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Städtische Galerie Nordhorn

Vechteaue 2 (Alte Weberei)
48529 Nordhorn
Tel: 05921-97 11 00, Fax 0921-97 11 05
Di - Fr 14 - 17 Uhr, Sa 14 - 18 Uhr, So 11 - 18 Uhr
kontakt@staedtische-galerie.nordhorn.de
www.staedtische-galerie.nordhorn.de
aktuelle Ausstellung / current exhibition
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition

 

 

06.01. - 18.04.2004


korpys / löffler

Andree Korpys / Markus Löffler

Zum ersten Mal sind die vielbeachteten Arbeiten des in Berlin und Bremen lebenden Künstlerduos Korpys/Löffler in einer größeren Einzelausstellung im Überblick zu sehen. Anlässlich der Fertigstellung ihres aufwändigen Filmprojekts über den Berlin-Besuch von George W. Bush im Mai 2002 bietet die Städtische Galerie Nordhorn mit Zeichnungen, Skulpturen, Videos und Großfotos einen umfassenden Blick auf die anspielungsreichen und hintergründigen Projekte von Andree Korpys und Markus Löffler. Zugleich erleben die Besucher der Ausstellung die Uraufführung des vor wenigen Tagen fertiggestellten Films über Nordhorn-Range.

Am 22.5.2002 besuchte Amerikas Präsident George W. Bush zum ersten Mal offiziell die Bundesrepublik Deutschland. Korpys/Löffler konnten nach dem üblichen Akkreditierungsverfahren als Mitglieder der begleitenden Journalistengruppe diesen Staatsbesuch aus aller Nähe mit ihrer Kamera verfolgen. Entstanden ist dabei ein Film, der trotz des weltweit aufbereiteten Medienereignisses nahezu unbekannte Bilder zeigt und seine ganz eigene Geschichte erzählt. The Nuclear Football (2004), der in Nordhorn zum ersten Mal in einem Ausstellungshaus gezeigt wird, verfolgt mit scharfem Blick für die Randereignisse und in einem ruhigen, fast meditativen Bilderstrom auch die Bewegungen des allzeit mit dem Präsidenten reisenden Strategiekoffers für den atomaren Angriff. So ist es genau dieses präzise Interesse für die Randbereiche großer gesellschaftspolitischer Themen, dem Korpys/ Löffler ohne explizite Wertungen und Kommentare nachgehen und das die Vielschichtigkeit und Faszination ihrer Arbeiten auszeichnet.

Die Ausstellung beginnt allerdings mit einer älteren Arbeit, die während ihres Aufenthalts 1994-96 in Karlsruhe entstand. Bei ihren Recherchen stießen sie auf die merkwürdige Geschichte des Kunstmalers Theo Sand, der 1977 von einem ihm unbekannten Pärchen besucht wurde, das für sein Eigenheim ein größeres Wandbild bestellen wollten. Zwei Stunden besprachen sie äußerst sachkundig mit dem Maler die Details, dann fesselten und knebelten sie den 69-jährigen Künstler und seine Frau, um im rückwärtigen Atelier einen selbstgebaute Raketenwerfer aufzustellen, der direkt auf die gegenüberliegende Bundesanwaltschaft gerichtet war. Letztlich zündete der Mechanismus jedoch nicht, das Ehepaar konnte sich befreien, und in der späteren Gerichtsverhandlung erklärten die RAF-Mitglieder ihre Aktion eher als eine skulpturale Warnung.

Korpys/Löffler gehen in ihrer Arbeit diesem seltsamen Zusammenhang von Kunst und Gewalt nach, rekonstruieren nach den Vernehmungsprotokollen ein nie gemaltes Wandbild, wandeln den improvisierten Raketenwerfer in eine Skulptur und kreuzen diese gesellschaftspolitische Spurensuche mit eigenen biographischen Bezügen. Auch in einem zweiten großen Werkkomplex, dem konspirativen Wohnkonzept, ist ein reales politisches Ereignis nur äußerer Anlass, Geschichte ebenso wie die eigene Biographie nach den Unregelmäßigkeiten, Aufbrüchen und Zufällen zu befragen. Auf diese Weise wird in den materialreichen Arbeiten dieses Künstlerduos deutlich, wie Historie nicht eine scheinbar objektive Abfolge von Fakten ist, sondern welche Falten sie wirft und wie sehr Design, Architektur, eigene Erinnerungen, Gerüche oder für eher unwichtig gehaltene Erlebnisse an diesem Bild mitschreiben. Zugleich aber beschreiben sie auch eine alternative Form der Geschichtsaneignung, die mehr von der persönlichen Biographie und Geschehnissen am Rande ausgeht.

In der Ausstellung sind darüber hinaus auch die Amerika-Filme aus dem Jahre 1997 zu sehen sowie eine größere Installation zu ihrer filmischen Begleitung des ehemaligen BDI-Präsidenten Hans Olaf Henkel. Eigens für Nordhorn erarbeiteten die beiden Künstler außerdem noch ein neues Projekt, das im Rahmen der Ausstellungseröffnung seine Uraufführung erfährt: Zwei Tage lang durften sie den Einsatz auf dem Bombenabwurfplatz Nordhorn-Range beobachten und filmen. Jenseits aller Brisanz, die diese Bundeswehreinrichtung für die Region hatte und hat, begegnet der Zuschauer in ihrem Film einer äußerst seltsamen Normalität aus teils primitiver Technik, routinierten Abläufen und einem Warten zwischen Fliegenleichen, das selbst für die Beteiligten oft nur mit ironischer Distanz zu bewältigen ist.

