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Oldenburger KunstvereinDamm 2a
26135 Oldenburg
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aktuelle Ausstellung / current exhibition
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition
6.11.1999 - 2.1.2000
Günther Förg
Wenn Günther Förg in den Anfängen seiner künstlerischen Laufbahn, das war noch in seiner Zeit an der Münchener Akademie, jeden Tag ein graues Bild malte, so war das sicher einmal eine pathosgeladene Geste der Verweigerung, während der Künstler gleichzeitig eine Art von Tabula rasa schuf, auf der sich schliesslich seine ureigensten Vorstellungen von Kunst artikulieren konnten. Und das ist in einem gewissen Sinne buchstäblich zu verstehen, denn wie Förg selbst einmal erzählte, habe er damals die Bildträger grundiert, schwarz bemalt und dann mit einem Schwamm eine graue Struktur darüber gelegt; mit anderen Worten: "Die Bilder entstanden wie auf einer Schultafel." So gesehen, hatte sich der Künstler ein freies Feld geschaffen, eine von alten wie auch neuen Lehrmeinungen und Vorstellungen der Malerei gereinigte Tafel, deren latente Leere ihm jenen weiten Horizont eröffnete, durch den sein Schaffen letztlich charakterisiert ist. Diese schöne Erzählung von der Verweigerung als Freiraum ist natürlich nur ein Aspekt der ganzen Geschichte, denn andererseits offenbarten die grauen Bilder schon damals Förgs Präferenz für die Tradition einer abstrakten, monochrom orientierten Kunst, am Ende waren sie sogar mehr oder weniger direkt von Cy Twombly inspiriert. Doch wie auch immer, er schuf einen schwarzen Grund, auf dem sich vage, noch keiner Ordnung verpflichtete Spuren als Oberfläche manifestierten, als Bild.
Aus diesem kargen Ansatz ist mittlerweile ein Oeuvre entstanden, dass bei der ersten Begegnung durchaus ein Moment der Verunsicherung hervorrufen kann. Denn das während nun rund 25 Jahren geschaffene Werk demonstriert eine derartige Bandbreite der Ausdrucksformen und Motive, dass es einem auf Anhieb nicht leicht fällt, eine übergeordnte Idee oder ein verbindend verbindliches Arbeitsprinzip zu erkennen - und von einer Werk-Entwicklung im klassischen Sinne kann hier sowieso nicht die Rede sein; zu deutlich ist das Werk von Brüchen und Sprüngen durchsetzt. Dennoch, der erste Überblick offenbart ein vielgestaltiges und thematisch vielschichtiges Korpus von letztlich doch kohärenten Werken: Da ist der ganze Komplex von Zeichnungen, Aquarellen und grafischen Blättern, das weite Spektrum von malerischen Formulierungen auf unterschiedlichsten Bildträgern wie Blei, Kupfer, Papier, Holz oder Leinwand, der gewaltige Fundus von Fotografien und der gewichtige Komplex von plastischen Arbeiten in Gips und in Bronze. Nicht zu vergessen, schliesslich, die präzisen Setzungen der Wandmalerei, die ein zentrales Element von Förgs Kunst darstellen, weil sie - von ihrer autonomen malerischen und koloristischen Qualität einmal abgesehen - sehr direkt auf den realen architektonischen Raum verweisen und damit auch das installative Moment konkreter Ausstellungen ansprechen. Denn im Laufe seiner Karriere hat Förg die unterschiedlichen Aspekte seiner Arbeit verschiedentlich in komplexen, bis ins kleinste Detail durchdachten Ausstellungssituationen regelrecht inszeniert und disparate Werkgruppen geradezu programmatisch zueinander in Beziehung gesetzt. Dieser experimentell kreative Umgang mit der Ausstellung war zuerst eine Folge seiner Existenz als Künstler ohne Atelier, der nicht ziellos für den Tag arbeitete, sondern von Fall zu Fall einer Idee folgte und diese im Hinblick auf eine Ausstellung realisierte. Auf diese Weise hat er die Ausstellung als ein produktives Medium mit eigenen Möglichkeiten entdeckt, mit dem er intensive Stimmungs- und Erregungskontexte für die Präsentation seiner Kunst zu schaffen vermochte. Es ist darum nicht abwegig, auch diese Ausstellungsereignisse als eine eigene, wenn auch flüchtige Werkkategorie Förgs zu betrachten. Jedenfalls entspricht sie auf ideale Weise der hochtourigen, in der rasanten Lebenswirklichkeit des Künstlers verankerten Arbeitsweise, bei der einmal erarbeitete Positionen jederzeit aufgegeben, über den Haufen geworfen, weiter entwickelt oder zu neuen Positionen in Beziehung gesetzt werden können, so dass der Charakter und die Wertigkeit der ursprünglichen Position immer in Frage gestellt ist. Da herrscht auf dem Hintergrund einer Werkidee die Intensität des Augenblicks, die das rationale Konzept intuitiv durchbricht.
