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Kunstverein Hannover

Sophienstraße 2
30159 Hannover
Tel. 0511 - 32 45 94; Fax 0511 - 363 22 47
Di - So 11 - 17 Uhr, Mi 11 - 21 Uhr
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aktuelle Ausstellung / current exhibition
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10.07. - 05.09.2004

Ingrid Calame - Mathilde Ter Heijne - Jörg Wagner

Mit Ingrid Calame (*1965), Mathilde ter Heijne (*1969) und Jörg Wagner (*1967) zeigt der Kunstverein Hannover drei junge Künstlerpersönlichkeiten, deren beziehungsreiche und viel versprechende Arbeiten einer breiteren Öffentlichkeit in Deutschland bisher nur ausschnitthaft vorgestellt wurden.

Die Malerei der in New York geborenen und heute in Los Angeles lebenden Ingrid Calame bewegt sich zwischen referenzloser Abstraktion und hohem Realitäts- und Raumbezug. Zunächst überträgt die Künstlerin Flecken, Spuren und Verunreinigungen, die sie auf Bürgersteigen, Straßen oder öffentlichen Plätzen findet, auf Pauspapier und fügt sie dann zu neuen Arrangements zusammen, die wiederum abgepaust und dann auf den Bildträger aufgebracht werden. Die so entstehende Malerei ­ vom intimen, mit Emaillefarbe auf Aluminium formulierten Kammerformat bis zur raumfüllenden Geste auf Mylar (einem Pauspapier aus Kunststoff) ­ kann einerseits als eine ungemein suggestive, leuchtend bunte Fortschreibung der großen Tradition abstrakter Malerei gesehen werden. Andererseits entsteht durch die akribische Vermessung der Realität auch ein Orts- und Wirklichkeitsbezug, der die Malerei in eine vibrierende Spannung zwischen autonomer Selbstbefragung und Welthaltigkeit versetzt. Der faszinierende Moment des Transfers erhält im besten Sinne raumbezogene und formatsprengende Dimensionen, wenn wie für den Kunstverein Hannover Calames Flecken in ausufernden Konstellationen komplette Wand- und Raumfluchten vereinnahmen.

Das Werk der in Straßburg geborenen und in Berlin sowie Amsterdam arbeitenden Mathilde ter Heijne umkreist Projektionen und Transferprozesse zwischen öffentlichen und privaten Räumen ganz anderer Art. Ter Heijne inszeniert sich selbst oder nach ihrem Bild geschaffene Puppen als Selbstmordopfer oder -attentäter. Mit Texten zum Phänomen der Selbsttötung, dokumentarischem Material, fiktiven Elementen und sachlichen Kommentaren kombiniert, präsentiert die Künstlerin in ihren installativen Video- und CD-ROM-Arbeiten ein gesellschaftlich heikles Thema in seiner komplexen Einbindung - seien die Opfer aus politischen, religiösen oder als Liebes-Taten geschehen. Idealisierung und Scheitern thematisiert die Künstlerin in "Qo akti?", einer Videoinstallation aus dem letzten Jahr. Der Text von "Qo akti?" ist dem Drehbuch eines unrealisiert gebliebenen Filmprojekts der italienischen Regisseurin Liliana Cavani entnommen. Cavanis Film sollte die französische Philosophin Simone Weilporträtieren, die sich aus christlichen Motiven bewusst für Armut entschied, die 1943 zu ihrem Tod führte. Mathilde ter Heijne ließ das Drehbuch in die künstliche Weltsprache "Glosa" übersetzen. Damit stellt die Künstlerin zweierlei Scheitern in Bezug zueinander: Das Scheitern der Kunstsprache und das der Philosophin, hier aber als Teil eines Glaubensweges, der mit Leid als Folge von Schuld, aber auch als Erhöhung einher geht. Zudem zeigt ter Heijne im Kunstverein eine neue Arbeit, "Fuck patriarchy!", ebenfalls eine Videoinstallation, die zwei unterschiedliche Themen verbindet: Häusliche Gewalt und die Darstellung von Frauen in Gemälden und Radierungen des "Goldenen Zeitalters" in den Niederlanden. Hier legt die Künstlerin Wurzeln, Verbreitung, Art und Ausmaß dieses Phänomens offen und entlarvt Gewalt gegen Frauen als alltäglichen Bestandteil der patriarchalen Gesellschaft.

