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Stadtgalerie Kiel

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19.11. 2005 - 05.03. 2006

im Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum, Wall 65, 24103 Kiel

Richard Fleischhut

Die Wiederentdeckung eines Fotografen:

Bilder von Richard Fleischhut im Kieler Schifffahrtsmuseum

Das Kieler Schifffahrtsmuseum lädt zu einer sensationellen Entdeckung ein: Zum ersten Mal wird in einer großen Sonderausstellung das umfangreiche Werk des Fotografen Richard Fleischhut (1881-1951) präsentiert. Fleischhut dokumentierte von 1905 bis 1939 als Bordfotograf des Norddeutschen Lloyd die Überseepassagen und Kreuzfahrten der großen Passagierdampfer. Zu sehen sind neben den legendären Luxuslinern, der internationalen Prominenz an Bord und ihren spektakulären Reisezielen auch die anderen Facetten des Fleischhutschen fotografischen uvres, das den Bogen von der Portrait- und Stadt- bis hin zur Landschaftsfotografie spannt. Die Ausstellung bietet Gelegenheit zur Begegnung mit einem Künstler, der nicht nur Zeitzeuge war, sondern als Zeitzeuge zugleich Meisterfotograf.

Kiels Kulturdezernent Torsten Albig eröffnet die Ausstellung "Mit der Kamera in die Welt. Der Bordphotograph Richard Fleischhut (1881-1951)" am Freitag, 18. November, um 19 Uhr. Sie ist bis zum 5. März 2006 im Kieler Schifffahrtsmuseum, Wall 65, zu sehen.

Gezeigt werden 200 Fotografien ­ 120 Original-Fotos und 80 Diavographien ­, nach verschiedenen Gegenstandsbereichen gruppiert. Da ist die prominente Gruppe der Passagiere (Marlene Dietrich, Buster Keaton, Cary Grant, Sergej Rachmaninoff, Wladimir Horowitz, Arturo Toscanini, Fred Astaire, Erich Maria Remarque, Max Schmeling, Franklin D. Roosevelt, Ferdinand von Opel und Henry Ford oder der Flugzeugkonstrukteur Hugo Junkers ebenso wie Kronprinzessin Cecilie und Prinz Louis Ferdinand). Einen umfangreichen Schwerpunkt im Fleischhutschen uvre bildeten natürlich sein Arbeitsort: der Dampfer "Bremen", das "Blaue Band" für die schnellste Atlantiküberfahrt sowie als Besonderheit die Katapultflugzeuge der "Bremen". Das lebendige New York hat den Fotografen ebenso begeistert wie die Einsamkeit der norwegischen Fjorde, die er seit 1914 auf seinen Nordlandreisen kennen lernte. Neben der Exotik der fernen Reiseziele interessierten das Publikum auf den Luxuslinern auch die zahlreichen dramatischen Fotografien, auf denen der Bordfotograf die stürmische See festhielt.

Eine letzte Gruppe von Fotos, die Frauenporträts, sind im Barockraum des Warleberger Hofes zu sehen. So sind beide Häuser, Stadt- und Schifffahrtsmuseum, mit dieser Ausstellung sinnfällig verbunden.

Ergänzend zu den Fotografien Richard Fleischhuts werden auch seine Kameras gezeigt; dazu kommen Dokumente aus seinem Bord-Atelier, Bordzeitungen mit Fotos von Fleischhut, Reisesouvenirs sowie persönliche Stücke aus seinem Arbeits- und Familienleben.

Fleischhut hatte auf seinen Reisen häufig auch eine Filmkamera im Gepäck. Filmaufnahmen sind im Begleitprogramm der Ausstellung am 19. und 26. Januar im Kieler Schifffahrtsmuseum zu sehen.

Geboren wurde Richard Fleischhut 1881 in Köslin in Pommern. Mit 16 Jahren begann er in Stettin eine Fotografen-Ausbildung, der eine Lehre als Konditor folgte. Der Beruf des Fotografen schien ihm zu unsicher, und so landete er 1905 in Bremerhaven, um sich auf der "Kronprinz Wilhelm" als Konditor zu verdingen. Die Karriere des "Seelöwen", wie Fleischhut sich später selbst gern nannte, begann in der Schiffsküche, und die Fotos vom Leben an Bord entstanden zunächst nebenbei. Erst als seine Tätigkeit als Konditor ihm zunehmend gesundheitliche Probleme bereitete, verlegte er sich ganz aufs Fotografieren. Gleichzeitig richtete er sich in Bremerhaven ein "Atelier für moderne Photographie" ein.

Fleischhut war in den mehr als 30 Jahren beim Norddeutschen Lloyd auf fast allen großen Schiffen der Reederei unterwegs, fuhr mit der "München" und der "Berlin" durchs Nordmeer, umrundete mit der "Derfflinger" und der "Seydlitz" die Welt und überquerte im Laufe von neun Jahren mit der "Bremen" 154 Mal den Atlantik. Der Nachlass des Fotografen ist voller Dokumente, die einen Eindruck vom Glanz dieser Reisen vermitteln. Man muss lange nach Prominenten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts suchen, mit denen Fleischhut nicht einige Zeit auf einem dieser unvergessenen Luxusliner verbracht hat. Prinzen und hohe Politiker, Schriftsteller, Kinostars und Komponisten, Wirtschaftsmagnaten und Abenteurer ließen sich bereitwillig ablichten von "Mr. Wonderful" oder "dem Allgegenwärtigen", wie der Bordfotograf genannt wurde.

