellung "storylines" fokussiert auf künstlerische positionen, die mit dem artikulationsmedium der künstlerischen zeichnung spezifische aspekte von - meist urbaner - wirklichkeit reflektieren.
der thematische schwerpunkt der arbeiten liegt auf der repräsentation urbaner landschaften, architektur und (domestizierter) natur als räume alltäglichen sozialen handelns. die methodische verortung der bildproduktion ozilliert zwischen dem rekurs auf dokumentarische abbildungsstrategien einerseits und den referenzen zu filmischen erzählstrukturen andererseits.
die ausstellung versammelt arbeiten, die sich mit erzählerischen (und gleichermassen erzählten) momenten alltäglicher realität(en) beschäftigen, ohne jedoch eine lineare, zwangsläufig ablesbare geschichte zu erzeugen. vielmehr werden typologische bilder transportiert, die den betrachter / die betrachterin mit wiederkehrenden situationen gesellschaftlichen dasein und dessen rahmenbedingungen konfrontieren.

 

kaucyila brooke
"the killing of sister george" (1998 / 2005)
die aus acht einzelbildern bestehende zeichnungsserie bildet einen imaginären nachspann zu robert aldrichs gleichnamigem film aus dem jahre 1968, indem die im stil einer ironischen pseudodokusoap das alltägliche ringen um beziehungsleben und liebe zwischen alltäglicher realität und idealvorstellung, zwischen öffentlichem und privatem umfeld etc erzählt wird.

ursula döbereiner
"häuser" (2002)
die animation basiert auf einer serie digital produzierter strichzeichnungen, deren abfolge eine kamerafahrt suggeriert, die den privaten lebensraum in den zusammenhang öffentlicher räume stellt. durch diese als endlos-schlaufe produzierte aneinanderreihung unterschiedlich konnotierter raumkonstruktionen wird einerseits eine art von imaginären, transitorischen handlungsraum herstellt, andererseits eine hybride räumlich-typologische entität behauptet, die auf kulturell / kulturhistorisch relevante oder individuell besetzte orte verweist.

elise florenty
"kino krov" (2004)
das animationsvideo greift auf schriftliche aufzeichnungen des russischen neurologen alexandre luria zurück. die unter dem titel "ich nehme den kampf wieder auf" publizierten schriften sind schilderung der kranken- und lebensgeschichten vornehmlich autistischer patienten. kennzeichnend für dieses krankheitsbild, das luria als geradezu symptomatische zustandbeschreibung moderner zivilisationsgesellschaften postuliert, ist, dass die betroffenen ein gestörtes kommunikations- und wahrnehmungsverhältnis zu ihrer menschlichen und räumlichen umwelt aufweisen. ein wesentliches element des medizinisch-therapeutischen umgangs mit der krankheit liegt in der untersuchung des pathologischen realitätsverständnisses. denn die perzeption von wirklichkeit scheint sich häufig in projektionswelten, die auf assoziationsketten beruhen zu verlieren. "kino krov" präsentiert die visualisierung eines inneren monologs der durch eine fernsehdokumentation ausgelöst wird.

erik göngrich
"stadtansichten" (2002-05)
die arbeit besteht aus 80 dias, die in einem langsamen, gleichmässigen rhythmus aufeinander abfolgen. die projektion jener stadtansichten repräsentieren ausschnitte unterschiedlicher städte, die aber durch den stil der gezeichneten abbildung egalisiert werden. durch die abfolge jener einander ähnlich scheinender stadtlandschaften entwirft erik göngich eine art von globaler megapolis, die sich aus fragmenter vieler städte zusammensetzt. gleichermassen aber entsteht eine kleine anthologie des ikonographischen vokabulars des topos "stadt". parallel zu den gezeichneten stadtbildern wird eine abfolge von fragen projiziert, die das verhältnis der besucher/innen zu ihrem eigenen (urbanen) lebensumfeld zur disposition stellen.

elisabeth hautmann
zeichnungen (2002-05)
die mit bleistift und bunstift auf mehrlagig geklebtem zeitungpapier gezeichneten motive repräsentieren alltagssituationen, stadtansichten etc, die ikonografische referenzen zur welt der massenmedien aufweisen. jene zeichungen werden durch stickereien überlagert, die ebenso einen rekurs auf eine populäre bildsprachen einerseits reflektieren, andererseits aber auch auf traditionelle handwerks/handarbeitstechniken und die zuschreibung weiblicher domänen verweisen.

zilla leutenegger
"mia" (2004)
die direkt auf die wand projizierte videozeichnung zeigt eine auf dem sofa sitzende, rauchende frau. die einzigen bewegungen sind der im bild aufsteigende zigarettenrauch und der widerschein des fernsehers im zimmer. die ins leere starrende frau scheint kontextlos, der sie umgebende raum existiert ebenso wenig als erkennbarer ort wie der mediale raum des tv-programms in der zeichnung ersichtlich ist. beide faktoren sind phänomene sozialer bedingungen, die durch mehr durch insignien modernen lebens, den durch gesellschaftliche interaktion geprägt sind.

elke marhöfer
"das ist die idee - quodlibet" (2003)
die drei bleistiftzeichnungen basieren auf fotos, der 70er jahre. zu sehen sind demonstrierende menschen. die arbeit zielt einerseits darauf ab, auf formal-ästhetischer ebene dokumentarische bildstrategien, und künstlerische transferprozesse im verhältnis zu faktischer wirklichkeit zu thematisieren, und andererseits die frage nach der funktion des öffentlichen raums im zusammenhang poltischer artikulation zu postulieren.

