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Sprengel Museum

Kurt Schwitters Platz
30169 Hannover
Tel. 0511 - 168 438 75; Fax 0511 - 168 450 93
Di 10 - 20 Uhr, Mi bis So 10 - 18 Uhr, Mo geschlossen
www.sprengel-museum.de
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08.07. - 09.09.2001


The Native Born

Nach dem "Aborigines Memorial" im Jahr 1999 zeigt das Sprengel Museum Hannover mit "The Native Born" im Sommer 2001 zum zweitenmal herausragende Beispiele moderner Aborigines-Kunst. Die Ausstellung umfaßt rund 100 Bilder und Skulpturen und entsteht in Zusammenarbeit mit dem Museum Of Contemporary Art in Sidney und Bula'bula Arts, Ramingining in Arnhemland (Northern Territory).

Als eine Künstlergruppe der Warlpiri 1983 ein zeremonielles Bodenbild im Museé d'Art Moderne in Paris schuf, rückte die zeitgenössische Kunst der Aborigines endgültig in den Blickpunkt der Weltkunst. Vorbei die Zeiten, da eine akademische Elite ihre Bilder und Skulpturen in die Völkerkundemuseen verbannen und den Aborigines einen originären Beitrag zur Moderne absprehcen konnte. Der wohl wichtigste Aspekt ihrer künstlerischen Arbeit ist, dass die Aborigines Künstler in der Lage sind, die Dichotomie von naturalistisch und abstrakt, wie sie in westlich europäisch Kunstkonzeptionen formulierbar ist, aufzuheben. Der Künstler kopiert nicht das Sichtbare, sondern porträtiert auf der Basis eines mythologisch und historisch überlieferten Farb- und Formenkanons ein Thema nach seinem persönlichen Verständnis. Dabei bedient er sich häufig gleichzeitig der verschiedensten Sichtweisen auf ein Objekt Front und Profil, Vorder- und Rückansicht oder er benutzt wie im Westarnhemland eine Art "Röntgenstil", der sowohl das innere Wesen und die äußere Form berücksichtigt.

Ein weiteres wesentliches Merkmal ist das Ignorieren der perspektivisch "richtigen" Anordnung. Denn die künstlerische Maxime der Aborigines lautet seit alters her: In einer als ästhetisch befriedigenden Komposition sind alle als wesentlich empfundenen Komponenten des gewählten Themas wiederzugeben. Dazu gehören heute historische, soziale und pölitische Elemente ebenso wie kultische Rituale, die Metaphysik und der künstlerische Kontext. Mittels dieser überlieferten ganzheitlichen, man darf ruhig sagen enzyklopädischen Darstellungstechnik erschließen sich den Aborigines-Werken philosophische Tiefendimensionen, nach denen die europäischen Avantgardebewegungen seit 100 Jahren (mal mehr, mal weniger erfolgreich) gefahndet haben.

Formellen Niederschlag finden das häufig durch die komplexe Kodierung von Bedeutungsinhalten, durch Schraffur, Doppelung, serielle Anordnung von Personen und Gegenständen, Rautenmuster und speziellen Klan-Symbolen, die von keinem anderen Klan benutzt, aber von allen verstanden werden. So signalisert die Verbindung von rechteckigen Karos mit langgezogenen Rauten im entsprechenden Kontext zum Beispiel Süßwasser, das sich mit Salzwasser mischt, Feuer, bzw. Flammen, aber auch Seealgen oder Gräser, die sich bewegen. Es braucht aber keinesfalls einen Grundkurs in Aborigines-Formenlehre, um dem ästhetischen Reiz der Arbeiten zu verfallen. Wer unvoreingenommen schaut, findet in den Bildern grafische Systeme von geradezu Klee'scher Raffinesse neben naturalistischen Reliefs, flirrende Impressionen neben abstrakten Konzepten, Farbstriche von fauvistischer Intensität und Kontrastschärfe neben großartigen totemistischen Vergegenständlichungen (Schlangen, Adler, Eidechsen, Felsen), die ihre Positionen auf dem Bild besetzten wie Schauspieler auf der Bühne.

Für die Aborigines, und auch das weist ihre Arbeiten als so wegweisend aus, offenbart sich der Sinn von Bildender Kunst nicht in einem auratischen Anschauungsobjekt, sondern in einem ursprünglichen Kommunukationsprozeß, der hier nicht nur gleichrangig neben Kunstformen wie Gesang und Tanz steht, sondern sich beharrlich durch die Darstellung von Handlungen und Zusammenhängen der Vergangenheit und Gegenwart des Seins versichert. Und zwar in ontologischem und ökologischem Sinne.

Was "The Native Born" zeigt, ist daher nicht einfach Kunst im westlich abendländischen Zusammenhang, sondern die Bilder und Skulpturen erzählen vor allem von gewachsenen lebendigen Beziehungen zwischen Menschen und ihrer natürlichen Umgebung. Besser gesagt sind sie recht eigentlich das Resultat einer funktionierenden Balance zwischen Mensch und Natur.

Das Land, das in den Bildern dargestellt, in seiner Essenz begriffen und in seiner schöpferischen Kraft gefeiert wird, ist eine weitläufige Ebene im Norden Australiens, durchschnitten von riesigen Flußsystemen, im Osten und Norden vom Meer, im Süden vom Roper River und im Westen vom bestimmenden Arnhemland Embarkment begrenzt, einer Felsformation aus Sandstein und Quarz, die teilweise bis zu 300 Meter die Ebene überragt.

 

 

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