Fleischhuts fotografisches Oeuvre ist jedoch weiter gefächert. Es umfasst auch Reportagefotos und Porträts, klassische Städte- und Landschaftsfotografien, freche Schnappschüsse, dazu zahlreiche Experimente mit wolkenverhangenen Himmeln oder Abstraktionen des endlosen Meers im avantgardistischen Duktus der Moderne, mit denen sich Fleischhut auch als Künstler erwies. Seine Aufnahme vom 1937 lichterloh verbrennenden Zeppelin "Hindenburg" ist um die Welt gegangen.

Unterbrochen wurden Fleischhuts Ausflüge in die Welt der Schönen und Reichen durch den Ersten Weltkrieg. Nach 1919 musste er sich eine neue Existenz aufbauen, denn die deutsche Seefahrt war zum Erliegen gekommen. Anfang der 1920er Jahre schlug er sich nach Amerika durch, ließ seine Familie ­ er hatte mittlerweile zwei Kinder ­ nachkommen und ging dann erneut als Fotograf zum Norddeutschen Lloyd.

Höhepunkt seiner Karriere auf See war 1929 die Jungfernfahrt der "Bremen", die das begehrte "Blaue Band" für die schnellste Atlantiküberfahrt erlangte. Über 150 Reisen des Luxusdampfers begleitete Richard Fleischhut als "I. Bordphotograph", er unterhielt dort ein eigenes Atelier und Labor mit zwei Gehilfen. In diesen Jahren entstanden vor allem Prominentenporträts, doch auch Landschaften und die Menschen an den exotischen Reisezielen boten ihm reizvolle Motive.

Unter den Nationalsozialisten erschwerten sich Fleischhuts Arbeitsmöglichkeiten. Wegen des jüdischen Mädchennamens seiner Frau und seines "auffällig freundlichen Verhaltens zu gewissen prominenten Reisenden" ­ gemeint waren Juden ­ musste er 1937 seinen Arbeitsplatz auf der "Bremen" verlassen. Auf der "Columbus" ging er nun auf Mittel- und Südamerika- sowie Afrikareisen. Mit der Selbstversenkung des Schiffes im Dezember 1939 war Fleischhuts Karriere als Bordfotograf beendet.

Es folgte nach mehreren Monaten Kriegsgefangenschaft ein Neubeginn in Bremen, dem ein Bombenangriff 1944 ein Ende setzte. Nach 1945 siedelte Fleischhut mit seiner Frau nach Neukirchen in Hessen über, wo er 1951 verstarb. Seine seit 1937 in Kiel ansässige Tochter Herta Bruns ließ Fleischhut auf dem Kieler Eichhof-Friedhof bestatten.

Es ist kein Zufall, dass die erste große Werkschau zu Leben und Arbeiten des Fotografen Richard Fleischhut in Kiel eröffnet wird, ehe die Ausstellung nach Emden und Berlin wandert. Der Nachlass befand sich seit 1955 im Besitz seiner Tochter in Kiel und wird nun von der Enkelin, Ingrid Peckskamp-Lürßen, verwahrt und bearbeitet. In Kiel wurde zudem ein Reproduktionsverfahren, die Diavographie, entwickelt, die die historisch fragilen Glasplatten, Originalabzüge und Negative aus dem Nachlass auf digitaler Basis in höchster Qualität und in beeindruckenden Großformaten wiederzugeben vermag. Außerdem ist es reizvoll, mit Richard Fleischhut einen historischen Rückblick auf die Glanzzeiten der deutschen Kreuzschifffahrt Anfang des vergangenen Jahrhunderts zu geben, während Kiel als Anlaufhafen einer internationalen Kreuzfahrerflotte sowie dem Luxusfährschiff "Color Fantasy" just an diese Zeiten anzuknüpfen versucht.

Mit der Kamera in die Welt.
Der Bordphotograph Richard Fleischhut (1881-1951)
19. November 2005 bis 5. März 2006
Eröffnung: Freitag, 18. November, 19 Uhr

Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum
Wall 65
Telefon 0431/901-3428
stadt-undschifffahrtsmuseum@kiel.de
www.kiel.de/kultur

Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr
Eintritt: 3 Euro, ermäßigt 1,50 Euro
Öffentliche Führungen: sonntags 15.30 Uhr
Gruppenführungen nach Vereinbarung unter Telefon 0431/901-3488

Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog:
Mit der Kamera in die Welt. Richard Fleischhut (1881-1951) Photograph,
Herausgegeben von Hermann Haarmann und Ingrid Peckskamp-Lürßen,
DruckVerlag Kettler, 296 Seiten, Bönen 2005
Preis: im Museum 29,50 Euro

Im Begleitprogramm zur Ausstellung:
Meer Kino ­ Richard Fleischhut mit der Filmkamera unterwegs
Donnerstag, 19. Januar und Donnerstag, 26. Januar, jeweils 19 Uhr
Filmvorführung in der Fischhalle, Wall 65
In Kooperation mit dem Kommunalen Kino in der Pumpe Kiel

 

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