Die Papierräume des in Waiblingen geborenen und in Köln lebenden Jörg Wagner sind zunächst Projektionen im wortwörtlichen Sinne. Der Künstler bedeckt die Wände eines vorher leergeräumten Raumes rundum mit großbahnigem Fotopapier. Nachdem er die Möbel wieder an ihren ursprünglichen Ort platziert hat, belichtet Wagner den Raum. Anschließend werden die Bahnen wieder abgenommen und entwickelt. Das so entstehende geisterhafte Nachbild eines realen Raumes, das das Mobiliar als blauschwarze Schattenrisse zeigt, wird zu einem Papierraum in Originalgröße im Ausstellungsraum installiert. Wagners Vexierspiele zwischen Innen und Außen entpuppen sich jedoch bald als emotional besetzte, im weitesten Sinne biografisch anverwandelte Orte. Jugendzimmer und Wohnkoje im Atelier erscheinen ebenso 'nachbildwürdig' wie die in die australische Wüste geschlagene Behausung eines entfernt verwandten Opalschürfers. Dieser Verwandte Wagners - er wirkte als Statist in "Mad Max" mit ­- gibt weiteren biografisch motivierten Unternehmungen Raum: Wagner unterlegt Sequenzen des Films mit der Geschichte des entfernten Onkels, und die Zelte mutieren zu amorphen Einmannkinos seiner "Mad Max"-Adaption.

Die überwiegend für die Räume des Kunstvereins entwickelten Werke Calames, ter Heijnes und Wagners finden in Hannover zu einem diskursiven, ästhetisch wie inhaltlich beziehungsreichen Miteinander. Gleichwohl behaupten sie sich als markante und souveräne Einzelpositionen. Zur Ausstellung erscheint ein umfänglicher, dreiteiliger Katalog, der jedes uvre in seiner Eigenständigkeit darstellt, darüber hinaus aber auch hier das komplexe Nebeneinander abbildet.

 

Pressekonferenz: Donnerstag, 8. Juli 2004, 13 Uhr

Eröffnung: Freitag, 9. Juli 2004, 20 Uhr

Es sprechen:

Dr. Stephan Berg, Direktor Kunstverein Hannover

Dr. Martin Engler, Kurator

 

Werkstattgespräch: Sonntag, 5. September 2004 um 15 Uhr mit Mathilde ter Heijne und Jörg Wagner (im Rahmen des Zinnober Kunstvolkslaufs in Hannover)

Führungen: jeden Sonntag um 15 Uhr

Sonderführungen: mit Dr. Martin Engler am Mittwoch, 14. Juli um 19 Uhr; mit Dr. Stephan Berg am Mittwoch, 1. September um 19 Uhr

Außenblick: Mittwoch, 25. August um 19 Uhr mit Prof. Dr. Harald Welzer, Kulturwissenschaftliches Institut Essen, Forschungsgruppe Erinnerung und Gedächtnis

Für die großzügige Unterstützung danken wir dem Land Niedersachsen und der Niedersächsischen Lottostiftung
sowie Galerie Arndt & Partner, Berlin, Galerie Luis Campana, Köln und Galerie Rolf Ricke, Köln.

 

 

2. 9. 2004, 19 Uhr

Mise en Scène - Aspekte kuratorischer Praxis

Bice Curiger: "Kuratieren heißt Denkräume anbieten"

 

11. 9. 2004, 17.30 Uhr

Rolf Julius: "Sound cooking Nr. 9"

Gespräch mit dem Künstler

 

 

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