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Schirn KunsthalleRömerberg
60311 Frankfurt am Main
Tel. 069 - 29 98 82 11; Fax 069 - 29 98 82 40
So + Di 11 - 19 Uhr, Mi - Sa 11 - 22 Uhr, Mo geschlossen
http://www.schirn.de
aktuelle Ausstellung / current exhibition
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition
04. - 28.10.2001
Im Spiegel der FreiheitAusgewählte Positionen griechischer Kunst im 20. Jahrhundert
In Zusammenarbeit mit "Greece 2001 " anläßiieh der Präsentation Griechenlands als Gastland der
53. Frankfurter BuchmesseYannis Tsarouchis (1910-1989), Stephen Antonakos (geb. 1926) und George Hadjimichalis (geb. 1954) - drei Künstler aus drei Generationen des 20. Jahrhunderts, mit denen wir Programm des Gastlandes der diesjährigen Frankfurter Buchmesse in der Schirn begleiten. Ausgewählt wurden diese Künstler.unter einem Aspekt, der sie alle drei eint: ihre intensive Beschäftigung mit den Wurzeln der griechischen Kultur, mit der Antike und Byzanz.
Yannis Tsarouchis steht stellvertretend für eine Gruppe griechischer Künstler, die die "Dreißiger-Generation" genannt wird. Tsarouchis' Gemälde konfrontieren uns mit zwei Kulturen, der des Ostens und der des Westens, die er in seinem Werk auf einzigartige Weise verschmelzen läßt. In seinen Bildern ist eine Vielzahl von Einflüssen erkennbar, von der griechischen Antike und Volkskunst bis hin zur westeuropäischen Avantgarde, insbesondere der von Matisse und Picasso, die er während seines Studiums in Paris kennenlernt. Sein zentrales Thema ist die Freiheit, eine Befreiung in doppeltem Sinne: die fast 400 Jahre währende Herrschaft der Türken hatte zu einem Abbruch der blühenden griechischen Kultur geführt, so daß eine kulturelle Identität der Griechen nur in der christlichen orthodoxen Religion ansatzweise erhalten blieb, welche nach der Befreiung von der Unterdrückung aber eine Integration in die Kultur Europas erschwerte. So standen irn 19. Jahrhundert in der Kunst Griechenlands zwei scheinbar unvereinbare Tendenzen einander gegenüber: einerseits die
traditionelle Ikonenmalerei und andererseits Volkskunst und eine bürgerliche Malerei, die sich an der Münchner Schule und am französischen Impressionismus orientiert. Erst der sogenannten Generation der Dreißiger gelang es, sich aus diesem kulturellen Dilemma zu befreien und dem Prozeß der klassischen Moderne Europas eine eigene, griechische Farbe hinzuzufügen. Dieser Befreiung aus dem Dilemma der griechischen Kulturgeschichte der Neuzeit korrespondiert nun
bei Tsarouchis eine zweite, persönliche, die ihm in der Begegnung mit der Antike gelang. Sein Werk zeigt den männlichen Körper nicht länger als Ideal, als Ausdruck edler Einfalt und stiller Größe, sondern bekennt sich offen zur Homosexualität. Diese Emanzipation findet bei Tsarouchis erstaunlich früh statt, siedeln wir sie doch irn allgemeinen eher in den 60er und 70er Jahren in der angelsächsischen Welt an, und sie ist um so bewundernswerter wenn wir uns vor Augen führen, wie in eben jenen Jahren der Entstehung dieser Werke in Deutschland die Homosexualität auf brutalste Weise unterdrückt wurde.Der Lichtkünstler Stephen Antonakos dagegen knüpft an die spirituellen Kräfte der byzantinischen Kunst an. Wenn Antonakos über seine Bilder spricht, fallen immer wieder zwei Schlüsselwörter: einfach und Geheimnis. Einfach bedeutet für ihn die Beschränkung auf das Wesentliche, der Verzicht auf jegliche Dekoration oder Verzierung, In der Rotunde der Schim sind einige Neonarbeiten von ihm zu sehen, an denen diese Schlichtheit deutlich zu sehen ist und die der Künstler wegen dieser Reduktion als Ikonen bezeichnet. Geheimnis heißt in Antonakos' Sinne, daß die großen Fragen, wieviel wir auch lernen und erfahren, unbeantwortet bleiben. Dies Geheimnis bezeichnet Antonakos' Wunsch, durch seine Werke Räume zu schaffen abseits von unserem gehetzten Alltag, die ruhig und doch lebendig sind und in denen ein tieferes Begreifen möglich ist. Stephen Antonakos, der in Griechenland geborene Amerikaner, hat zweifelsohne das auffälligste Kunstwerk der Ausstellung geschaffen: die kleine Kapelle auf dem "Tisch" der Schirn, die Theotokos, der Gottesmutter gewidmet ist und bescheiden dem Frankfurter Kaiserdom gegenübertritt. Die Kapelle für Theotokos, die Nahtstelle zwischen Gott und Mensch, ist ein von der Formensprache der Abstraktion geprägtes Werk. Der in der Orthodoxie verwurzelte Künstler beweist mit seiner Installation, daß Minimal Art und Neonkunst geeignete Ausdrucksmittel für letzten Endes religiöse Fragen sein können.
Auch George Hadjimichalis' Werk befaßt sich, wie das Tsarouchis', mit dem Bruch und der Kontinuität der Tradition. Allerdings vollzieht sich diese Auseinandersetzung nunmehr vor dem Horizont einer sich rasch entwickelnden Globalisierung der Kunst. Seine wesentliche künstlerische Prägung erhielt er in London, wo er in den 70er Jahren studierte. Die politische Geschichte seiner Zeit, Fragen der Philosophie der Wahrnehmung, aber auch die Erkenntnisse der Astronomie und der Archäologie dringen tief in die meist äußerst komplexen Konzepte seiner Werke ein. Seit seiner Rückkehr nach Griechenland hat er sich zwei Medien mit besonderer Hingabe gewidmet: der Landschaft und dem Mythos. In dem Hauptwerk der Präsentation dieses Künstlers in unserer Ausstellung, der großen Installation ßchiste Odos - der Dreiweg, an dem Ödipus Laius tötete", werden diese Elemente allesamt thematisiert. Die kleine, in Öl gemalte Landschaft, von der die Installation ihren Ausgang nimmt, zeigt jene Kreuzung in der Nähe Delphis, wo der nach seiner Herkunft forschende Ödipus ahnungslos seinen Vater erschlägt. Damit nimmt das Verhängnis seinen Ausgang, als das der Mythos die Verstrickung des forschenden Menschen in Schuld und Untergang beschreibt. Wie von einem Satelliten aus gesehen zeigt ein riesiges Landschaftsmodell die ganze Region zwischen Korinth und Delphi, die Kreuzung schrumpft zu einem winzigen Punkt. Zugleich können wir den Weg, den Ödipus ging, in einem Videofilm verfolgen, der den Betrachter vor allem deswegen verblüfft, weil er wie von der Natur aufgenommen wirkt, in Wirklichkeit aber eine Abfilmung des Modells, aus extremer Nahsicht darstellt. Die Täuschung, der Ödipus erlag, ist für den Betrachter als eine Täuschung des Mediums erfahrbar. Die entvölkerte archaische Landschaft Griechenlands wirkt wie eine Vorausahnung schrecklicher Ereignisse.