Diese bewussten Gegenüberstellungen dienten und dienen in erster Linie selbstverständlich nicht der Einbindung von einzelnen, scheinbar unvereinbaren Werkkomplexen in die umfassende Vorstellung eines Oeuvres, sie machen die unterschiedlichen Ansätze vor allem einmal sichtbar. Die Gegenüberstellung dient so als Instrument der kontinuierlichen Reflexion der künstlerischen Problemstellungen, der Effizienz der eingesetzten Mittel und der Qualität der jeweils erarbeiteten Resultate. Das Nebeneinander wird zu einem Miteinander, in dessen übergreifenden Verständnisrahmen Strukturen und Motive sichtbar werden, die sich über die Gattungen hinweg in ihren Entsprechungen beobachten und verfolgen lassen. Da lässt sich die Spiegelung der Wandmalerei im Aquarell erahnen und die fliessende Bewegung des Aquarells in den bewegten Oberflächen von Reliefs und Skulpturen nachvollziehen. Da wird die Wandmalerei angesichts der Fotografien rationaler, modernistischer Architektur zu einem Kommentar der konkreten Architektur des Ausstellungsraumes, während die Fotografien als Strukturen lesbar werden, die sich in seinen Bildern wiederfinden: in den Gitterbildern zum Beispiel, aber auch in den Auseinandersetzungen mit dem Motiv des Fensters oder in den Anspielungen auf Munchs Decke. So verwandelt sich die Versammlung der Werke in einen Ort, wo der Widerspruch formuliert und ausgetragen werden kann. Es offenbart sich, dass die grundsätzlich abstrakt motivierte Malerei Förgs immer auch eine Referenz auf die gegenständliche Welt hat, insbesondere aber eine Referenz auf die Kunst selbst, die eigene und die Kunst der Moderne. Was sich schon beim diskreten Rückgriff auf Twombly im Falle der grauen Bilder angekündigt hatte, wird nun als grosses, gegen den Zeitgeist gewähltes Thema von Förgs Arbeit offenkundig.
Da tritt tatsächlich Unvereinbares gegeneinander an: Gleichberechtigt steht bei Förg die kinematografische Weltsicht eines Jean-Luc Godard neben den Postulaten der Konstruktivisten, da wird Barnett Newmans Forderung nach der Unmittelbarkeit des sublime genau so ernst genommen wie Donald Judds Konzept vom specific object, und Palermos Auseinandersetzung mit der Farbe und dessen Beschäftigung mit dem Bild im Grenzbereich zwischen Malerei und Objekt, zwischen Fläche und Raum war einige Zeit zentraler Gegenstand seiner künstlerischen Untersuchungen. Das heisst, es geht hier bei aller Spontaneität um einen grundsätzlich reflektiven Ansatz, bei dem die eigene Position explizit sowohl auf die Tradition als auch die Gegenwart bezogen ist. Künstlerische Arbeit wird ganz wesentlich als kontinuierliche, kommentierende Reaktion auf bestehende und selbstverständlich auch eigene Bildwerke verstanden, wobei diese bewusste Auseinandersetzung mit der Tradition und der Gegenwart mit einem immer wieder überraschenden visuellen Scharfsinn und Witz vorgetragen wird, der kaum je ironisch relativierend gebrochen ist. Die Diskussion zwischen Bildwerken geschieht nämlich weder in Form der Karikatur, des herkömmiichen Kopierens einer bestimmten Formensprache, noch in der Form der klassischen Paraphrase - auch wenn Förg dem Blick auf das scheinbar Bekannte eine Erregung zu verleihen versteht, wie wir sie in dieser Frische sonst nur von Picassos Paraphrasen kennen -, und sie manifestiert sich schon gar nicht in Form der postmodernen appropriation. Es ist eher so, wie wenn sich einer die Grammatik und das Vokabular künstlerischer Sprachen anverwandeln würde, um dieses verinnerlichte strukturelle Wissen im intuitiven Prozess der Gestaltung, im Material seibst auf seine Essenz und seine Möglichkeiten hin zu überprüfen. Daraus erwächst die spezielle Qualität des Unternehmens, indem nämlich Analyse und Kommentar auf derselben nicht-diskursiven Ebene der bildnerischen Fragen stattfinden, auf der auch der beobachtete Gegenstand angesiedelt ist. Es ist hier eine Direktheit des Erkenntnisprozesses im Spiel, in welcher die Reflexion unmittelbar gezeigt und nicht darüber referiert wird. Förg zeigt nur auf, denn der Diskurs der Bilder ist auf ebenso irritierende wie leichtsinnige Weise auf sich selbst bezogen und seiner Natur nach nicht sprachlich gefasst.
