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Museum moderner Kunst
Stiftung Wörlen

Bräugasse 17
94032 Passau
Tel. 0851 - 383 87 90; Fax 0851 - 38 38 79 79
Di - So 10 - 18 Uhr
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www.mmk-passau.de
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03.07. - 29.08.2004

"Den Blick als Frau gerichtet"

Margret Bilger - Gabriele Münter - Paula Modersohn-Becker

In Zusammenarbeit mit der Landesgalerie Oberösterreich

Im Rahmen der oberösterreichisch-bayerischen Landesausstellung und der Festspiele Europäische Wochen 2004

Die Ausstellung präsentiert das künstlerische Werk von drei herausragenden, außerordentlich schöpferischen Malerinnen, die in ihren so eigenständigen, aber zugleich mit Parallelen versehenen künstlerischen Ausformungen einen großen Reichtum an Innovationen und Brüchen aufweisen. Interessante Querbezüge hinsichtlich expressionistischer Gestaltungsweisen und thematischer Schwerpunktsetzungen lassen eine spannende "Konfrontation" in der Zusammenstellung oder besser noch in der Gegenüberstellung der Positionen erwarten.

Margret Bilger wurde am 12. August 1904 geboren. Anlässlich des 100. Geburtstages zeigt das Museum Moderner Kunst ­ Stiftung Wörlen in Passau eine Ausstellung, die sich in spezieller Weise dem Thema "Margret Bilger als Frau" und ihren Bezugsfeldern zu zwei bedeutenden Künstlerinnen, Paula Modersohn-Becker und Gabriele Münter, widmet.
Bemerkenswerterweise besaß diese Überlegung schon zu Lebzeiten Margret Bilgers große Bedeutung. In einer der ersten von der ­ unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten ­ Neuen Galerie der Stadt Linz ausgerichteten Ausstellungen wurde Margret Bilger 1947 gemeinsam mit Vilma Eckl, Ottilie Kaspar, Clara Siewert und Käthe Kollwitz gezeigt. Die Ausstellung trug den Titel "Die schöpferische Frau".

Während diese Zusammenstellung keinen unmittelbaren biografischen Anknüpfungspunkt besaß, versucht die nunmehr geplante Ausstellung mit der Präsentation von Arbeiten Paula Modersohn-Beckers einen wichtigen Ansatzpunkt für das künstlerische Werk Margret Bilgers nachzuvollziehen. Über viele Jahre konfrontierte sich die oberösterreichische Künstlerin mit dem Werk Modersohn-Beckers, deren Einfluss sich besonders in der Gruppe der Ölbilder Bilgers nachvollziehen lässt.

Mit der zweiten Gegenüberstellung, der Position von Gabriele Münter, wird das enge formale Beziehungsfeld zu einem grundsätzlichen kunsthistorischen Vergleich zweier künstlerischer Oeuvres unter besonderer Berücksichtigung druckgrafischer Werkgruppen erweitert.

Insgesamt verfolgt das Ausstellungsprojekt das Ziel, der Rezeption des künstlerischen Werks von Margret Bilger und ihrer Stellung als Frau in der Kunst des 20. Jahrhunderts gerecht zu werden und ähnliche Lebens- und Werksituationen aus der Perspektive von wesensverwandten Künstlerinnen aufzuzeigen.

Diese angedeuteten Parallelen im Werk der drei Künstlerinnen umfassen etwa das Streben nach radikaler Formvereinfachung, die Schlichtheit und Einfachheit der Bildthemen, die treffenden Charakterisierungen von Menschen mit sparsamsten bildnerischen Mitteln, die Haltung früher emanzipatorischer Bestrebungen in der Unabhängigkeit ihrer künstlerischen Arbeit, die bei allen dreien in der "inneren Emigration", einem Rückzug in die Einfachheit des künstlerischen Alltags endeten, die bewusste Annahme einer Außenseiterrolle und eines Rückzugs in ländliche Gegenden, die eine intensive Konzentration auf ein künstlerisches Schaffen und eine Idealsituation für eine Identitätssuche ermöglichte.

Mit der Ausstellung "Den Blick als Frau gerichtet" versucht das Museum Moderner Kunst ­ Stiftung Wörlen Passau eine Fortsetzung seiner Programmierung: Bereits im Frühjahr 2004 waren in den Ausstellungen "Frau im Bild. Inszenierte Weiblichkeit" und "Gegen-Positionen. Künstlerinnen in Österreich" herausragende Künstlerinnen-Oeuvre, welche allzu oft im Schatten männlicher Künstlerkollegen standen oder stehen, gezeigt.

Die Ausstellung "Den Blick als Frau gerichtet" findet im Rahmen der oberösterreichisch/bayerischen Landesausstellung und der Festspiele Europäische Wochen 2004 statt.

