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Olaf Gulbransson Museum für Graphik & Karikatur

Im Kurgarten
83684 Tegernsee
Tel. 08022 - 3338
tgl. von 11 bis 17 Uhr außer montags
olaf.gulbransson@gmx.de
http://www.olaf-gulbransson-museum.de
aktuelle Ausstellung / current exhibition
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition

 

08.01. - 26.02. 2005

Bildergalerie der Straße - Historische Plakate 1890 - 1914

 

Ein feuerroter Hund mit gefletschten Zähnen starrt den Betrachter mit irren Augen an, von seinem Hals hängt der letzte Rest einer Eisenkette, von der das furchterregende Vieh sich gerade losgebissen hat. Die Bulldogge von Thomas Theodor Heine aus dem Jahr 1896 ist einer der Klassiker unter den deutschen Plakaten. Sie war gleichzeitig eines der ersten Titelbilder der Münchner Satirezeitschrift Simplicissimus. Die Konzentration auf wenige Striche, die Flächigkeit der Farbe, eine auf das wesentliche beschränkte Zeichnung ­ das waren und sind nicht nur Kennzeichen der Karikatur, sondern auch des modernen künstlerischen Plakats, das gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstand.
Historische Plakate aus den Jahren 1890 bis 1914 zeigt jetzt das Olaf-Gulbransson-Museum für Graphik & Karikatur in Tegernsee. Die etwa 50 Exponate sind eine Leihgabe der Kunstsammlungen Chemnitz, die über eine Sammlung von insgesamt 3000 Plakaten aus den Jahren 1890 bis 1989 verfügen. In der Ausstellung im Olaf-Gulbransson-Museum für Graphik & Karikatur sind Arbeiten aus der Entstehungszeit des modernen Plakats in Europa zu sehen, einer Zeit, als die allgegenwärtige Präsenz der Plakate Schlagwörter schuf wie das von der "Bildergalerie der Straße" oder der "Kunstausstellung für den kleinen Mann".
Bis etwa 1870 waren Plakate ausschließlich in Schwarz-Weiß gehalten und geradezu überladen an Text. Die zunehmende Industrialisierung mit ihrer Massenproduktion und neue technische Entwicklungen beim Druck förderten die Entstehung des Plakats als ein eigenes künstlerisches Genre. Im ausgehenden 19. Jahrhundert war das Plakat schließlich nicht nur Hauptträger kommerzieller Produktwerbung, sondern stand auch im Dienst von Kunst und Kultur, kündigte Ausstellungen, Theateraufführungen oder Filme an. Politische Parteien und andere Gruppierungen nutzten Plakate für Aufrufe und Propaganda.
Der Erfolg dieses neuen Mediums schuf auch einen neuen Künstlertypen, Künstler, deren Ruhm ausschließlich mit dem Plakat verbunden war und die damit ihr Geld verdienten. Ein solcher war der Franzose Jules Chéret, der als Erfinder des modernen Farbplakats gilt. In seinen Bildern fing er Lebenslust und Rausch des verführerisch glitzernden Paris am "fin du siècle" ein. In den 1890er Jahren begann mit Jules Chéret, Toulouse-Lautrec, Eugéne Grasset sowie Alfons Mucha die große Zeit des französischen Plakats, das für Europa beispielhaft wurde. Zu den modernen Elementen ihrer Werke gehören die Beschränkung des Textes zugunsten der bildhaften Aussage, die Verwendung weniger kontrastierender Farben sowie die Konzentration der Darstellung auf ein attraktives Motiv ­ meist die Gestalt einer Frau. In England entwickelte sich ­ angeregt durch amerikanische Vorbilder ­ ein ganz eigener Plakatstil mit großer, lebhafter Beschriftung in fetten, blockhaften Lettern. Typisch für die englischen Plakate waren neben den großzügig vor große Farbflächen gesetzten Frauengestalten vor allem auch anekdotische und humoristische Motive.     
Sie waren auch Anregung für das Schaffen deutscher Plakatkünstler. Hier entstanden um die Jahrhundertwende zwei Plakatzentren mit unterschiedlicher Ausrichtung: Während sich in Berlin Tempo und Hast der Hauptstadt in schlichten, strengen Abbildungen widerspiegelten, zeichneten sich Münchner Plakate mit Motiven von sprudelndem Leben und Schalksnarren durch eine gewisse liebenswürdige und malerische Note aus. Hier sind u.a. Bruno Paul, Ferdinand von Reznicek und Otto Obermeier zu nennen. Einen ganz eigenen, zuweilen eigenwilligen Stil pflegte Thomas Theodor Heine, dessen Plakate boshaft funkelnde Ironie und satirische Bissigkeit versprühten. Als ein Vertreter der modernen Sachplakatkunst gilt Ludwig Hohlwein, dessen Bilder leise und unaufdringlich für den gehobenen Lebensstil warben. Bedeutende Plakate stammen außerdem von Franz von Stuck, u.a. das für die internationale Hygiene-Ausstellung im Jahr 1900 in Dresden, sozusagen Prototyp des modernen Symbolplakats. Wichtige Vertreter der Berliner Plakatszene sind u.a. Lucian Bernhard (Schöpfer des Sachplakats), Julius Klinger (Meister des plakativen Witzes) sowie Ernst Deutsch (Schilderer der exklusiven Lebenswelt). Zu den Berliner Plakatkünstlern gehört außerdem Käthe Kollwitz, deren Werke geprägt sind vom Kampf für soziale Gerechtigkeit, politischer Parteinahme und Mitgefühl.
Die Ausstellung "Bildergalerie der Straße ­ Historische Plakate 1890-1914" zeigt nicht nur ein breites Spektrum an Künstlern und Stilen, sondern sie ist auch Panorama der Geschichte: Plakate sind Barometer wirtschaftlicher, sozialer, kultureller oder politischer Ereignisse und deren Wechselbeziehungen. Und so spiegeln die in der Ausstellung gezeigten Exponate Wünsche, Sehnsüchte und Befindlichkeiten der Bevölkerung um 1900, führen dem Betrachter damalige geistige und praktische Aktivitäten vor Augen. Der Besucher kann somit nicht nur Kunst, sondern auch Geschichte erleben.
Ein Katalog zu der Ausstellung ist im Museum erhältlich.
 

 

 

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