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Museum moderner Kunst
Stiftung Wörlen

Bräugasse 17
94032 Passau
Tel. 0851 - 383 87 90; Fax 0851 - 38 38 79 79
Di - So 10 - 18 Uhr
info@mmk-woerlen.de
www.mmk-passau.de
aktuelle Ausstellung / current exhibition
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10.07. - 05.09. 2004

Der Ball ist rund!

Zeitgenössische Kunst zum Phänomen Fußball.

Josef Dabernig, Peter Hörmanseder, Ingeborg Lüscher, Erwin Wurm

"Das Leben ist rund." (Vincent van Gogh)

Der Ausstellungstitel geht zurück auf eine Aussage des legendären Trainers Sepp Herberger, der die deutsche Elf 1954 zum WM-Titel führte und damit in die Geschichte einging. Die kleine, feine Ausstellung präsentiert Videoarbeiten von drei zeitgenössischen Künstlern und einer Künstlerin, die sich aus verschiedenen Perspektiven dem Phänomen Fußball annähern.

In dieser Ausstellung geht es nur am Rande ­ als Vehikel von künstlerischen Botschaften sozusagen ­ um Außenrist, Flanke, Innenpfosten, Steilpass, Doppelpass, Dribbling, Faul und Schuss. Es geht vielmehr um dieses gesellschaftliche Event, dass die Reichen und Schönen ebenso erfasst wie die Armen und Bedeutungslosen in unserer Gesellschaft. Anhand dieses sportlichen Klassikers soll Fußball thematisiert und einer differenzierten Analyse unterworfen werden. Schließlich gibt es Parallelitäten zwischen diesen beiden, scheinbar so unterschiedlichen Welten ­ Kreativität, Ästhetik, technisches Können, Leidenschaft, etc.

Dass diese Ausstellung nicht nur ein Highlight für Fußballfans sondern auch für Sport-Skeptiker ist, wird in den angesprochenen Themenfeldern verdeutlicht:

- Sport als Leitbild sozialer Aktivitäten (die Lust an der Geselligkeit)
- Die (psychologische) Bedeutung und Dimension von Sieg oder Niederlage
- Patriotische Versatzstücke (die Lust an der Unterwerfung und Demütigung des Gegners) in der Situation der Konkurrenz, des Wettkampfs, des Kulturkampfes, des Prestige-Gewinns, der Gewalt (nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch auf der Tribüne)
- Nationale Sternstunden bei historischen Siegen
- die Lust am Spiel und die Unterwerfung unter Regeln und vereinbarte Gesetzmäßigkeiten; ebenso wie die Unterwerfung unter ein (Unternehmens-) Hierarchiesystem
- die Aufhebung aller Unterschiede durch Klassenzugehörigkeit, Konfession, Ethik, Hautfarbe oder Nation bei den Zuschauern wie bei den Aktiven.
- die Dimensionen von Traurigkeit und Freude, von Fairness und Betrug

Sport - und im besonderen Fußball - ist unter diesen Gesichtspunkten als exemplarisches Kulturmuster zu begreifen, aus dessen Strukturen und Handlungsabläufen Ableitungen für gesellschaftliche Prozesse (etwa in Wirtschaft und Politik) lesbar werden.

Präsentierte Kunstwerke:

Ingeborg Lüscher lässt in ihrer Videoarbeit "Fusion" die Fußballmannschaften von "Grasshopper-Club-Zürich" gegen den "FC St. Gallen" in edelsten Trussardi Anzügen antreten. Die symbolische Repräsentanz ist das Thema dieser 2001 auf der Biennale in Venedig erstmals gezeigten Arbeit. Die galant gekleideten Sportler werden als hochbezahlte, aber rechtlose Arbeitssklaven gezeigt. Lüscher fusioniert - so Bazon Brock in einem Essay - "die sozialen Verhaltensformen im Sport, im Kommerz, im Kriegerkampfbund zu dem Kulturmuster, das sich unabhängig von allen olympischen Beschönigungen oder sozialen Verharmlosungen oder psychischen Entlastungen zeitlos durchgesetzt hat." Die Macht der Mode und die damit zusammenhängenden Vorurteile gegenüber den unterschiedlich gekleideten Protagonisten spricht die kulturelle und soziale Diskriminierung an und führt den Zeitgeist ihrer symbolischen Repräsentation kongenial vor. Die Image-Prägung eines Idealbildes oder eines Deformationsbildes ist nicht nur durch das Äußere, die Kleidung, sondern auch durch "genormte" Verhaltensweisen geprägt.

Josef Dabernig zeigt in seinem Video "WISLA" die Leiden eines Fußball-Trainers auf der Bank, ohne auch nur einmal einen Schwenk auf die Spielfläche, dem eigentlichen Ort der Handlung, des Geschehens zu werfen. Lediglich der sinnentleerte Blick des Trainers, der tatenlos und verzweifelt zusehen muss, ist der Inhalt dieser Arbeit. Das Drama dieses Kurzfilms erinnert nicht zuletzt durch seine s/w ­ Bildaufnahmen an die Säuferepen eines Aki Kaurismäki, dem unvorstellbarem Leiden eines einsamen Mannes.

Erwin Wurm zeigt in der Video-Installations-Arbeit "Football" en miniature einen immer aufs neue gesetzten Schuss auf das Kameraobjektiv. Beim Aufprall des Balles auf dem Objektiv wird aus dem sich vergrößernden Rund eine farbige Fläche, bis der Rückstoß die ureigene Form des Balles wieder deutlich macht. Eine sehr konzeptuelle Arbeit, die das Spiel mit Form, Volumen, Fläche und Raum zum Inhalt hat. Wie sagte Vincent van Gogh einst: "Das Leben ist rund".

Peter Hörmanseder präsentiert seine Videoreflexion "Replay" über das Spiel Österreich gegen Deutschland in Córdoba 1978, dass zumindest für Österreich durch den 3:2 Sieg gegen den amtierenden Weltmeister Deutschland zum Mythos geworden ist. Das Replay eines Replays, das den österreichischen Helden Hans Krankl im Freudentaumel durch den Superzeitlupen-Eingriff fast zum Stillstand gebracht hat. Die Moderatoren Grissemann (als Armin Hauffe) und Stermann (als Edi Finger) sprechen den von Ror Wolf rekonstruierten Dialog aus dem Off und legen die Maske des Patriotismus der beiden Nachbarländer schmerzvoll bloß.

"Die einen gehen ins Museum, die anderen ins Stadion, manche tun beides." (Olaf Metzel, Künstler)

"Gemeinsamkeiten zwischen Fußball und Kunst? Sowohl über Kunst als auch über Fußball glaubt jede/r ­ auch ohne Vorkenntnisse zu haben ­ urteilen zu können." (Otto Zitko)

"Fußball ist ein Kosmos, wo die Idee einer multikulturellen Gesellschaft bisher am besten vorgelebt wird." (Stephan Banz)

 

Eröffnung der Ausstellung Freitag, 9. Juli 2004, 19 Uhr

Kurator: Hans-Peter Wipplinger

 

 

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