In der Folge dieser faszinierenden bildnerischen Auseinandersetzung kommen schliesslich auch die Inhalte und Bedeutungen ins Spiel, die der Vorbilder genauso wie die eigenen. Und es gelingt Förg in oft provokativer Weise, die thematisierten Positionen der Kunstgeschichte - im Kontext der Moderne geht es auch um Fragen der Wahrheit und der Moral - als weiter bestehende und beunruhigende zeitgenössische Fragestellungen zu problematisieren und mit neuem Leben zu erfüllen. Die Diskussion der Moderne wird noch einmal an die Hand genommen, die Gültigkeit rationaler Entwürfe noch einmal als Möglichkeit in den Raum gestellt. Das grosse Faszinosum an Förgs Werk ist am Ende aber doch die - durch all die Prozesse des Erkennens, des Formulierens und des Verwerfens - von ihm selbst entwickelte eigene Bildsprache, die inzwischen in allen Gattungen eine markante Gestalt und Präsenz erreicht hat. Eine Bildsprache, die sich in der Auseinandersetzung mit der Tradition der Moderne geschärft und immer deutlicher als eine eigene Ästhetik herausgebildet hat. Nicht dass ich von einem eigentlichen Stil sprechen möchte, denn dafür ist sie zu vielgestaltig und der Künstler selbst zu sehr auf spontane Exkursionen in unbekanntes Gebiet aus - und den vorsätzlichen Widerspruch liebt er sowieso. Darum bleibt das ästhetische Faszinosum und die auratische Wirkung seiner Kunst weiterhin eine Erscheinung der Oberfläche, denn nur aus dieser Position der Sichtbarkeit bleibt der Blick in beide Richtungen frei, in die Höhe und in die Tiefe. Abgesehen davon sorgt er mit seinem Hang zur Oberflächlichkeit auch dafür, dass sich die Basis nicht verfestigt und der Prozess in Bewegung bleibt. Denn Günther Förgs Auseinandersetzung mit der Kunst kocht immer noch auf grosser Flamme, auch wenn sich sein Interesse vom Moment des Rationalen möglicherweise vermehrt auf das Irrationale verlagert.
Max Wechsler
Eröffnung der Ausstellung am 13.11.1999, 17 Uhr
Begrüßung: Gertrud Wagenfeld-Pleister, Oldenburger Kunstverein
Grußwort: Frank Thole, Kulturstiftung der Öffentlichen Versicherungen Oldenburg
Einführung: Rudolf Schmitz
Zur Ausstellung erscheint ein Leporello und eine Grafikedition.
Günther Förg
1952 geboren in Füssen
1996 Wolfgang-Hahn-Preis
Günter Förg lebt und arbeitet in Areuse, Schweiz
Einzelausstellungen (Auswahl)
1980 Rüdiger Schöttle, München
1984 Galerie Max Hetzler, Köln
1986 Kunsthalle Bern Westfälischer Kunstverein, Münster
Galerie Grässlin-Ehrhardt, Frankfurt a. M.
1988 Haags Gemeentemuseum, Den Haag
Renaissance Society Gallery at the University of Chicago
1989 Newport Harbor Art Museum, Newport Beach
1989-90 Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam
Museum van Hedendaagse Kunst, Gent
Ausstellungsraum Max Hetzler, Köln
1990-91 Museum Fridericianum Kassel, Museum van Hedendaagse Kunst, Gent
Museum der Bildenden Künste Leipzig u. Kunsthalle Tübingen
1991 Musée d'Art Moderne de laVille de Paris, Paris
Galerie Grässlin-Ehrhardt, Frankfurt a.M.