 

MARGRET BILGER (1904 ­ 1971)

In der österreichischen Kunst des 20. Jahrhunderts markiert Margret Bilger in mehrfacher Hinsicht eine Sonderposition. In den ersten Jahren nach 1945 zählte sie zu den am meisten beachteten Künstlerinnen in Österreich.

Das Oeuvre Margret Bilgers umfasst neben dem umfangreichen Werk der Holzrisse und Glasfenster auch Aquarelle, Ölbilder und Zeichnungen. Ihre Auseinandersetzung mit der Welt der Farbe ist also stets getragen von ihrer sehr breiten Palette der verwendeten Materialien. Ein Charakteristikum Bilgers ist, dass sie ihr Werk schubweise hervorgebracht hat, von Erlebnissen und innerseelischen Zuständen geprägt. So kommt in ihrem Werk einzelnen Gattungen und Techniken zu verschiedenen Zeiten ein sehr unterschiedliches Gewicht zu.

Das graphische Schaffen mit größtenteils religiösen Bildinhalten dominiert durch drei Jahrzehnte bis zum Jahr 1950 ihr Werk. Vorbereitet durch die Jugendbewegung und den Expressionismus der 20er Jahre, hatte sie ihr überkonfessionelles Christentum in den einsamen Jahren persönlicher Krisen und politischer Katastrophen weiterentwickelt zu einem eigenwilligen mythisch-mystischen Bekenntnis. Durch die intensive Beschäftigung mit religiösen Motiven hat sie den entscheidenden Anknüpfungspunkt für die Glasmalerei vorbereitet. Im Gesamtwerk Bilgers folgen die Glasfenster unmittelbar auf die Holzrisse.

Gewisse Bildinhalte hat Margret Bilger ausschließlich der Ölmalerei vorbehalten. Als sie Mitte der 50er Jahre intensiver in Öl zu malen begann, waren es vor allem Kinderbilder, Stilleben und Landschaften, die sie nach dem Naturvorbild bearbeitete. Unschwer lassen sich bei den Kinderbildern von Paula Modersohn-Becker ausgehende Impulse entdecken. Wie die von Bilger verehrte Worpsweder Künstlerin, deren Bilder sie auf einer Reise 1936 in der Hamburger Kunsthalle bewunderte, malte Bilger mit Vorliebe Bauernkinder in ländlicher, einfacher Umgebung, in warmen, dunklen Erdfarben. Sie lässt sie wie jene gerne mit großen Augen frontal den Betrachter anschauen. Ein mütterlicher Zug, menschliche Wärme, ein Hang zum Einfachen, Unverbildeten sind beiden Künstlerinnen gemeinsam.
Dr. Martin Hochleitner führt in einem Artikel die Parallelen im Werk Modersohn-Beckers und Bilgers folgendermaßen aus: "Das Streben nach Flächigkeit, die Liebe zum Licht der Dämmerstunde, die Begeisterung für märchenhafte Stimmungen und die Neigung zu symbolischen Inhalten, die Suche nach der Einheit von Mensch und Natur, die Bewunderung der Gestaltungen der Primitiven und der frühen Epochen der Kunst, das war den beiden Künstlerinnen gemeinsam". Oder um mit Bilgers Worten ­ zitiert aus einem Brief nach dem schon besagten Ausstellungsbesuch in Hamburg ­ zu sprechen: "Wie schön leuchteten die Modersohns von innen heraus. Ich war erstaunt über die Verwandtschaft allein in der Technik schon von meinen Bildern."

"Vielleicht ist bei uns Frauen eine andere Psyche, immer aus dem Zusammen das Sinnvolle finden zu wollen." (Margret Bilger)

 

PAULA MODERSOHN-BECKER (1876 ­ 1907)

Die Künstlerin gilt als eine der großen Wegbereiter der Malerei des 20. Jahrhunderts. Signifikant bei ihren Bildkonzeptionen ist die Reduktion komplexer Dingwelten in einfache bildnerische Formen. Dahinter steht Modersohn-Beckers Überzeugung, sich bei der Konstruktion eines Bildes vom Naturvorbild zu lösen. Sie hat damit als eine der ersten einen neuen Weg in der zeichnerischen und malerischen Ausdrucksweise eingeschlagen und sich an den Anfang der modernen deutschen Malerei des 20. Jahrhunderts gestellt. In der Bildgestaltung beschränkte sie sich in konzentrierter Weise auf einige wenige Themen wie ihre archaisch wirkenden Menschendarstellungen (hier besonders ihre maskenhaften, in geometrische Strukturen zerlegte Gesichterdarstellungen), ihren Stillleben und Landschaftsdarstellungen. Gerade ihre veränderten Naturwahrnehmungen, die in einer Abkehr von herkömmlichen Naturnachahmungen gipfelten, zeichnen ihre Arbeiten aus und heben sie von anderen Künstlern ihrer Zeit ab.