In all diesen Installationen, Videofilmen, Fotografien und Zeichnungen kombinieren Korpys/ Löffler dokumentarische und fiktive Elemente zu neuen Bildbezügen und Erzählungen, die die Realität nur um so schärfer in ihren ungelösten Widersprüchen hervortreten lassen. Dabei vermeiden sie ungeachtet des durchaus politischen Gehalts ihrer künstlerischen Dokumentationen sehr bewusst eine moralische Stellungnahme und stellen eher die Fragen danach, was Dokumentation oder Objektivität eigentlich bedeuten können.

 

Eröffnung am 5. März 2004, 20 Uhr

Einführung in die Ausstellung: Roland Nachtigäller, Leiter der Städtischen Galerie Nordhorn

 

 


Finissage in der Städtischen Galerie Nordhorn:
Sonntag, 18. April 2004, 15 Uhr
Bilanz, Führung, Gesprächsrunde und Eltern-Kind-Aktion
Am ersten Wochenende nach Ostern schließt die Ausstellung von Andree Korpys und Markus Löffler in der Städtischen Galerie Nordhorn. Der erste große Überblick über die Projekte des Künstlerduos in einem Museum hat national wie international eine beachtliche Aufmerksamkeit nach Nordhorn gezogen. So berichtete sowohl die amerikanische Kunstzeitschrift »artforum« in ihrem Online-Angebot über das Ereignis wie auch das Schweizer »Kunstbulletin«. Die Besucher, die teilweise von weither angereist waren, verbrachten zumeist viel Zeit in der Ausstellung, um sich mit den interessanten Filmen, Zeichnungen, Fotos und Bildern von Korpys/Löffler eingehender zu beschäftigen. Vor allem die beiden Filme »The Nuclear Football« über den Berlin-Besuch von George W. Bush und »Anmerkungen zu Target 4« über Nordhorn-Range konnten auch viele Nordhorner Bürgerinnen und Bürger begeistern. Und auf eine durchweg positive Resonanz stoßen erstmals angebotenen ausführlichen Handzettel zu jedem Werkkomplex, die die Besucher kostenlos mitnehmen können. Auch zu den regelmäßig jeden Sonntag um 11.30 Uhr angebotenen Turnusführungen fand sich immer wieder eine interessierte Gruppe zusammen. Bis zum Ausstellungsende werden voraussichtlich rund 500 Besucher diese äußerst anregende und spannende Präsentation gesehen haben.
Anlässlich der Finissage am Sonntag, den 18. April 2004, bietet die Galerie noch einmal ein interessantes Begleitprogramm zur Ausstellung. Die Kunstschule lädt ab 15 Uhr erstmalig Eltern mit ihren Kindern gemeinsam ein, vor dem Hintergrund der Korpys/Löffler-Ausstellung ein kleines Projekt rund um das Geschichten-Erzählen umzusetzen. Dabei werden die Erwachsenen zu Zeitzeugen, die die Kinder unterstützen, ihre ganz persönliche künstlerische Sicht der Welt in einem großen Gemeinschaftsbild umzusetzen. Unter der professionellen Anleitung der Kunstschuldozentinnen erfahren die Kinder auf diese Weise, wie man mit Fragen eine Geschichte langsam erfasst, auf welche Weise man die eigene Kreativität nutzen und schließlich die Erzählungen weiterleben lassen kann.
Parallel dazu sind ab 15.30 Uhr alle übrigen Besucher herzlich zu einem gemeinsamen letzten Blick in die Ausstellung eingeladen. Mit welchen Mitteln und Strategien widmen sich Korpys/Löffler ihren Themen? Welche Haltung nehmen sie ein und was können Sie uns über unsere aktuelle Lebenswirklichkeit sagen? Zusammen mit einigen erläuternden Hintergrundinformationen lädt Galerieleiter Roland Nachtigäller noch einmal dazu ein, gemeinsam den Nordhorn-Range-Film anzusehen. In einer anschließenden kleinen Gesprächsrunde soll mit Gästen und ganz konkret bezogen auf das Nordhorn-Projekt von Korpys/Löffler auch danach gefragt werden, welche Möglichkeiten Kunst heute hat, gesellschaftlich wichtige Aussagen zu treffen. Teilnehmen werden an dieser öffentlichen Diskussion in der Ausstellung unter anderem die Fachbereichsleiterin für Kultur und Schulen, Cornelia Baumann, und der Geschäftsführer der Notgemeinschaft Nordhorn-Range, Wolfgang Egberdt: Kunst und Politik - Widerspruch oder notwendige Ergänzung?
Wie immer wird es ein kleines Kaffee-Buffet für alle Gäste geben und auch der Eintritt ist
traditionell in den letzten Stunden vor Ausstellungsende frei (ab 15 Uhr).

 

 

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