1992 Kunstverein München
Oriel Mostyn, Llandudno, Wales
1993 Camden Art Center, London
Fotografien 1982-1992, Deutscher Werkbund, BDA Frankfurt a. M. u. Galerie der Stadt Stuttgart, Stuttgart
1994 Druckgraphische Serien, Kunstmuseum Bonn, Bonn
Galerie Bärbel Grässlin, Frankfurt a.M.
Wandmalerei, Galerie Tanja Grunert u. Michael Janssen, Köln
1995 Günter Förg - Paintings 1974-1994, Stedelijk Museum, Amsterdam
Architektur Moskau 1923-41, Galerie Max Hetzler, Berlin
Fotografien, Galerie Lia Rumma, Neapel
Architecture, Moscow 1923-41, Luhring Augustine Gallery, New York
1995/96 Kunstverein Hannover, Hannover
1996 Kunstverein Hamburg, Hamburg
Deutsche Bank Luxembourg S.A., Luxembourg
Gitterbilder, Kunstmuseum Luzern, Luzern
Fotografien des IG-Farben-Hauses Frankfurt, Architekt: Hans Poelzig, 1928-1930, Galerie Bärbel Grässlin, Frankfurt a.M.
1997 Stiftung für Konkrete Kunst, Zürich
Galerie Lelong, Paris
1998 Binary Star, zus. mit J. Gachnang, Galerie Bärbel Grässlin, Frankfurt a.M.
1998/99 Was andern selbstverständlich, ist uns Problem, Städtisches Museum
Abteiberg, Mönchengladbach
Museo Reina Sofia / Palacio de Velazquez, Madrid / IVAM - Centre del Carme, Valencia
Arken Museum for Moderne Kunst, Kopenhagen
Gruppenausstellungen (Auswahl)
1984 von hier aus, Messegelände, Düsseldorf
1985 Chambre d'amis, Museum van Hedendaagse Kunst, Gent
Prospect 86, Frankfurter Kunstverein
1988 Schlaf der Vernunft, Museum Fridericianum, Kassel
1988-90 Bilderstreit, Rheinhallen der Köiner Messe, Köln
1990 Metropolis, Martin Gropius Bau, Berlin
1991 Geteilte Bilder - Das Diptychon in der neuen Kunst, Museum Folkwang, Essen
Ars Pro Domo, Museum Ludwig, Köln
Documenta IX, Kassel
Das offene Bild, Wesffälisches Landesmuseum, Münster
1992/93 Photography in Contemporary German Art: 1960 to the Present, Walker Art Center, Minneapolis / Dallas Museum of Art, Dallas / Modern Art Museum of Fort Worth, Fort Worth / Guggenheim Museum Soho, New York / Museum Ludwig, Köln
1993 Zeitsprünge, Sammlung Scharpff, Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen Museum auf Zeit, Museum Fridericianum, Kassel
1994 Der Zerbrochene Spiegel, Museumsquartier Messepalast u . Kunsthalle Wien, Deichtorhallen, Hamburg
1994/95 Temporary Translation(s), Sammlung Schürmann, Deichtorhallen Hamburg
1995 Corpus deliciti, Museum van Hedendaagse Kunst, Gent
1996 Munch and after Munch or the obstinacy of painters, Stedelijk Museum Amsterdam / Munch Museet, Oslo
Nuevas Abstracciones, Palacio Velazquez / Museo Nacional Centro de Arte
Reina Sofia, Madrid, Kunsthalle Bielefeld, Museu d'Art Contemporani,
Barcelona
Sammlung Speck, Museum Ludwig, Köln
1997 Epoche der Moderne - Kunst im 20. Jahrhundert, Martin Gropius Bau, Berlin
1997/98 Deutschlandbilder, Martin Gropius Bau, Berlin
1998 Moderne Architektur in Deutschland 1900 -2000.
Macht und Monument, Deutsches Architektur-Museum, Frankfurt a M.
The Art of the 80's, Culturgest, Lissabon
9.12.1999, 20 Uhr
VortragProf. Dr. Stefan Bodo Würffel, Fribourg (CH)
"Ungeheure Verantwortung hängt daran".
Nationalismus, Moral und Utopie in Franz Werfels Roman
'Die vierzig Tage des Musa Dagh'