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Photographische Sammlung / SK Stiftung Kultur
SK Stiftung Kultur der Stadtsparkasse Köln
Im Mediapark 7
50670 Köln
Tel. 0221 - 226 24 23, 02211226-5900; Fax 0221 - 226 57 43, 02211226-5901
täglich 14 - 19 Uhr, Mi geschlossen, Mo Eintritt frei
skkultur@aol.com
über die SK Stiftung Kultur
www.sk-kultur.de
aktuelle Ausstellung / current exhibition
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition
21.01,. - 27.03. 2011
Chris Durham. Belfast
Eine Ausstellung der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur in Zusammenarbeit mit dem Künstler
Die Bildreihe Belfast steht exemplarisch für das photographische Schaffen des 1964 in London geborenen Künstlers Chris Durham. Seit Beginn seiner künstlerischen Arbeit im Jahr 1994 verbindet sich sein photographisches Tun mit genau geplanten Reiserouten und Wanderungen, wobei er sich vor allem mit dem Thema der Stadtlandschaft und der natürlichen Landschaft auseinander setzt. So hat er verschiedene Länder wie insbesondere Belgien, Deutschland, England, Frankreich, Zypern oder wie im gegebenen Fall Nordirland bereist und hinsichtlich seiner Werkgruppen topographisch relevante Aspekte herausgegriffen. In den letzten Jahren richtet sich sein Interesse bevorzugt auf Gebiete, deren Geschichte gravierend durch politische Konflikte und Grenzverläufe gekennzeichnet ist und deren Auswirkungen sich verschieden stark im Lebensumfeld niederschlagen. 2004 entstand so der photographische Zyklus Die Narbe Deutschlands, der die ehemalige Trennlinie zwischen Ost- und Westdeutschland thematisiert und das Augenmerk zumeist auf die im Laufe der Zeit nur noch wenig auffallenden Grenzanlagen im natürlich geprägten Landschaftsbild legt. Ebenso entstand das große und aufwendig gefertigte Panorama Nicosia International Airport, das den Betrachter mit der verfallenden Fassade des gleichnamigen Flughafenterminals konfrontiert, der 1974 im Zuge der gewaltsamen Trennung zwischen der türkischen Republik Nordzypern und dem griechischen Südteil der Republik Zypern gesperrt wurde. Dieses photographische Werk liefert ein beredtes Zeugnis für den anhaltenden Zypernkonflikt, dessen Anfänge bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen, als die Insel 1878 unter die Herrschaft des Vereinigten Königreich von Großbritannien und Irland geriet und bis heute in unzählige Lebensbereiche ausstrahlt.
Hatte Chris Durham 2001 neben anderen europäischen Großstädten Belfast auch für sein Projekt Citycrossings bereist, kehrte er 2009 in die nordirische Hauptstadt zurück, um in den konfessionell getrennten Wohnvierteln zu photographieren. Dort trifft er auf Wandgemälde oder Graffiti, in denen sich die unausgesetzte Brisanz des sich über Jahrhunderte entwickelten Nordirlandkonflikt spiegelt. Dieser verursacht in großen Teilen der Bevölkerung eine Spaltung, einerseits zu den protestantischen Unionisten tendierend, die sich zum Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland bekennen, andererseits zu den katholischen Nationalisten, die eine Vereinigung mit der Republik Irland anstreben. Dazu gibt es eine Vielfalt verschiedener liberaler, aber auch radikaler oder sogar gewaltbereiter Untergruppierungen. In den Straßen Belfast wirken die Wandgemälde im englischen Sprachgebrauch als "murals" bezeichnet wie Signale und geben unmissverständliche Hinweise auf die jeweilige Gesinnung der Anwohner. Oft basieren sie auf den Farben der Nationalflaggen, entweder rot-weiss-blau für die britische, oder grün-weiß-orange für die irische, so dass auf den ersten Blick eine Orientierung gegeben ist ähnlich der Bürgersteigmarkierungen, die zuweilen ebenso in entsprechender Farbigkeit gestrichen sind. Doch mehr noch geben die Wandgemälde Botschaften oder massive Parolen aus, heben entsprechend fanatische Parteien oder Organisationen hervor, erinnern an Geschichts- und Kampfereignisse, an Attentate, oder an einzelne Kämpfer und Opfer, die zu Helden stilisiert werden. Ohne genaueres Hintergrundwissen sind die Wandgestaltungen kollektiven, schwer dechiffrierbaren Codes vergleichbar, die jedoch im Alltag der Bewohner, sei es beim Einkauf oder auf dem Weg zum Arbeitsplatz, wichtige Grenzen und Reglements vorzeichnen oder auch nur mahnend im Hintergrund mitschwingen. Die Präsenz der einzelnen Gemälde ist durchaus unterschiedlich. Während die einen über die Zeit verblassen oder sogar verschwinden, werden andere Darstellungen im Wandel der politischen Situation und Ereignisse übermalt.
Aufmerksamkeit erzielen die Wandgemälde vor allem durch ihre Größe und expressive Farbigkeit in den vielfach eintönigen, grauen Wohnvierteln. Dieses Moment scheinen Durhams Photographien nochmals mehr zu unterstreichen. Bei bedecktem Tageslicht aufgenommen, gewinnen die Farben seiner Bilder an Leuchtkraft und treten besonders deutlich hervor. Mit seinen Aufnahmen nimmt er jedoch für keine der in seinen Ansichten angesprochenen Gruppen Partei, vielmehr registriert er die angetroffenen Situationen in aller Sachlichkeit und betrachtet die "murals" in Nachbarschaft anderer im Stadtbild vorkommender Phänomene, wie parkenden Autos, Geschäften oder kommerziellen Werbetafeln, die mit wiederum andersartig konnotierten Bild- und Schriftzeichen ausgestattet sind. Die zu den New Topographics gehörenden photographischen Positionen können durchaus zu Durhams Vorbildern gezählt werden, er übernimmt ihre dokumentarisch deskriptive Methode und transferiert diese in einen europäischen, stark politisch geladenen Kontext. Ohne dass die Bevölkerung konkret im Bild vorkommt, fordern seine in stiller Atmosphäre aufgenommenen Bilder dazu auf, über die spezifischen Lebensverhältnisse und ihre Ursprünge zu reflektieren. So erschreckend selbstverständlich sich die teilweise geradezu martialischen Wandgemälde in das städtische Gesamtbild einfügen, so nah wird der Konflikt als substantieller Teil der komplexen Geschichte Nordirlands in Chris Durhams Bildreihe Belfast vor Augen geführt ein hohes Aggressionspotential, das unübersehbar zum europäischen Alltag des 21. Jahrhunderts gehört.Chris Durham wohnt und arbeitet in Düsseldorf. Zwischen 1994 und 2002 hat er an der Kunstakademie in Düsseldorf bei Bernd Becher und Thomas Ruff studiert und als Meisterschüler abgeschlossen. 2002 erhielt er vom Deutschen Forum für Kunstgeschichte ein Auslandsstipendium nach Paris und 2003 den Förderpreis für Dokumentarfotografie der Wüstenrot Stiftung. Seit 2002 arbeitet er als Assistent am Werk von Bernd und Hilla Becher und 2006 2007 war er als Lehrbeauftragter an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe tätig. Sein Werk war in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen vertreten, darunter 2010 ebenso mit einer Auswahl aus der Reihe Belfast in der Präsentation "Der Westen leuchtet" im Kunstmuseum Bonn, die nun aktuell noch einmal um mehrere Arbeiten ergänzt und im Pendant mit der Ausstellung New Topographics vorgestellt wird.