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Staatliche Kunsthalle KarlsruheHans-Thoma-Straße 2
76133 Karlsruhe
Tel. 0721 - 926 31 88; Fax 0721 - 926 67 88
E-mail: info@kunsthalle-karlsruhe.de
Di - So 11 - 18 Uhr, Mittwoch 11 - 20 Uhr
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aktuelle Ausstellung / current exhibition
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition
03.04. - 27.06.2004
Hetum GruberEtwas machen, dessen Fertigstellung unabsehbar ist
Die Ausstellung ruft im Gesamtwerk des bedeutenden deutschen Konzeptkünstlers Hetum Gruber (htmrbr) dessen frühe Schaffensphase von Arbeiten auf Papier aus den 70er und frühen 80er Jahren in Erinnerung. Sie verknüpft diese Rückblende mit der Präsentation seiner jüngsten Werkgruppe kleinformatiger farbiger Bildfindungen, die er "Entscheidungen" nennt. Ohne den Anspruch einer umfassenden Retrospektive zu erheben - die Fotoarbeiten, die Werkgruppe der ALUs sowie die Holz- und Betonskulpturen bleiben ausgespart, rückt die Schau doch sowohl mit dem historischen Rückblick als auch mit dem aktuellen Einblick eine besonders kompromisslose künstlerische Haltung und ein eigenwillig konsequentes Werk der ungegenständlichen Gegenwartskunst ins Bewusstsein.
Der Ausstellungstitel ist dem Namen eines programmatischen Hauptwerkes entlehnt, das als Prozess flächendeckender Schraffuren auf einer "endlosen" Rolle Papiers bis heute nicht abgeschlossen ist. Schraffieren, stempeln, mit Graphit beschlagen, und mit Asche zeichnen waren die Hauptverfahren. Unter strengen, selbstgesetzten Regeln des Zeitablaufs entwickelte der Künstler Exerzitien, um das Zeichnen aus der Schlinge des Formschönen und aus dem Risiko des Beliebigen zu befreien. In eindrucksvollen Einzelblättern und Serien verwandeln sich Zeichnung in Relief und Graphitspuren in metallische Reflektoren von Licht. Sie verdanken ihre Gestalt einzig dem Konzept und der Präzision des Herstellungsverfahrens und sind frei von Bedeutungslast: sichtbare Spuren einer konzisen Umsetzung von Gedachtem- "und sonst nichts".
Die für diese unternommene Auseinandersetzung mit dem Werk Hetum Grubers geht einher mit der Durchsicht und exemplarischen Veröffentlichung seiner Werkbücher, die sein Schaffen seit 1964 begleiten. Aus insgesamt 15 Bänden wurden die Passagen herausgefiltert, in denen Gruber Prinzipielles zu seiner künstlerischen Haltung, seinen Konzeptionen und seinen Verfahren reflektiert. Sie vertiefen nicht nur das Verständnis seines Denkens und Arbeitens, sondern erschließen zugleich als Formulierungen eine neue Dimension seines komplexen Ansatzes.
Es gibt wenige Konzeptkünstler seit den 70er Jahren, die wie Gruber Methoden der Selbstbeobachtung, des Selbstversuchs und der Selbstbestimmung so konsequent eingesetzt haben, um die Reste von Verklärung im Spannungsfeld von Ich, Natur und Geschichte durch Deutlichkeit und Präzision zu überwinden. Vor dem Hintergrund der schriftlichen Formulierungen werden dabei Paradoxien wie diese deutlich:
Persönliche Betroffenheit als Impuls des Kunstmachens und zugleich entschiedene Zurücknahme des Subjektiven; möglichst genaues Konzipieren in der Vorstellung bei gleichzeitig methodischem Desinteresse am Ergebnis während der Ausführung; Eindeutigkeit und Verbindlichkeit der künstlerischen Offenheit für das Schwebende auftauchen der Ideen und Verbindlichkeit des künstlerischen Resultats; kurz: Denken und Werk, Gedachtes und Gemachtes, Unwillkürliches und Entschiedenes als unzertrennliche Seiten einer Medaille. Darin steckt der radikale Anspruch des auf sich allein gestellten, keinem gesellschaftlichem Konsens angepassten Künstlers, Unabhängigkeit, künstlerische Freiheit, Offenheit von Denken und Handeln gefeit zu machen gegen Beliebigkeit.Im gleichen Maß wie die jüngste Werkgruppe der "Entscheidungen" die Produktion auf das unmittelbare Herstellen exemplarischer Farb- und Formlösungen reduziert, haben sich die Notizen in den Werkbüchern mehr und mehr auf die Bewegung des Denkens konzentriert und einen Eigenwert bekommen. Die aus hartnäckiger Selbstreflexion entstandenen Handlungsanweisungen sind einer Offenheit des Mediums Sprache gewichen, das sich in der Tradition der Dadaisten erlaubt, inmitten dialektischer Präzision auch dem Nonsens freien Lauf zu lassen.
Zur Ausstellung erscheint eine zweibändige Publikation: Katalog der ausgestellten Werke und Auswahledition der Werkbücher.