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Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Hans-Thoma-Straße 2
76133 Karlsruhe
Tel. 0721 - 926 31 88; Fax 0721 - 926 67 88
E-mail: info@kunsthalle-karlsruhe.de
Di - So 11 - 18 Uhr, Mittwoch 11 - 20 Uhr
http://www.kunsthalle-karlsruhe.de
aktuelle Ausstellung / current exhibition
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition

 

04.07. - 03.09.2006 im Hauptgebäude, Vorlegesaal

Das besondere Blatt

Ausgewählte Meisterwerke aus dem Kupferstichkabinett

Johann Wolfgang Baumgartner (1712 ­ 1761)

Die Verherrlichung des Sommers mit dem heiligen Hieronymus
Hellgraues Papier, aus zwei Blättern zusammengefügt, Feder und Pinsel in Grau, Pinsel in Weiß

Rs. Rötel, Griffelspuren, Bez. auf der Rs.: J W Baumgartner inv & exc.
57,7 x 80 cm
Inv. 1959-12

Bewegt wuchernde Rocaillen, in denen hier und dort kleine Figurengruppen lagern, umranken das Mittelbild mit dem heiligen Hieronymus in seiner Einsiedlerklause vor einer phantasievollen Landschaft. In dieser großformatigen und mit äußerster Sorgfalt ausgeführten Zeichnung transformierte Johann Wolfgang Baumgartner ein biblisches Thema in heimische Gefilde. Der aus Tirol stammende Künstler hatte sich 1733 in Augsburg niedergelassen, wo er im Umfeld eines konjunkturreichen Druck- und Verlagsgewerbes beste Bedingungen für die Herstellung seiner Stichvorlagen fand. In Augsburg boten sich ihm vielfältige künstlerische Anregungen. Hier fand er Zugang zu der durch den Kupferstich verbreiteten Malerei von Boucher und Watteau, deren pastorale Szenen deutliche Spuren in seinem Werk hinterließen. Nicht zu unterschätzen sind auch die vorwiegend französischen Ornamentstichvorlagen, die ihm die neuesten Formentwicklungen für die oftmals den Bildaufbau seiner Entwürfe bestimmende Rocaille vermittelten.
Zur Karlsruher Zeichnung ist ein gleich großer, im Abdruck jedoch spiegelverkehrter Kupferstich überliefert, der von Jakob Gottlieb Thelott (1708 ­ 1760) für den Augsburger Verleger Johann Daniel Herz (1693 ­ 1754) angefertigt wurde. Thelott übertrug die Zeichnung in das Medium der Druckgrafik, zur Erläuterung fügte er Bibelverse hinzu, die wichtige Hinweise auf das bis heute noch nicht vollständig entschlüsselte Bildprogramm geben. Hoch in den Wolken, von Engeln umgeben, schwebt eine Frauengestalt mit großem Heiligenschein, sie hält ein geöffnetes Buch, das der Stich als Altes und Neues Testament ausweist. Die himmlische Dame verkörpert die "höhere göttliche Lehre", via Lichtstrahl sendet sie eine Nachricht zur Einsiedlerklause des heiligen Hieronymus. Im Bildvordergrund hingegen weilt ihre von wohl genährten Putten umgebene irdische Gegenfigur. Locker entspannt räkelt sie sich auf frisch gemähtem Heu, in ihren Händen hält sie eine Sichel und einen Sonnenschirm. Von einem Ähren- und Laubkranz wird ihr Haupt bekrönt, all die Attribute weisen sie als Allegorie des Sommers aus. Ihren Kopf wendet sie in Richtung des heiligen Hieronymus. Der Bibelübersetzer, Kirchenvater und Patron der Gelehrten sitzt in seinem bescheidenen "Gehäus" und empfängt Landleute, die ihm einen Besuch abstatten. Er stützt den rechten Arm auf einen Totenschädel und hält in der Linken eine Schreibfeder. Zu seinen Füßen ruht ein Löwe, eine kleine Bibliothek mit schweren Folianten verweist auf seine wissenschaftliche Tätigkeit.

Alles in allem verbildlicht die dargestellte Zeichnung das Thema der sommerlichen Ernte in einem übergeordneten, geistlichen Sinne. Baumgartner wählte hierzu eine bunte Mischung allegorisch gelehrter und genrehafter Inhalte. Virtuos dargestellt zeigen die Szenen ein Capriccio der unbefangenen Lebensfreude. Kurzum, eine Spitzenleistung des süddeutschen Rokoko.
Die Kunsthalle verwahrt zwei Zeichnungen von Johann Wolfgang Baumgartner; zudem sind mit dem Kupferstich von Jakob Gottlieb Thelott und weiteren Schabkunstblättern von Philipp Andreas Kilian (1714 ­ 1759) eine Hand voll druckgraphischer Werke vorhanden, die auf Baumgartners Bilderfindungen beruhen.

 

 

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