Beeinflusst von Werken Paul Cézannes, Paul Gauguins und Vincent van Goghs entwickelt sie in ihren Bildentwürfen starke Vereinfachungen der farbig-flächigen wie formalen Gestaltungsprinzipien. In ihrer Entschlossenheit, Produktivität und Zielstrebigkeit hat Modersohn-Becker es vollbracht, sich konsequent ihrer künstlerischen Arbeit zu widmen und zurückgezogen in Worpswede bei Bremen ­ auch auf die Gefahr einer Trennung von ihrem Mann ­ ihrem Schaffen nachzugehen. Damit war sie wohl eine der wenigen Künstlerinnen, die sich mit einem unglaublichem Ernst und beeindruckender Intensität eine derartige künstlerische Freiheit erlangen konnten ­ und dies ohne Rücksichtnahme auf potentielle Sammler oder die kunstinteressierte Öffentlichkeit, sondern lediglich zur Erlangung ihres persönlichen Zieles, auf "das große Bild" hinzuarbeiten.

Die große künstlerische Analytikerin menschlicher Existenzen hat damit ein neues Bild vom Menschen kreiert. Im Besonderen jenes der Frau in ihrer monumentalen, mächtigen Darstellung. Nicht das Sexuelle oder Erotische ihrer männlichen Kollegen ist zentrales Thema in ihren Frauen- bzw.
Akt-Darstellungen, sondern das Kreatürliche des menschlichen Seins in seiner ganzen Einfachheit, Bescheidenheit, partiellen Kühlheit und nachdenklichen Einsamkeit. In den weniger als zehn Jahren ihres Schaffens hat diese Vorläuferin der Moderne rund 750 Gemälde, mehr als 1000 Handzeichnungen und 13 Radierungen hinterlassen und damit das außergewöhnliche Talent ihrer Kunst nachdrücklich bewiesen und sich als zentrale Figur in die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts eingeschrieben.

"...Ich möchte das Rauschende, Volle, Erregende der Farben geben, das Mächtige." (Paula Modersohn-Becker)

 

GABRIELE MÜNTER (1877 - 1962)

Gabriele Münter zählte zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der klassischen Moderne in Deutschland. Als Mitbegründerin der "Neuen Künstlervereinigung München" schloss sie sich an der Seite ihres Lehrers und langjährigen Lebensgefährten Wassily Kandinsky dem "Blauen Reiter" an. Ähnlich Modersohn-Beckers Intention wandte sie sich um 1908 vom "Naturabmalen" ab und einer zum Teil abstrahierenden Darstellung von gefühlten Inhalten zu. Dieser neue künstlerische Ausdruck war ­ wiederum ähnlich wie bei Modersohn-Becker ­ in der Darstellung des Seins in der Welt geprägt von beeindruckender Klarheit und Einfachheit. Eine Reduktion der Grundformen, eine prägnante flächige Darstellungsweise, die in ihrer Farbigkeit eine bildliche Ausdruckssteigerung evozierte, waren die Charakteristika ihres neuen Malstils.
Wie Modersohn-Becker und Bilger lebte auch sie äußerst zurückgezogen auf dem Lande und widmete sich in bescheidener Weise ihrem künstlerischen Leben. Ihren Durchbruch schaffte sie 1911 in einer gemeinsamen Ausstellung mit Kandinsky und Franz Marc. Um dem nach Moskau emigrierten Kandinsky näher zu sein, lebte sie seit 1915 in Skandinavien. Nach der unfreiwilligen Trennung von ihm ging sie jedoch 1920 nach Deutschland zurück. Im Dezember desselben Jahres findet ihre erste große Retrospektive in einer Galerie in München statt, die jedoch trotz positiver Kritik ohne weitere Folgen bleibt. 1927 lernt sie in Berlin den Kunsthistoriker Johannes Eichner kennen, mit dem sie seit 1929 zusammenlebt.
Mit der endgültigen Rückkehr nach Murnau 1931, greift Münter zahlreiche Bildmotive und den Stil der Vorkriegszeit wieder auf, jedoch in weniger expressiver Formensprache und einem weicheren Malduktus. Erst spät, 1949, trat sie im Rahmen der Ausstellung "Der Blaue Reiter in München" als 72jährige wieder an die kunstinteressierte Öffentlichkeit. Hiermit löste sie sich von Kandinsky, in dessen Schatten ihr Oeuvre immer betrachtet wurde, und festigte zugleich ihre originäre Position in der Kunst des 20. Jahrhunderts, die erstmals eine entsprechende Würdigung erfuhr.

"Ich war in vieler Augen doch nur eine unnötige Beigabe zu Kandinsky. Dass eine Frau ein ursprüngliches, echtes Talent haben und ein schöpferischer Mensch sein kann, das wird gern vergessen."(Gabriele Münter)

Vernissage Freitag, 2. Juli 2004, 17 Uhr

 

 

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