joel mützenberg
"la poesie de la guerre quoditienne" (2002)
die in form eines hefts präsentierete serie von zeichnungen, die unter dem titel "die poesie des alltäglichen krieges" firmieren, thematisieren das verhältnis von autonomie / autarkie, individuum und kollektiv(ität) unter dem prämissen der alltäglichen notwendigkeit jene selbstbestimmung und damit verbundene ökonomische bedingungen generieren zu müssen. die zeichnungen werden in einer kleinen, zur freien mitnahme vorgesehenen publikation zusammengefasst . somit thematisiert die arbeit nicht nur vorstellungen von arbeit und ökonomie in der dimension alltäglichen gesellschaftlichen handelns, sondern nimmt eine symbolische setzung der produktion und distribution innerhalb des kunstsystems vor.

michaela schweiger
"walt disney zeigt johnny colanna und eddy nelson die stadt der zukunft" (2001/02)
innerhalb der grossformatigen, aquarellierten zeichnung ist die darstellung der person walt disneys mit der grundidee einer spezifischen städtischen gesellschaft verknüpft. einer nämlich, in der die organisation des alltagslebens durch einrichtungen strukturiert ist, die institutioneller kontrollen typischer "gated communities" unterliegen. jene von disney für die siedlungen "epcot" und "celebration" entwickelten prinzipien finden sich nunmehr in den ansätze des new urbanism" weder. die innerhalb der zeichnung entworfene narration greift auf dialoge zurück, die einer von disney im internet lancierten virtuellen stadt entnommen sind. dieser programmierte mikrokosmos verkörpert eine exemplarische kontrollgesellschaft in der die grenzen des realen und des fiktionalen

maya schweizer
"o.t." (2005)
die bleistiftzeichnung, die auf einer 5m-langen papierbahn zu sehen ist, ist aufgebaut wie ein storyboard für einen film oder einzelbilder für einen animationsfilm. die narration basiert auf einer abfolge von bilder, die das immer gleiche setting in abgewandelter form wiederholt: eine von autos befahrene strasse im vordergrund, eine reihe unterschiedlichster wohnbauten im hintergrund. auf dem bürgersteig dazwischen eine gehende, verschleierte frau. als bestandteil der zeichnung läuft, wie eine bildunterunterschrift, ein textband, das eine art von selbstgespräch (oder auch imaginäres interview) mit der protagonistin wiedergibt. der text enthält reflexionen über die identitätsrezeption verschleierter frauen im öffentlichen raum, gründe für das tragen der religiös konnotierten kleidung etc.

kristina solomukha
"zeichnungen" (2003-05)
die serie auqarellierter zeichnungen basieren auf der analyse der politischen, wirtschaftlichen und sozialen bedeutung von stadtlandschaften. sie schlagen eine blick auf ein widersprüchliches und hybrides territorium vor, in welchem architektur massgeblich als sichtbares system kapitalistisch-ökonomischer einschreibungen fungiert. jene ideologisch konnotierten repräsentationen fragmentierter städtischer ansichten werden mit entwürfen sozial-utopischer ausrichtung vermischt. durch die konfrontation der unterschiedlichen stadtentwürfe wird der urbane kontext als eine bündelung von einschreibungen, utopien (und deren scheitern gleichermassen) und ebenso ihre soziale funktion als heterotye konstruktion thematisiert .

sofie thorsen
"am hauptplatz, im wald " (2005)
die videoarbeit besteht aus einer serie von strichzeichnunge, innerhalb deren durch die aneinanderreihung ­ ähnlich wie bei einer diashow ­ eine narration entwickelt. die basis des films bildet videomaterial, das im rahmen eines workshops mit jugendlichen aufgenommen wurde. das dokumentarische bildmaterial wurde durch die zeichnungen, die eine ästhetische reduktion sowie die typologische kristallisation real-räumlicher situationen bedeutet, ersetzt. die gesprächsaufzeichnungen hingegen wurden zu einem text komprimiert, der nunmehr monologisch von einem weiblichen teenager eingesprochen wurde. jene aus dem off kommende stimme erzählt von öffentlichen plätzen und einem wald, sowie den (un)möglichkeiten einer teenagerclique den öffentlichen raum eines dorfes zu besetzten, zu nutzen usw.

barbara trautmann
"plattenbauten" (2002/04)
die serie von 25 graphitzeichnungen fokussiert auf (spät)modernistische architekturen berlins. in der bildlichen repräsentation sind die gebäude weitgehend aus ihrem städtischen umfeld herausgelöst, vielmehr werden sie als solitäre abgebildet. in der blattmitte angeordnet, werden die gebäude aus einer leichten unterperspektive dargestellt. der blick auf die häuser ist eingerahmt von büschen, sträuchern und ähnlichen domestizierten naturreminiszenzen. die art der darstellung ähnelt kleinen idyllenhaften souvenirmalerei aus alpenländischen gefielden. den zeichnungen von barbara trautmann allerdings fehlt der kitschfaktor, der den alpenerinnerungen massgeblich aufgrund der farbigkeit und des maluntergunds, der in der regel holz ist, anhaftet. die profanen modernistischen wohnbauten bildstrukturell analog zur präsentation romantischer kleinode zu positionieren hingegen ist durchaus beabsichtigt.

 

 

 

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